Bundesliga

Robert Lewandowski geht als Legende, aber ohne Emotionen

Kommentar zum Abschied des Polen vom FC Bayern

Lewandowski geht als Legende, aber ohne Emotionen

Seine Zeit in München ist vorbei: Robert Lewandowski.

Seine Zeit in München ist vorbei: Robert Lewandowski. IMAGO/Revierfoto

Ein Kommentar von Frank Linkesch

Mit Robert Lewandowski verlässt fraglos einer der größten Spieler ihrer 59-jährigen Geschichte die Bundesliga. 312 Tore erzielte der Pole, seit er 2010 als nahezu Unbekannter von Lech Posen zu Borussia Dortmund wechselte, ehe er 2014 zum FC Bayern weiterzog. Nur Gerd Müller steht mit 365 Treffern als Torjäger über ihm.

Lewandowskis nackte Erfolge sind beeindruckend: Champions League-Sieger 2020 und Klubweltmeister, zehn Mal Deutscher Meister (zweimal mit Dortmund, achtmal mit den Bayern), dazu die individuellen Errungenschaften mit dem siebenmaligen Gewinn der kicker-Torjägerkanone, der zweimaligen Auszeichnung zum FIFA-Weltfußballer und zu Deutschlands Fußballer des Jahres (jeweils 2020 und 2021) sowie dem Erreichen des Goldenen Schuhs 2021 und 2022.

Moderne Ich-AG

Große Momente dürfen in dieser Aufzählung nicht fehlen. Allen voran das 41. Saisontor 2020/21, womit er Gerd Müllers auf ewig unerreichbar scheinende Bestmarke von 40 aus der Saison 1971/72 auslöschte oder jene irrsinnigen neun Minuten am 22. September 2015, als Lewandowski fünf Treffer gegen den VfL Wolfsburg gelangen. Der letzte spektakulär per Seitfallzieher. Wer live dabei war, wird es nie vergessen.

Zahlen allein schüren jedoch keine Emotionen. Respekt zollten die Bayern-Fans Lewandowski bis zum Ende der vergangenen Saison im Mai immer, jubelten über jeden seiner Treffer. Eine Zuneigung wie Franck Ribery, Bastian Schweinsteiger oder Arjen Robben, dem sie nach seinem Siegtreffer im Champions-League-Finale 2013 sogar einen Song widmeten, erfuhr Lewandowski jedoch nie. Dafür kam der Torjäger zu kühl, zu professionell rüber. Eine moderne Ich-AG. Das ist nicht verwerflich, die Herzen der Fans gewinnt man damit jedoch nicht. Lewandowski geht als sportliche Legende, aber ohne Emotionen. Diese Chance hat er spätestens mit der Art seines Wechselwunsches verpasst. Lewandowski wird das egal sein, mit aller Macht zog es ihn nun zum FC Barcelona, wo doch jahrelang Real Madrid als sein Traumverein galt.

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Wer jetzt für die Tore sorgen soll

Eine Rolle für Lewandowskis Verhalten hat sicher die Basta-Aussage von Oliver Kahn bei der Meisterfeier im Mai gespielt. An diesem Tag habe er mit dem FC Bayern gebrochen, sagen Menschen, die Lewandowski nahestehen. Bayerns Vorstandsboss lehnte sich damals weit aus dem Fenster, auch um die eigene Verhandlungsposition nicht zu schwächen. Gekommen ist es doch anders, weil man Reisende nicht halten soll und kann. 45 Millionen Euro Ablöse, die per Boni auf 50 Millionen steigen kann, sind allerdings ein kräftiger Trost. Bei nur noch einem Jahr Vertragslaufzeit eine gute Summe für den bald 34-Jährigen. Glorreich verlief der Abschied für beide Seiten nicht. Ein zähes, sich über Wochen ziehendes Ende, das nun für alle Seiten, Fans inklusive, nur noch eine Erlösung ist.

Lewandowskis Tore werden dem Rekordmeister fehlen, so viel ist klar. Doch der Abschied bietet eine Chance. Auch Gerd Müller, Franz Beckenbauer gingen einst, Kalle Rummenigge, Lothar Matthäus, Oliver Kahn, Philipp Lahm. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Erfolgreich blieben die Münchner trotzdem, kein Spieler ist größer als der Klub. Mit Sadio Mané haben die Bayern bereits einen Weltstar verpflichtet. Die Last der Toreschießens wird sich auf mehrere Schultern verteilen (müssen). Mané, der mit einem neuen Vertrag ausgestattete Serge Gnabry, Thomas Müller, Jamal Musiala, Kingsley Coman, Leroy Sané. Es mangelt ohne Lewandowski nicht an Offensivpower. Trainer Julian Nagelsmann kann die Mannschaft in seinem zweiten Jahr nun noch mehr nach seinen Wünschen ausrichten und ihr seinen Spielstil überstülpen. Das ist Chance und Risiko zugleich, nach den Enttäuschungen im ersten Halbjahr - trotz Meisterschaft - steht der Trainer in der Pflicht und ist zum Erfolg verdammt. Das hat ihm Kahn auch öffentlich ins Stammbuch geschrieben.

Die Chance für neue Stars

Schließlich zieht sich der Umbruch beim FC Bayern fort. Mit Lewandowski geht der dritte Kapitän als erster von Bord, Manuel Neuer und Thomas Müller haben jeweils bis 2024 verlängert, befinden sich aber im Spätsommer ihrer Karriere. Aufrücken in der Hierarchie dürfte Joshua Kimmich und diesbezüglich Lewandowskis Platz einnehmen.

Die Bundesliga verliert einen Weltstar, nach Erling Haaland (zu Manchester City) den zweiten Top-Torjäger. Attraktiv bleibt sie dennoch. Sie bietet ein frisches Gesicht mit neuen Stars, das Lust auf den Saisonstart macht. Mané und vermutlich Matthijs de Ligt in München, Nico Schlotterbeck und Karim Adeyemi in Dortmund. Christopher Nkunku, den Leipzig gehalten hat. Weitere Namen werden nach vorne ins Rampenlicht drängen.

International bleibt das wirtschaftlich fragwürdige Verhalten des FC Barcelona, der trotz eines immensen Schuldenbergs immer weiter investiert. Gerecht im Sinne eines fairen Wettbewerbs ist das schon lange nicht mehr, Einhalt gebietet niemand. Lewandowski hat sein Ziel mit dem Wechsel erreicht und wird als Ich-AG auch im Barça-Trikot seine Tore schießen. Aus München verabschiedet sich eine sportliche Legende, aber ohne Emotionen.

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