Bundesliga

Schiris vor dem Bundesliga-Start: Über Alibis und Lichtblicke

Gibt es bessere Antworten auf altbekannte Fragen?

Schiris vor dem Start: Über Alibis und Lichtblicke

Sven Jablonski führt zum zweiten Mal in Serie das Bundesliga-Notenranking an.

Sven Jablonski führt zum zweiten Mal in Serie das Bundesliga-Notenranking an. imago images/Hübner

Wird es weniger krasse Fehlentscheidungen geben, die die Wahrnehmung der gesamten Schiri-Zunft nachhaltig negativ beeinflussen? Werden die Leistungen insgesamt konstanter und besser? Und gelingt vor allem die Handhabung der Videohilfe auf einem verlässlich hohen und berechenbaren Niveau? Nach den Vorleistungen in der 2. Liga, die von einer skandalösen Strafstoß-Entscheidung durch Schiri Patrick Alt trotz richtigen VAR-Eingriffs in der Partie Nürnberg-Hannover (2:2) überschattet wurden, scheinen Zweifel angebracht.

Absteiger Cortus, Aufsteiger Gerach - Fortschritte in Sachen Leistungsprinzip

Verlässliche Antworten im Oberhaus müssen erneut 24 Bundesliga-Referees mit ihren Teams geben. Erstmals seit 2020 Dr. Robert Kampka in die 2. Liga abgestiegen war, musste nun wieder ein Schiedsrichter aus Leistungsgründen den elitären Kreis verlassen. Benjamin Cortus, in der vorigen Saison auch Letzter im kicker-Notenranking (3,9), hört nach dieser Herabstufung sogar komplett mit dem Pfeifen auf, fungiert künftig nur noch als VAR.

Das kicker-Managerspiel:

An seiner Stelle darf sich Aufsteiger Timo Gerach im Oberhaus beweisen, der als Zweitligaschiedsrichter in 2022/23 bereits zweimal in der Bundesliga getestet wurde. Es tut sich also zumindest ein bisschen was beim Thema Leistungsprinzip, dessen mangelhafte oder ausbleibende Anwendung in den vergangenen Jahren vielfach kritisiert wurde - bei der Kaderbesetzung wie auch der Einsatzverteilung. Die Führung um Chef Lutz Michael Fröhlich hatte vor allem im Sommer 2022 für Verwunderung gesorgt, als der 24er Kreis trotz der zuvor nach kicker-Noten (3,08) schlechtesten Saison seit VAR-Einführung (2017) identisch geblieben war. In der abgelaufenen Spielzeit gelang den Referees nach kicker-Bewertung eine leichte Steigerung auf 3,0.

Intern wird Selbstkritik von Fröhlich und Co. vermisst

Das war vor allem dem relativ geräuschlosen und daher aus Schiedsrichtersicht erfreulichen Saisonendspurt zu verdanken. Im Bundesligafinale, in den abschließenden DFB-Pokalpartien sowie in den Relegationsduellen saßen die wesentlichen Entscheidungen. Diesen Trend sollten die deutschen Unparteiischen beibehalten, bestenfalls ausbauen. Dennoch ist so mancher Referee nicht sonderlich optimistisch, dass das über einen längeren Zeitraum gelingen kann. Der Grund: Unterm Strich verlief die gesamte Saison 2022/23 unrund, aus Schiri-Perspektive nicht zufriedenstellend.

Auf den Lehrgängen vor der kommenden Spielzeit war von der Führungscrew um Fröhlich aber nicht viel Selbstkritik zu hören. Strukturelle Probleme wie die von einigen Referees als unzureichend angesehene inhaltliche Begleitung während des Spielbetriebs, bisweilen unklare Vorgaben bei Regelauslegungen und eben die mangelnde Anwendung des Leistungsprinzips wurden entweder nicht als solche erkannt - oder nicht angesprochen. Vor versammelter Mannschaft wurde in Herzogenaurach eher ein positives Saisonfazit vermittelt.

Austausch mit Fußball-Experten: Wie groß ist der konkrete Nutzen?

