Bundesliga

"Stevens musste in Berlin einiges aushalten"

Herthas Zeugwart Herzog vorm Duell gegen seinen Ex-Klub Schalke

"Stevens musste in Berlin einiges aushalten"

Vom 1. Juli 1997 bis zum 30. Juni 2000 bestritt er 73 Bundesligaspiele für Hertha BSC: Hendrik Herzog.

Vom 1. Juli 1997 bis zum 30. Juni 2000 bestritt er 73 Bundesligaspiele für Hertha BSC: Hendrik Herzog. imago

kicker: Sie waren Profi bei Hertha BSC und sind seit 2007 Zeugwart des Klubs, Ihre erste Station als Bundesliga-Spieler war Anfang der 90er Jahre Schalke 04. Wird Ihnen bei der Rückkehr am Samstag warm ums Herz, Herr Herzog? Hendrik Herzog: Nee, mein Abschied von Schalke ist 20 Jahre her. Die Verbindung ist komplett abgerissen. Die Schalker laden mich im Unterschied zu meinem Kumpel Waldemar Ksienzyk ja nicht mal zu Spielen ihrer Traditionsmannschaft ein.

kicker: Vielleicht bekommen Sie angesichts der Rivalität der Klubs auch einfach nur keine Freigabe von Manager Michael Preetz... Herzog: Nein, daran liegt es bestimmt nicht. Diese Rivalität ist ja eher einseitig, die wird bei den Hertha-Fans so intensiv empfunden und gelebt. Im Schalker Lager ist das aus meiner Sicht kein großes Thema. Die schauen nach Dortmund, nicht nach Berlin.

kicker: Haben Sie als Ex-Schalker mal Ablehnung erfahren, seit Sie bei Hertha sind? Herzog: Nie. Dass es da eine doch heftige Ablehnung gibt, wurde mir auch erst klar, als Huub Stevens 2002 Hertha-Trainer wurde. Der musste in Berlin einiges aushalten wegen seiner Schalker Vergangenheit. Da gab es Sprüche, da gab es Anfeindungen. Das war wirklich nicht ohne - und so auch nicht okay.

kicker: Kennen Sie den Ursprung dieser Feindschaft? Herzog: In allen Feinheiten nicht, aber ich weiß natürlich, dass die Geschichte mit diesem Pokalspiel Anfang der 70er Jahre kurz vor dem Bundesliga-Skandal so richtig auf Touren kam.

kicker: Hertha gewann 1971 nach einem 1:3 im Hinspiel im Erstrunden-Rückspiel des DFB-Pokals 3:0 gegen Schalke und setzte Zoltan Varga ein. Varga war in den Bestechungsskandal verwickelt und sollte mit einer Vorsperre belegt werden, erwirkte aber eine Einstweilige Verfügung, lief auf und war an zwei der drei Tore beteiligt. Die Schalker legten Einspruch ein, das DFB-Sportgericht wandelte Herthas 3:0-Sieg in eine 0:2-Niederlage um - und Schalke gewann am Ende der Saison 1971/72 den DFB-Pokal. Herzog: Genau. Und bei den Schalkern liefen mehrere Spieler auf, denen später die Beteiligung am Bundesliga-Skandal ebenfalls nachgewiesen werden konnte - die aber vorher wohl unter Meineid ihre Unschuld geschworen hatten.

kicker: Seitdem nennen viele Hertha-Fans den Klub nur noch FC Meineid. Wie haben Sie Ihre vier Schalker Jahre in Erinnerung? Herzog: Ich hatte dort eine schöne Zeit. Ich kam 1991 vom FC Berlin, also dem vormaligen DDR-Serienmeister BFC Dynamo. Ich kam von einem Klub, den - bis auf einen harten Kern von am Ende ein paar hundert Getreuen - alle verachteten. Und landete bei einem Klub, den alle liebten. Mein erstes Bundesliga-Spiel war im August 1991 mit Schalke gegen den HSV mit meinem früheren BFC-Kollegen Frank Rohde. Das Parkstadion war voll, die Atmosphäre war gigantisch.

kicker: Endstand 0:0, kicker-Note 3, Jan Furtok abgemeldet. Herzog: Na bitte. Ich war gleich voll da.

kicker: Nach der Vertragsunterschrift auf Schalke im Frühjahr 1991 soll Ihnen Charly Neumann für die Rückfahrt einen Leihwagen gegeben haben, den Sie aus Scham in Berlin zwei Straßen weiter geparkt haben. Herzog: Ja, so ähnlich hat es sich zugetragen. Ich kam mit meinem Wartburg nach Schalke. Und sagte irgendwann beiläufig zu Charly Neumann, dass mich ein schnelleres Auto mal reizen würde. Also besorgte er mir einen Mercedes, mit dem ich zurück nach Berlin fuhr. Aber im Sportforum habe ich ihn dann auf dem dafür vorgesehenen Spieler-Parkplatz erstmal nicht abgestellt.

