2. Bundesliga

"Haben den Weg verlassen": Heckings knallharte Fehleranalyse

Enttäuschende Saison für den 1. FC Nürnberg

"Haben unseren Weg verlassen": Heckings knallharte Fehleranalyse

Dieter Hecking (li.) und der neue Cheftrainer Cristian Fiel haben im Sommer viel Arbeit vor sich.

Dieter Hecking (li.) und der neue Cheftrainer Cristian Fiel haben im Sommer viel Arbeit vor sich. IMAGO/Ulrich Hufnagel

Nach einer enttäuschenden Spielzeit, in der der Klassenerhalt erst am letzten Spieltag gesichert werden konnte, hat der 1. FC Nürnberg die eigenen Fehler analysiert. Sportvorstand Dieter Hecking teilte die drei zentralen Erkenntnisse in einer Medienrunde:

1. Die Kadereinschätzung und das Saisonziel

Vor der Saison verkündete der Club offensiv, dass man das obere Tabellendrittel erreichen wolle. "Das war das erste Problem, das ich im Nachhinein gesehen habe", bilanzierte Hecking. Nach vier Zählern aus den ersten drei Spielen gab es bereits am vierten Spieltag beim 0:3 gegen den 1. FC Heidenheim den ersten großen Dämpfer. Ab diesem Zeitpunkt sei den Nürnbergern das Ziel "auf die Füße gefallen".

Anschließend wurde diese Zielsetzung "permanent herangezogen", erinnerte sich Hecking. "Das hat natürlich nicht dazu beigetragen, dass wir dem Ziel näherkommen, sondern eher, dass das Ziel immer weiter weggelaufen ist, weil wir nicht die Ergebnisse geliefert haben."

Schlussendlich habe einfach auch die Qualität gefehlt, wie Hecking gestand: "In der Nachbetrachtung scheint es doch so zu sein, dass ich diesen Kader nicht in allen, aber doch in einigen Teilen zu gut gesehen habe. Das muss ich mir selbstkritisch ankreiden."

2. Der Trainerverschleiß

Der ausbleibende Erfolg sorgte auch für Bewegung auf der Trainerbank. Nach zehn Spieltagen übernahm Markus Weinzierl das Amt von Robert Klauß. Erneut lief allerdings wenig zusammen und so nahm Hecking ab dem 22. Spieltag interimsweise auf der Trainerbank Platz. "Wenn man letztendlich drei Trainer in einer Saison braucht, um das Minimalziel Klassenerhalt zu schaffen, dann ist das natürlich nie gut", hielt Hecking fest.

"Robert hat seinen Weg - und das ist auch der Weg, den wir eigentlich mit ihm beschreiten wollten -, einen mutigen und aggressiven Fußball zu spielen, nach und nach verlassen", blickte der 58-Jährige zurück. "Das war eigentlich seitdem ich da bin, immer die DNA unseres Spiels, weil es auch die DNA unseres Nachwuchses ist. Da wollten wir eine enge Abstimmung haben."

Dass der Verein vom eigenen Weg "fast komplett abgegangen ist", sei eine Lektion für die Zukunft. "Auch in kritischen Phasen, wo es nicht so läuft, dürfen wir nie unseren Weg verlieren", betonte der Sportvorstand. Das zweite Learning der Saison: "Dass wir bei der Trainersuche den passenden Coach für den Verein und unsere Ausrichtung finden."

Dabei blickte er auf die Einstellung von Markus Weinzierl. "Auch das war vielleicht ein Fehler meinerseits, dass man aufgrund der Drucksituation im November vielleicht zu vorschnell den Weg verlassen hat. In der guten Absicht, dass Markus Weinzierl mit seiner Erfahrung einen Weg finden wird, um das wieder aufleben zu lassen. Das hat nicht funktioniert."

3. Die Verletzungsmisere

Tim Handwerker

Schon am dritten Spieltag riss sich Tim Handwerker das Kreuzband. IMAGO/Zink

Zu all den Problemen kam dann auch noch das große Verletzungspech. "Das dürfen wir in unserer Analyse nicht außer Acht lassen", erklärte Hecking. "Ich will da nicht zu sehr drauf rumreiten, weil ich die beiden anderen Themen als vorrangig ansehe. Aber natürlich geht man trotzdem bei einer Planung der Saison davon aus, dass die Spieler weitestgehend zur Verfügung stehen."

Wirklich aus dem Vollen schöpfen konnte der Club allerdings nie. "Wir haben eine Zusammenfassung von unseren Ärzten bekommen, aus der hervorgeht, dass wir insgesamt 155 verpasste Spiele haben."

