Bundesliga

Windhorst hat recht - und Gegenbauer keine Zukunft

Ein Kommentar zum Machtkampf bei Hertha BSC

Windhorst hat recht - und Gegenbauer keine Zukunft

Gegenspieler: Präsident Werner Gegenbauer (li.) und Investor Lars Windhorst.

Gegenspieler: Präsident Werner Gegenbauer (li.) und Investor Lars Windhorst. imago images/Bernd König

Lars Windhorst stand mit unsichtbarer Kriegsbemalung im Studio von "Bild-TV", und er trug seine Bedenken, die seit Längerem eher Qualen sind, in Großbuchstaben vor. Er sei "ganz klar gegen die Spitze des Präsidiums und seine Gefolgsleute", erklärte Windhorst. "Es ist jetzt höchste Eisenbahn, dass wir das Ruder in allen Belangen rumreißen. Ich setze auf die positiven Effekte eines Neustarts, und diesen Neustart brauchen wir auch an der Spitze".

Immer wieder Zoff und kein Zentimeter nach vorne

An der Spitze des Klubs thront seit Mai 2008 Werner Gegenbauer. Mit ihm als Frontmann ist dieser Verein, der in den Nullerjahren Stammgast im Europapokal war und 2008/09 unter Trainer Lucien Favre um die Deutsche Meisterschaft mitspielte, 2010 und 2012 aus der Bundesliga abgestiegen.

Mit ihm als Frontmann hat der graumäusigste Hauptstadtklub der Welt eine bleierne Dekade hinter sich, in der sich Hertha sportlich und finanziell viel zu oft vergaloppiert hat.

Mit ihm als Frontmann ist der Klub in der existenziell wichtigen Frage des Stadion-Neubaus trotz Gegenbauers glänzender Vernetzung mit Berlins Wirtschaft und Politik keinen Zentimeter vorangekommen.

Mit ihm als Frontmann gab und gibt es immer wieder Zoff auf offener Bühne: mit Dieter Hoeneß, mit Lucien Favre, mit Markus Babbel, jetzt mit Lars Windhorst.

Windhorsts Angriff: Kein Nadelstich, sondern ein Axthieb

Jeder Fall lag anders, aber als Eindruck bleibt: Der Strippenzieher Gegenbauer hat keine allzu große Begabung für eine störungsarme Kommunikation - oder kein Interesse daran. Windhorst, der diesem notorisch klammen Klub mit seinem 374-Millionen-Euro-Investment mutmaßlich nichts weniger als die Existenz gerettet hat, hat seine Erfahrungen aus drei Jahren teuer erkaufter Lektionen am Sonntag auf den Punkt gebracht: "Mir ist nach wenigen Monaten klar geworden, dass es unter der Führung von Gegenbauer sehr schwierig ist, als Team zu arbeiten. Ihm geht es nicht darum, den sportlichen Erfolg des Vereins herbeizuführen, sondern da geht es um Machterhalt. Da gibt es Seilschaften und Klüngelei."

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Das war kein Nadelstich mehr, das war ein Axthieb. Windhorsts Lager hat die Machtfrage schon öfter gestellt, aber noch nie so laut - und so ultimativ. Keine 24 Stunden nach dem ersten Rückrundensieg überlagert der Investor mit dem auf offener Bühne befeuerten Machtkampf die im Klub aufkeimende Aufbruchstimmung unter dem charismatischen Neu-Trainer-Duo Felix Magath/Mark Fotheringham.

Abzüge in der B-Note waren Windhorst schon immer egal

Das Timing ist nicht vollends geglückt. Aber Abzüge in der B-Note waren Windhorst schon immer egal. Das ewige Stehaufmännchen der deutschen Wirtschaft will den dauertaumelnden Klub wachrütteln und ruft am Hofstaat Gegenbauer zur offenen Rebellion auf. Jetzt liegt es an den Gremien und den Mitgliedern, den demnächst 130 Jahre alten Verein nicht nur an den Gliedern zu erneuern, sondern am Kopf.

Werner Gegenbauer hatte viel Zeit, um aus Hertha mehr zu machen als den ewigen Konjunktiv der Hauptstadt. Es ist ihm nicht gelungen - und das auf sehr teure Art. Hertha braucht, angefangen von einem robusten Mittelstürmer bis zu einem Rechtsverteidiger von Format, schon in nächster Zeit mal wieder ziemlich viel. Aber vor allem braucht dieser Klub eine erdnahe Idee von sich selbst, eine veränderte Kommunikation und ein tragfähiges Zukunftsmodell: eines ohne den Patriarchen Gegenbauer.