Und wie steht es um die Schulung der Fußballkompetenz? Nachholbedarf in diesem Bereich hatte Peter Sippel als Sportlicher Leiter der Bundesliga-Schiris im Sommer 2022 explizit angesprochen. Seitdem sucht die Schiri-Zunft den Austausch mit Experten aus dem Aktivenbereich. Ende Juli trat im Trainingslager zum wiederholten Male Ex-Bundesligatrainer Manuel Baum als Referent für (mannschafts-)taktische Aspekte auf. Impulse gaben auch Benno Möhlmann und Frank Kramer als Vertreter des Bundes Deutscher Fußballlehrer und Bundesliga-Jokerkönig Nils Petersen, der wenige Wochen vor seinem Karriereende in diesem Sommer ein Amateurspiel als Schiedsrichter geleitet hatte.

Bei diesen grundsätzlich sinnvollen Maßnahmen steht eine Frage im Raum, die sich auch mancher Schiri stellt: Wie viel ist davon Alibi nach außen, und wie groß ist der konkrete Nutzen solcher punktuellen Aktionen für den einzelnen Schiedsrichter? Oder sollte es nicht besser regelmäßiges Training, also eine echte Schulung der Fußballkompetenz auf dem Platz und in Videoanalyse geben, wie sie der frühere internationale Top-Referee Urs Meier im kicker-Interview für die Bundesliga-Referees gefordert hat? 

Zunehmende Transparenz als klare Errungenschaft der Schiri-Führung

Wie wird Fröhlich seine restliche Amtszeit als Geschäftsführer der DFB Schiri-GmbH gestalten, nachdem er kürzlich seinen Abschied zum Ende des Jahres 2024 angekündigt hat? Wird es ein Weiter-so geben oder arbeiten der Berliner und seine Mitstreiter zumindest im Hintergrund an nötigen Verbesserungen im Führen und Coachen der Schiris? Die zunehmende Transparenz und regelmäßige öffentliche Erklärungen, auch von den Referees selbst, dürfen sich Fröhlich und Co. als Errungenschaft auf die Fahne schreiben. Ins Bild passt dabei auch die Nähe, die in der aktuellen ARD-Doku "UNPARTEIISCH" über die Arbeit der Elite-Referees zugelassen und vermittelt wird. Gleichwohl fehlten in brisanten Fällen zuletzt, gerade bei Einlassungen der Chefs, manches Mal klare Urteile. Name und Reputation eines Schiedsrichters schienen nach Fehlern zumindest Einfluss auf die öffentlichen Einordnungen der Verantwortlichen zu haben.

Hohe internationale Weihen für Zwayer, Jablonski und Siebert

Bei aller berechtigten Kritik sowie dem immensen Qualitätsverlust unter den deutschen FIFA-Schiris durch die Abschiede von Felix Brych und Deniz Aytekin, gibt es auf internationaler Bühne allerdings auch wieder positive Signale. Der national seit Jahren umstrittene Felix Zwayer durfte das durchaus bedeutsame Nations-League-Finale zwischen Kroatien und Spanien leiten. Und Hoffnungsträger Sven Jablonski, der mit einem Schnitt von 2,23 zuletzt zum zweiten Mal in Serie das Bundesliga-Notenranking anführte, wurde die Leitung des U-19-EM-Endspiels anvertraut. Daniel Siebert, der als Teilnehmer der EM 2021 und der WM 2022 Brych als deutsche Nummer eins im internationalen Bereich beerbte, in der abgelaufenen Saison national aber Leistungsschwankungen aufwies, bekam die Verantwortung für das Europa-League-Halbfinalhinspiel zwischen Juventus Turin und dem FC Sevilla.

Auch Dankert, Dingert, Schlager und Schröder sind gefragt

Auch mit Beginn der neuen Saison zeigte sich, dass deutsche Schiris international wieder stärker gefragt sind. Neben Jablonski (zwei Einsätze) wurden auch die erfahrenen, zuletzt aber fast nur als VAR eingeteilten Bastian Dankert und Christian Dingert (je einmal) in der Qualifikation zur Champions League eingesetzt. Daniel Schlager, wie Jablonski seit Anfang 2022 auf der FIFA-Liste, und Neuling Robert Schröder (seit Anfang 2023) pfiffen in der Quali zur Europa Conference League. Das Ansehen deutscher Schiedsrichter ist außerhalb der eigenen Landesgrenzen also unbestritten absolut respektabel. Ab diesem Wochenende gilt es, das auch auf nationaler Ebene wieder zu verfestigen.

Carsten Schröter-Lorenz

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