Bundesliga

Der Bayern-Einbruch: Tuchel weiß nicht, "wie so etwas passieren kann"

Was hat der Trainerwechsel gebracht? Salihamidzic: Stand jetzt "nichts"

Der Bayern-Einbruch: Tuchel weiß nicht, "wie so etwas passieren kann"

Warum genau verlor der FC Bayern den Faden nach dem 1:0 gegen Leipzig? Thomas Tuchel wusste es nicht genau.

Warum genau verlor der FC Bayern den Faden nach dem 1:0 gegen Leipzig? Thomas Tuchel wusste es nicht genau. IMAGO/RHR-Foto

Wenn man deutscher Meister werden oder überhaupt ein Spiel gewinnen will, dann müsse man anders spielen. "Das ist klar." Mit diesen Worten stellte Thomas Tuchel kurz nach dem 1:3-Nackenschlag gegen RB Leipzig nüchtern im Gespräch mit "Sky" fest, dass sein Team den Ernst der Lage, die Chance auf den elften Titel in Folge, nicht erkennen konnte.

Nicht mal in der Anfangsphase, als der Rekordmeister das Spiel bestimmt und verdient mit 1:0 geführt hatte, gefiel dem Nachfolger von Julian Nagelsmann so richtig. Seine Analyse dahingehend: "Ich habe eine OK-Anfangsphase gesehen. Das hat gereicht, um verdient zu führen - und gereicht, um im Normalfall 2:0 zu führen. Dann haben wir aber aufgehört nach 30 Minuten, zweite Halbzeit waren wir nicht mehr da. Ich habe dafür keine Erklärung. Wenn du soweit unter deinem Level spielst und das Level auch noch konstant sinkt, dann tust du dich schwer, Spiele zu gewinnen."

Und dann tue man sich schwer, die Meisterschaft zu verteidigen. Fakt ist: Mit 68 Punkten nach 33 Partien spielt der FC Bayern punktetechnisch die schwächste Saison seit zwölf Jahren, seit der ersten von zwei BVB-Meisterschaften unter Jürgen Klopp 2010/11. Darüber hinaus hat der Klub in der heimischen Allianz-Arena die erste Niederlage in dieser Saison nach zuvor elf Siegen und fünf Remis sowie die erste Heimniederlage seit Januar 2022 - ein 1:2 gegen Gladbach - kassiert. Zudem stehen in der Rückrunde nach Führungen schon 13 verspielte Punkte auf der Habenseite - Ligahöchstwert. Alles unerklärlich für einen Klub und Seriemeister wie Bayern München.

"Wir haben dieses Spiel komplett durch unser Verhalten verloren"

Bundesliga, 33. Spieltag

Und ebenso unerklärlich für Trainer Tuchel: "Wir kommen aus einer guten Phase, ich sehe die Mannschaft trainieren, ich sehe die Energie und Intensität im Training." Deswegen wisse er wirklich nicht, "wie so etwas passieren kann".

Ein Erklärungsansatz von seiner Seite: "Es kommt auf die Kleinigkeiten an", da brauche man nicht "tausendmal" auf die großen Wörter wie Mentalität zu sprechen zu kommen. "Ich muss mutig sein, wenn es drauf ankommt. Da muss im 4-2-Ausbau jeder in seiner Lücke sein, dann kommst du aus dem Druck raus. Wenn sich aber keiner mehr bewegt, wenn keiner mehr den Ball will, dann schenkst du die Bälle weg, dann bist du unter Druck, dann läufst du hinterher."

Auch an Leipzigs Leistungssteigerung konnte Tuchel die Münchner Niederlage nicht festmachen. Am Ende sei es "ok" gewesen, was RB gespielt hat. Aber "Entschuldigung: "Es hat komplett mit uns zu tun, wir haben dieses Spiel komplett durch unser Verhalten verloren. Das ist unsere Verantwortung - komplett. Das macht es umso schlimmer. Ich bin immer dabei, dass wenn wir verlieren, dann will ich gegen ein besseres Team oder bessere Tagesform verlieren. Aber ich will nicht verlieren in einem Spiel, das uns einfach durch die Hände gleitet, weil niemand mehr in den Details das macht, was uns normal stark macht."

