Bundesliga

Kohfeldt-Aus: Diese Wende wirft Fragen auf

Eine kommentierende Analyse zum Trainerwechsel in Wolfsburg

Das Kohfeldt-Aus: Diese Wende wirft Fragen auf

Florian Kohfeldt ist nicht mehr Trainer des VfL Wolfsburg - eine durchaus fragwürdige Entscheidung.

Florian Kohfeldt ist nicht mehr Trainer des VfL Wolfsburg - eine durchaus fragwürdige Entscheidung. IMAGO/regios24

Jörg Schmadtke ist niemand, der Dinge aus dem Bauch heraus entscheidet. Er lässt sich nicht von Emotionen leiten, handelt möglichst im Sinne seines Vereins, der seit Sommer 2018 VfL Wolfsburg heißt. Die Niedersachsen führte der erfahrene Manager aus der Relegation dreimal hintereinander in den Europapokal - ein typischer Schmadtke, der das internationale Geschäft in seiner 20-jährigen Managerkarriere auch schon nach Aachen, Hannover und Köln gebracht hat. Seine öffentlichen Worte wählt der 58-Jährige bei aller Impulsivität immer mit Bedacht. Umso überraschender ist es, wie der Geschäftsführer im Fall Florian Kohfeldt binnen kurzer Zeit die Meinung änderte.

"Nein", sagte Schmadtke am Samstag in einem Interview mit der "Wolfsburger Allgemeinen Zeitung" auf die Frage, ob sein Trainer angesichts der durchwachsenen Bilanz mit einem schweren Rucksack in die neue Spielzeit gehen würde. "Er geht nicht mit einem Rucksack in die Saison - sondern mit einer Erfahrung, die ihm und uns helfen wird." Nichts deutete darauf hin, dass er diesen Trainer, den er am Samstag nach dem versöhnlichen 2:2 gegen Meister Bayern noch von den Plänen für die kommende Spielzeit erzählen ließ, nur einen Tag später von seinen Aufgaben entbinden würde. Schmadtke kritisierte die Mannschaft ("Es gab in unserer Gruppe eine Vielzahl von Egoismen") und auch sich selbst ("Nicht jeder Transfer hat funktioniert"), Kohfeldt aber nahm er demonstrativ in Schutz: "Wenn ich Trainer einer Mannschaft bin, die die Grundvoraussetzung für ein Bundesliga-Spiel nicht hat, kann ich bestimmte Dinge einfach nicht einfordern."

Wir sind zu der Erkenntnis gekommen, dass wir von Beginn an einer Drucksituation ausgesetzt wären, die eine zu große Bürde bedeuten würde.

Jörg Schmadtke

Am Sonntag nun drehte sich die Meinung in die komplett andere Richtung. Der Rucksack, den sich Kohfeldt seit Ende Oktober aufgeladen hatte mit zu wenigen überzeugenden Spielen und zu desolaten Auftritten seiner Mannschaft wie in Augsburg (0:3) und Dortmund (1:6), wog nun plötzlich doch zu schwer. "Wir sind zu der Erkenntnis gekommen, dass wir von Beginn an", erklärt Schmadtke mit Blick auf die neue Saison, "einer Drucksituation ausgesetzt wären, die eine zu große Bürde für Mannschaft, Trainer und Klub bedeuten würde."

Was hat der Wolfsburger Aufsichtsrat mit der Entlassung zu tun?

Eine Wende, die völlig untypisch ist für diesen eigentlich nicht wankelmütigen Manager. Ein U-Turn beim VW-Klub, der Fragen aufwirft. Hat der Wolfsburger Aufsichtsrat, der Zweifel an einem "Weiter so" mit Kohfeldt gehabt haben soll, eine entscheidende Rolle gespielt? Musste Schmadtke, der nur noch bis Ende Januar 2023 im Amt ist, diesem Druck von oben nachgeben? Hat er Kohfeldt tatsächlich gegen die eigene Überzeugung, die er in den vergangenen Wochen mehrfach betont hatte, entlassen?

Unstrittig ist: Jörg Schmadtke hat in den vergangenen Jahren den Erfolg nach Wolfsburg zurückgebracht, er hat die Entwicklung dieses Klubs, der vor ihm beinahe in der 2. Liga gelandet war, bemerkenswert vorangetrieben. Zur Ruhe kam der VfL unter seiner Führung aber zu keinem Zeitpunkt. Nun mag es den Niedersachsen, die in der öffentlichen Wahrnehmung eher am Rand unterwegs sind, nicht unbedingt stören, wenn über sie geschrieben und gesprochen wird - zumal der Erfolg alles überstrahlte. Und dennoch mutete es schon kurios an, dass trotz des Höhenflugs unter Schmadtke ständig was war. Zoff mit Trainer Bruno Labbadia, der von sich aus ging. Zoff mit Nachfolger Oliver Glasner, der von sich aus ging. Und auch das persönliche Verhältnis zu Nachfolger Mark van Bommel, im Sommer mit großer Überzeugung verpflichtet, soll ganz schnell in die Brüche gegangen sein. Mit Florian Kohfeldt nun harmonierte Schmadtke, der Austausch funktionierte - bis zu diesem eigenartigen Wochenende.

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