Generell gilt: Vorsicht, was Spieler in den sozialen Medien äußern, auch und gerade nach Trainerwechseln. Oft kommen warme Worte gar nicht von ihnen, sondern von ihren PR-Managern, oft genug steckt dabei taktisches Kalkül dahinter.
Vielsagender ist, wer sich nicht äußert. Im Falle von Nagelsmanns Entlassung zum Beispiel bis Sonntagmittag Kapitän Manuel Neuer und sein Stellvertreter Thomas Müller. Bei Neuer ist das nach all den Querelen um seinen Skiunfall und die von Nagelsmann vorangetriebene Freistellung von Torwarttrainer Toni Tapalovic keine Überraschung. Auch Müller galt nicht als Fan Nagelsmanns, auch wenn dieser gerne öffentlich den guten Austausch mit dem Routinier predigte. Eine Mär ist übrigens, diese Mannschaft sei schwierig, schwer zu führen und habe nun auch diesen Trainer auf dem Gewissen. Sie ist vielmehr anspruchsvoll, weil erfolgsbesessen. Ein feiner Unterschied und einer der Gründe für viele, viele Titel.
Bleibt Joshua Kimmich, der dritte Kapitän. Sein Fall liegt anders. Der 28-Jährige war der engste Vertraute und erster Ansprechpartner Nagelsmanns im Team. Ein gern gesehener Gast im Trainerbüro, auch an Weihnachten hat man sich schon besucht. Das ist erstens legitim, erklärt zweitens Kimmichs Sicht auf die Dinge, der nach dem 2:0 im Länderspiel gegen Peru auf die Frage zum Verhältnis zwischen Nagelsmann und der Mannschaft antwortete: "Die Gründe sind, dass wir zu wenig Spiele gewonnen haben, nicht erfolgreich genug waren. Der Trainer hat die Kabine nicht verloren. Ich habe schon ein paar Trainerwechsel mitgemacht. Dieser war nicht so, dass er sich innerhalb der Kabine angedeutet hat, weil die Spieler unzufrieden waren. Wir waren alle überrascht."
Wichtig zur Einordnung: Kimmich spricht definitiv nicht für die gesamte Mannschaft, höchstens für Teile des Teams. Darauf wurde der kicker schon zu früheren Zeitpunkten in vertraulichen Hintergrundgesprächen hingewiesen, wenn sich Kimmich vor Nagelsmann, dessen Taktik und Mannschaftsführung gestellt hatte. Sowohl Neuer und sein Umfeld als auch Müller waren in den jüngsten Wochen irritiert darüber, dass Kimmich immer wieder als neuer Kapitän ins Gespräch gebracht wurde, sollte Neuer dieses Amt im Zuge seines Skiunfalls und des Interviews mit der „Süddeutschen Zeitung“ danach verlieren.
Sollte das tatsächlich so kommen: Erster Anwärter darauf wäre qua Status und Vereinszugehörigkeit Müller. Stattdessen wurde plötzlich sehr bewusst Kimmich im Boulevard platziert und gespielt.
Spannend, wie der neue Trainer Thomas Tuchel vorgehen wird. Hält er an bestehenden Hierarchien fest? Wer werden seine ersten Ansprechpartner im Team? Erste Antworten gibt es vielleicht schon am Samstag gegen Borussia Dortmund.