Im Schnitt fehlten also fast fünf Akteure pro Partie krank oder verletzt, darunter regelmäßig auch Stammspieler wie Christian Mathenia (Schulter), Florian Hübner (Rückenverletzung und Muskelfaserriss), James Lawrence (Innenmeniskusriss), Tim Handwerker (Kreuzbandriss), oder Erik Wekesser (Kreuzbandverletzung), um nur einen Teil zu nennen. "Das sind Dinge, die kann man bewerten, wie man will. Für uns war es aber schon eine Herausforderung in diesem Jahr."

Insgesamt "keine nachhaltige Weiterentwicklung"

Auch in einer insgesamt enttäuschenden Saison habe es gute Seiten gegeben. Im DFB-Pokal reichte es bis ins Viertelfinale, dazu wurde "die Verzahnung zum NLZ vorangetrieben". Insgesamt habe man neun Spieler aus dem eigenen Nachwuchsleistungszentrum in den Kader der ersten Mannschaft integriert.

Doch während Hecking in seinen ersten beiden Jahren im Amt noch klare Entwicklungsschritte erkennen konnte, blieb die "nachhaltige Weiterentwicklung" in der zurückliegenden Spielzeit unter dem Strich aus. "Das ist der Kritikpunkt", stellte der Sportvorstand klar.

"Neuanfang" unter Fiel

Wie der FCN am Freitag offiziell verkündete wird Cristian Fiel ab sofort das Traineramt übernehmen und soll den Verein zurück in die Spur bringen. "Ich glaube, dass wir da zunächst nicht mit zu viel Vorschusslorbeer an die Personalie herangehen wollen, aber ich doch zuversichtlich bin, dass wir den zweijährigen Weg, den wir eingeschlagen haben, mit Cristian wiederfinden können", erklärte Hecking, unter dem Fiel in der Schlussphase der Saison als Co-Trainer fungierte.

Der neue Mann, der im Sommer 2021 die Nürnberger U 21 übernahm, sei im Verein "sehr anerkannt". "Er steht für mutigen, aggressiven Fußball, auch ein bisschen Spektakel. Ich glaube, dass er uns mit seiner Art guttut", lobte sein Vorgänger, der die Chance für einen "Neuanfang" sieht. "Der startet nicht bei null, aber gewisse Dinge müssen einfach wiederbelebt werden. Da bin ich zuversichtlich, dass Cristian das schafft."

Mannschaft soll "ein etwas anderes Gesicht" bekommen

Den Trainingsauftakt wird Fiel dabei voraussichtlich noch nicht mit dem endgültigen Aufgebot absolvieren können. "Es wird sicherlich so sein, dass unser Kader nicht am 20.6. voll sein wird. Da werden wir uns auch die nötige Zeit nehmen müssen, die wir mit dem sehr späten Klassenerhalt ein bisschen verspielt haben", erklärte Hecking. "Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir da wieder gute Entscheidungen treffen werden, um der Mannschaft ein etwas anderes Gesicht zu geben."

Während auf der einen Seite mit Danny Blum, Pascal Köpke (beide Ziel unbekannt), Fabian Nürnberger (SV Darmstadt 98), Erik Shuranov (Maccabi Haifa) und Shawn Blum (1. FC Kaiserslautern II) bereits einige Abgänge feststehen, stellte der Club unter der Woche mit Ivan Marquez (NEC Nijmegen) auch den ersten Neuzugang vor.

Florian Flick

Geht es nach Dieter Hecking, trägt Florian Flick auch in der kommenden Saison das Club-Trikot. IMAGO/Zink

Dazu gibt es "die Leihspieler-Problematik". Peter Vindahl (Alkmaar) wurde bereits verabschiedet. Die Zukunft von Lino Tempelmann (SC Freiburg), Florian Flick (FC Schalke 04), Jannes Horn (VfL Bochum) und Jens Castrop (1. FC Köln) ist dagegen unklar. 

"Bei ihnen wird es nicht einfach, alle zu halten. Es gibt aber Signale bei dem einen oder anderen, dass er sich durchaus vorstellen kann, wenn wir eine Einigung finden, zu bleiben. Bei Florian Flick ist es, denke ich mal, kein Geheimnis, dass wir ihn gerne halten würden. Da werden wir in den nächsten Tagen in die Gespräche gehen", kündigte Hecking an. 

Viel zutun also sowohl für den neuen Coach als auch für Hecking und die Verantwortlichen im Hintergrund. Bis zum 28. Juli bleibt dem Club Zeit, dann beginnt die neue Saison in der 2. Bundesliga, in der die negativen Eindrücke aus der zurückliegenden Spielzeit schnellstmöglich vergessen gemacht werden sollen.

dza

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