2. Bundesliga

"Kommen nicht wirklich dagegen an": Rostocker Fanszene sorgt fast für Spielabbruch

Raketen aufs Spielfeld gefeuert - Verletzte auch rund ums Paderborner Stadion

"Kommen nicht wirklich dagegen an": Rostocker Fanszene sorgt fast für Spielabbruch

Eine Rakete aus dem Rostocker Block landet knapp neben den Hansa-Spielern Felix Roschke (li.) und Damian Roßbach (#4).

Eine Rakete aus dem Rostocker Block landet knapp neben den Hansa-Spielern Felix Roschke (li.) und Damian Roßbach (#4). IMAGO/Ulrich Hufnagel

Auch unter Interimscoach Uwe Speidel, der erst am Mittwoch für den entlassenen Alois Schwartz übernommen hatte, läuft es bei Hansa Rostock nicht. Das 0:3 in Paderborn, das aufgrund mangelnder Chancenverwertung der Gastgeber noch deutlicher hätte ausfallen können, war bereits das vierte sieglose Spiel in Folge. Aus den letzten zehn Ligapartien holte die Kogge nur zwei Siege und rutschte bis auf den Relegationsrang 16 ab, auf dem sie nun auch überwintert.

Doch noch bedenklicher als der sportliche Auftritt der Rostocker Spieler in Paderborn war - wieder einmal - der des Hansa-Anhangs. Bereits in den vergangenen Wochen war die Fanszene negativ in Erscheinung getreten: Beim Duell mit dem FC St. Pauli (1:2) spielte eine Choreographie der Heimfans auf die fremdenfeindlichen Angriffe in Lichtenhagen von 1992 an. Zwei Wochen später musste das Spiel gegen den FC Schalke 04 (0:2) wegen Ausschreitungen zwischen den beiden Fanlagern lange unterbrochen werden.

Raketen bis über die Mittellinie, Ausschreitungen mit der Polizei

Diesmal flogen nach einem zwölfminütiger Stimmungsboykott gegen die Investorenentscheidung der DFL, an dem sich die meisten Fankurven an diesem Spieltag beteiligen wollen, etliche Raketen aus dem Rostocker Auswärtsblock hinter dem Tor auf das Spielfeld, einige landeten sogar hinter der Mittellinie. Schiedsrichter Wolfgang Haslberger beorderte beide Teams deshalb in die Kabine, bis sich die Lage beruhigt hatte. Nach neun Minuten konnte die Partie schließlich fortgesetzt werden.

Doch damit nicht genug. Nach dem Seitenwechsel wurde im Auswärtsblock eine für sich genommen sehenswerte Choreographie präsentiert, begleitet allerdings von erneuter Pyrotechnik. Als wieder Raketen in den Innenraum flogen, schickte Haslberger in der 56. Minute die Mannschaften erneut vom Feld.

Podcast
Podcast
Union-Dusel, Kölner Abstieg und Europapokalanwärter
14:21 Minuten
alle Folgen

Das Spiel stand laut "Sky" nun kurz vor dem Abbruch, es gab Konsultationen zwischen dem Schiedsrichterteam, der DFL und der örtlichen Polizei. Erst nach 19 Minuten ging es diesmal weiter - und blieb bis zum Ende ruhig, trotz eines aus Rostocker Sicht turbulenten Spielverlaufs mit einer Roten Karte für Keeper Markus Kolke, zweier Gegentreffer sowie etlicher Großchancen für die Paderborner.

Nach Informationen der "dpa" kam es allerdings abseits des Spielgeschehens zu weiteren Ausschreitungen mit der Polizei, bei der sowohl Hansa-Anhänger als auch Polizisten in bisher unbekannter Zahl verletzt wurden. SC-Geschäftsführer Martin Hornberger schätzte zudem den von Rostocker Fans verursachten Sachschaden an Catering-Ständen, Sanitäranlagen und Einlasskontrollen auf rund 100.000 Euro.

Hornberger: "Hatte ich für dieses Wochenende befürchtet"

"Ich bin seit 22 Jahren in verantwortlicher Position im Fußball und habe sowas noch nicht erlebt", äußerte Hornberger als erster nach dem Abpfiff gegenüber "Sky" sein Unverständnis. Allerdings gab er zu, aufgrund der Abneigung der Fanszenen gegen den DFL-Investorenplan mit ähnlichen Szenen an diesem Wochenende in deutschen Stadien gerechnet zu haben. "Dass die so heftig sind, gerade hier in Paderborn, war allerdings sehr überraschend", so Hornberger.

Rostocker Spieler und Verantwortliche taten sich dagegen zunächst schwer, die Ausschreitungen klar zu verurteilen. "Wir distanzieren uns komplett. In erster Linie von der Art und Weise, wie der Protest auf das Spielfeld gebracht wurde", verklausulierte Hansa-Sportdirektor Kristian Walter nach dem Abpfiff seine Kritik, nur um gleich nachzuschieben, das Ergebnis "sportlich ebenso zu analysieren".

Hansa-Schlussmann Kolke, der während der zweiten Unterbrechung sogar zu den Anhängern gelaufen war, um diese zur Räson zu bringen, äußerte sich ebenfalls fragwürdig: "Raketenbeschuss muss wirklich nicht sein, da kann so viel passieren." Allerdings zeigte er sich glücklich, dass "niemand davon getroffen wurde".

Speidel erkennt tieferliegendes Problem

Einzig Interimscoach Speidel übte klare Kritik an den Krawallen der eigenen Fans: "Unabhängig von der sportlichen Situation ist das für uns alle sehr unerfreulich und von unserer Seite nicht zu tolerieren." So gab der 52-Jährige den Unruhestiftern auch eine Mitschuld an der Niederlage: Insbesondere die zweite Unterbrechung habe der Mannschaft extrem geschadet, so Speidel. 

Vor allem betonte der eigentliche Nachwuchsdirektor der Kogge auch die Grundprobleme hinter den Ausschreitungen: "Das sind Dinge, die wir immer wieder thematisieren bei uns. Wir kommen aber nicht wirklich dagegen an." Innerhalb des Vereins werde häufig diskutiert und nach Möglichkeiten gesucht, um solche Krawalle zu unterbinden. "Aber wir sehen leider in Auswärtsstadien, dass es uns nicht wirklich gelingt."

Es scheint, als stünden die Rostocker Verantwortlichen dem Problem in der eigenen Fanszene machtlos gegenüber - und das nicht nur auswärts, wie Speidel meinte, sondern auch bei Heimspielen.

vfa

Das sind die Zweitliga-Trainer der Saison 2023/24