Tuchels New-York- und Bogenhausen-Metapher

Thomas Tuchel

Konnte so einiges nicht verstehen: Thomas Tuchel. IMAGO/Sven Simon

Klare Worte von Tuchel, der allerdings mit seiner Kritik hier erst angefangen hatte. Gerade das 1:1, als sein Bayern-Team nach einer eigenen Ecke ins offene Messer gelaufen und das Gegentor vom baldigen Münchner Konrad Laimer kassiert hatte, stieß dem Trainer sauer auf: "Da muss man sein Verhalten anpassen. Es bringt nichts, wenn ein Spieler den Kopf einzieht (Jamal Musiala; Anm. d. Red.) und der nächste Spieler versucht, die Situation bei 1:0 spielerisch mit einem Lupfer (Kingsley Coman; Anm. d. Red.) zu lösen." Und so eben erst den Konter der Leipziger ermöglicht. "Das ist nicht nötig." Auch ein taktisches Foul wäre für ihn ein lauteres Mittel gewesen. Denn, so seine Metapher bezüglich der erwünschten Verhaltensanpassung: "Wenn du in New York über die Straße gehst, dann gehst du anders als wenn du hier in Bogenhausen (Münchner Stadtbezirk; Anm. d. Red.) über die Straße läufst. Weil wenn du da ohne zu gucken gehst, dann wirst du halt überfahren."

"Anpassung an das, was nötig ist", so Tuchels klarer Wunsch an seine Schützlinge. Dass die Meisterschaftswahrscheinlichkeit durch dieses 1:3 deutlich gesunken ist, ist für ihn "natürlich klar" und nicht wegzudiskutieren. "Was soll ich dazu sagen? Das ist unser Fehler."

Viel deutlicher präsent war ihm aber die Ungewissheit, woher diese Leistung samt Leistungsabfall im zweiten Abschnitt rührt. Denn in dieser Häufigkeit habe er solch unerklärliche Dinge in einer Mannschaft noch nicht erlebt in seiner Karriere. "Das passiert uns ja nicht zum ersten Mal. Und nicht in der Situation, dass du dann sagen musst: 'Ich weiß auch nicht, wieso.' Wir wollten das auf jeden Fall anders haben, ich steh in der Verantwortung dafür. Ich kann ganz schwer mit Niederlagen umgehen, wir werden alles auf den Kopf stellen und versuchen zu verstehen, warum wir so einen krassen Rückschritt haben - und warum wir mit Siebenmeilenstiefel nach 30 Minuten in die komplett andere Richtung gehen. Wir im Trainerteam verlangen ja auch keine verrückten Dinge. Doch unser Spiel wird plötzlich so fehlerhaft, ist schlampig, hat zu wenig Biss, unsere Spielgeschwindigkeit ist nicht hoch." Und das eben auch schon zum wiederholten Male.

"Ich schau mir das hier nochmal an ... wenn ich's schaffe"

Was bleibt, ist die Hoffnung darauf, dass Borussia Dortmund die Matchball-Spiele in Augsburg am Sonntag (17.30 Uhr, LIVE! bei kicker) und gegen Mainz in einer Woche (Samstag, 15.30 Uhr) nicht nutzt und der FC Bayern selbst in Köln gewinnt. Tuchel stellte allerdings klar, dass er das sonntägliche Match seines Ex-Klubs BVB beim FCA nicht vor Augen führen werde. "Das schau ich bestimmt nicht an. Ich hätte es vielleicht angeschaut, wenn wir gewonnen hätten." Stattdessen? "Ich schau mir das hier nochmal an ... wenn ich's schaffe." Seine Wochenend-Laune war schlicht im Keller: "Sie können sich sicher sein, dass die nächsten zwei Tage sehr bescheiden werden."

Thomas Tuchel hat wirklich gute Arbeit geleistet. Er braucht mit der Mannschaft die kommende Vorbereitung, dann wird alles besser laufen.

Hasan Salihamidzic

Zu etwas fortgeschrittenerer Zeit stellte sich auch noch Hasan Salihamidzic den Fragen der Journalisten - und stieß mit seiner Analyse in ähnliche Gefilde wie Tuchel vor. "Ich war vor dem Spiel wirklich optimistisch nach einer sehr, sehr guten Trainingswoche. Wir haben vieles richtig gemacht", so der FCB-Sportvorstand. "Nach dem 1:0 haben wir nach einer halben Stunde aber überhaupt nichts mehr entgegenzusetzen gehabt. Was die Probleme sind, kann ich mir auch nicht erklären."

Was dagegen klar ist: "Wir haben jetzt auch den letzten Titel nicht mehr in der eigenen Hand." Und wenn man sich nun hinstelle und auf das Verspielen von gleich drei Titelchancen blicke, dann könne man sagen, dass der Trainerwechsel weg von Julian Nagelsmann hin zu Thomas Tuchel aus sportlicher Sicht genau Folgendes gebracht hätte: "Nichts." Aber, so schob Salihamidzic prompt hinterher: "Thomas Tuchel hat wirklich gute Arbeit geleistet. Ich sehe ihn, wie er mit der Mannschaft umgeht. Er braucht mit der Mannschaft die kommende Vorbereitung, dann wird alles besser laufen. Thomas hat auch eine sehr gute Ansprache, doch jetzt haben wir erst einmal nichts in der Hand."

Zum Thema: Diese Bayern-Mannschaft ist am Ende - ein Kommentar nach dem 1:3 gegen Leipzig

mag

Bilder zur Partie Bayern München gegen RB Leipzig