kicker: Warum nicht? Herzog: Weil es Theater gab mit den Funktionären. Der FC Berlin hatte vor der Saison 1990/91, in der sich die Ost-Klubs für die Bundesligen qualifizieren mussten, einen riesigen Aderlass. Doll, Rohde, Ernst waren weg, Thom schon im Winter davor. Sportlich schwammen uns die Felle weg. Ziel war erst die Qualifikation für die Bundesliga, das wurde dann im Laufe der Saison korrigiert auf 2. Liga - und die haben wir dann auch verpasst. Ich war verletzt zwischendurch, einige Funktionäre nannten mich einen Simulanten, was ein Witz war. Die waren im Kopf noch so drauf wie vor der Wende. Die haben meinem Mitspieler Dirk Rehbein, der als erster West-Spieler zum BFC kam, mal 1000 Mark vom Grundgehalt abgezogen. Dirk stand in der Kabine neben mir und fragte: Was hab' ich denn gemacht? Ich hab' ihm gesagt: Dirk, die waren mit deiner Leistung nicht zufrieden. Also haben sie ihm, wie sie es von früher gewohnt waren, Geld abgezogen. Ging natürlich nicht mehr so einfach, Dirk nahm sich einen Anwalt.

Schalke war Herzogs erste Station in der Bundesliga: 73 Spiele, neun Tore und drei Vorlagen waren seine Ausbeute.

Schalke war Herzogs erste Station in der Bundesliga: 73 Spiele, neun Tore und drei Vorlagen waren seine Ausbeute. imago

kicker: Und Ihr Mercedes? Herzog: Naja, irgendwann hat es mir dann gereicht und ich hab' den Mercedes neben die Autos der anderen Spieler gestellt. Haben schön geguckt, die Herren Funktionäre.

kicker: Warum passte es so gut mit Ihnen und Schalke? Herzog: Ich war da mit meiner Malocher-Mentalität gut aufgehoben. Die Mentalität ist im Ruhrpott ähnlich wie in Berlin: gern auch mal rau, aber immer geraderaus und verbindlich. Da hatte ich in Stuttgart später ehrlich gesagt mehr Anpassungsprobleme.

kicker: Sie hatten mit Ristic, Lattek, Berger in Ihren vier Schalker Jahren namhafte Trainer. Kamen Sie mit allen klar? Herzog: Im Grunde schon. Wobei Aleks Ristic menschlich kein einfacher Typ war. Der wählte in der Ansprache manchmal schon sehr harte Worte.

kicker: Und Udo Lattek? Herzog: Wenn du bei Lattek Stammspieler warst, hattest du ein Super-Leben. Ich hab' mir in dieser Zeit leider das Kreuzband gerissen. Und bei Jörg Berger hatte ich später einen richtigen Lauf und hab' als Innenverteidiger in meiner letzten Saison für Schalke acht Tore gemacht.

kicker: Trotzdem wechselten Sie 1995 nach Stuttgart. Herzog: Rudi Assauer wollte mich zum Bleiben überreden. Aber ich wollte nach vier Jahren etwas Neues machen. Und das VfB-Angebot hat einfach gepasst.

kicker: Wissen Sie eigentlich, für wen Sie mehr Spiele gemacht haben - Schalke oder Hertha? Herzog: Ich denke mal, für Schalke. Da war ich vier Jahre, bei Hertha als Spieler nur drei Jahre. Ich weiß nur, dass es insgesamt 208 Bundesliga-Spiele waren.

kicker: Für beide genau gleich viele, jeweils 73. Herzog: Passt doch.

kicker: Hertha hat die letzten sieben Spiele auf Schalke in Serie und jeweils ohne eigenes Tor verloren. Ist der Rivale zugleich der Angstgegner? Herzog: Es sieht ein bisschen so aus, aber woran das liegt, ist schwer zu ergründen. Das gibt's ja immer wieder, dass einem manche Teams liegen und manche gar nicht. Gegen meinen anderen Ex-Klub VfB Stuttgart zum Beispiel sehen wir meistens sehr gut aus, jedenfalls in den Heimspielen. Schalke liegt uns bis jetzt nicht so, warum auch immer.

kicker: Reißt die Serie am Samstag? Herzog: Das will ich hoffen. Es ist ein bisschen schade, dass die Kölner dort zuletzt 3:0 gewonnen haben. Jetzt sind die Schalker wach. Sie sind spielerisch in meinen Augen eine gute Mannschaft, aber keine Übermannschaft. Sie haben viel Lob bekommen zuletzt, aber sie haben ihre Siege zum Teil durch Standards und Tore von Matip geholt. Und wir sind gut drauf.

kicker: Ihr Tipp? Herzog: Puh, ganz schwer.

kicker: 1:1? Herzog: Hm... Klar wäre ein Punkt für uns eine schöne Sache. Aber ich ticke immer noch wie ein Sportler: Wenn ich in ein Spiel gehe, will ich es gewinnen.

Interview: Steffen Rohr

Baumjohann & Co.: Wer Schalke und Hertha verbindet