Bundesliga

Streich im Interview: "Wenn es regnet, bin ich glücklich"

Trainer des Jahres 2022

Streich im großen Interview: "Wenn es regnet, bin ich glücklich"

Christian Streich im Regen.

Christian Streich im Regen. imago/siwe

In seinen zehneinhalb Jahren als Cheftrainer des SC Freiburg hat Christian Streich viel Lob und Zuneigung für seine Arbeit und Art des Auftretens erfahren. Nur zum Trainer des Jahres war der zweimal Zweitplatzierte bisher noch nicht gewählt worden - obwohl er in Addition nach Jürgen Klopp die zweitmeisten Stimmen seit seinem Amtsantritt Ende 2011 erhalten hat.

Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie von Ihrer Wahl erfuhren, Herr Streich?

Das Erste war: Ich kriege jetzt eine Auszeichnung - und alle, die mit mir zusammenarbeiten, werden nicht genannt. Dabei weiß ich um meine vielen Defizite, als Mitarbeiter und Kollege. Dass nur ich genannt werde, ist sicher nicht gerecht. Den Preis nehme ich deshalb stellvertretend für alle im Verein entgegen. Dass wir einigermaßen Erfolg haben in Freiburg, geht nur mit den vielen Leuten, die mich unterstützen und mich nehmen, wie ich bin. Auch dann, wenn ich nicht gut bin.

Dachten Sie auch an den Champions- League-Pokal?

(stutzt) Nein, wieso das denn?

Ihre Vorgänger Jürgen Klopp, Hansi Flick und Thomas Tuchel wurden allesamt Trainer des Jahres, nachdem - und wohl auch: weil - sie die Champions League gewonnen hatten.

Jetzt, wo Sie es sagen. Aber daran habe ich tatsächlich nicht gedacht. Sie haben die Champions League gewonnen - und alle Spieler und Trainer im jeweiligen Verein ebenso. Wenn ich das so sagen darf: Auch sie hatten offensichtlich so viele gute Leute um sich herum, dass der Erfolg möglich war.

(220731) -- LEICESTER, July 31, 2022 -- Liverpool s manager Jurgen Klopp gestures during the English Community Shield match between Liverpool and Manchester City in Leicester, Britain, on July 30, 2022. FOR EDITORIAL USE ONLY. NOT FOR SALE FOR MARKETING OR ADVERTISING CAMPAIGNS. NO USE WITH UNAUTHORIZED AUDIO, VIDEO, DATA, FIXTURE LISTS, CLUB LEAGUE LOGOS OR LIVE SERVICES. ONLINE IN-MATCH USE LIMITED TO 45 IMAGES, NO VIDEO EMULATION. NO USE IN BETTING, GAMES OR SINGLE CLUB LEAGUE PLAYER PUBLICATIONS. (SP)BRITAIN-LEICESTER-FOOTBALL-ENGLISH COMMUNITY SHIELD-LIVERPOOL VS MAN CITY LixYing PUBLICATIONxNOTxINxCHN

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Wie fühlt es sich an, diesen drei großen Namen nachzufolgen?

Ich habe da keinen Anspruch auf Augenhöhe. Diese Trainer trainieren Mannschaften, die zu den besten der Welt gehören, mit ganz anderen Rahmenbedingungen. Ich habe in meinem ganzen Leben "nur" beim SC Freiburg trainiert. Ich kann in vielen Bereichen nicht mitreden, weil ich vieles einfach nicht erlebt habe.

Öffentlich wird Trainerleistung gerne an Titeln gemessen. Trotzdem wurde nun nicht Oliver Glasner gewählt, dem mit Frankfurt der historische Europa- League-Triumph gelang, sondern Sie. Eine besondere Wertschätzung der substanziellen Arbeit in Freiburg?

Ja, vielleicht. Und das ist ein Grund mehr zu sagen: Die Auszeichnung hat der ganze Verein verdient. Auf die substanzielle Arbeit habe ich schließlich nur teilweise Einfluss.

Tuchel sagte 2021, man müsse den Preis "vielleicht jedes Jahr nach Freiburg oder Heidenheim fahren". Werden die SC-Resultate auch von außen mit den Finanzmitteln in Relation gesetzt?

Ja, den Eindruck habe ich. Wir werden sehr, sehr fair beurteilt. Das geht nicht allen Vereinen so. Aber mit dem SC Freiburg verbinden viele über Jahre eine Klarheit, vielleicht auch eine Form von Glaubwürdigkeit. Und Kontinuität. Bei uns arbeiten viele Leute über so viele Jahre wie Klemens Hartenbach, Jochen Saier, Lars Voßler, Patrick Baier, Florian Bruns und, und, und. Das sorgt für einen Wiedererkennungswert bei den Zuschauern in einer Zeit, in der Hire und Fire oft an der Tagesordnung ist. Die Fans merken, dass dieser Verein für Erkennbarkeit und Nachvollziehbarkeit steht.

Mein Trainer des Jahres? Vielleicht Oliver Glasner. Oder Pellegrino Matarazzo.

Christian Streich

Zugleich besteht, anders als etwa bei Pokalgegner Kaiserslautern, der Vorteil einer nicht aus der Historie heraus überbordenden Erwartungshaltung.

Stimmt. Wenn ein Verein goldene Zeiten hatte, wie Kaiserslautern oder auch Schalke, dann empfinden viele Schadenfreude, wenn es dort schlecht läuft. So sind wir Menschen leider auch. Wir waren bis jetzt noch nicht so im Fokus. Jetzt wird es etwas mehr - mal schauen, was passiert.

Trainer des Jahres 2022

War die Saison, für die Sie die Auszeichnung erhalten, auch Ihrer Meinung nach Ihr bestes Jahr als Trainer?

Nein. Es war eines der leichteren Jahre.

Warum?

Wir hatten einen guten Start, konnten uns auf zwei Wettbewerbe konzentrieren, es gab nicht zu viele Verletzungen. So konnte sich ein gewisses Selbstverständnis entwickeln.

Und welches Jahr war das beste?

Das müssen eigentlich andere beurteilen. Aber ziemlich gut war die Saison 2013/14, wobei ich so etwas nicht mehr erleben möchte. Nachdem wir Fünfter wurden, gingen fünf Schlüsselspieler, dazu kam der Europapokal. Wir sind in der Liga geblieben mit einer Mannschaft, mit der es extrem schwierig war. Das war ein Höllenjahr, viel schwieriger als das vorige - aber wir haben es geschafft.

Trainerleistung definieren Sie also als das, was man aus den jeweiligen Möglichkeiten und Umständen herausholt?

Genau so sehe ich es.

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Wer wäre Ihr Trainer des Jahres?

Da fallen mir mehrere ein. Vielleicht Oliver Glasner. Der Titelgewinn ist Frankfurt sicher nicht in den Schoß gefallen. Gerade den Spagat zwischen Liga und Europapokal zu meistern, ist emotional extrem schwierig. Das war eine große Leistung von Trainerteam und Mannschaft. Oder Pellegrino Matarazzo. Der VfB hatte gleich am Anfang zwei lange verletzte Schlüsselspieler mit Silas und Kalajdzic. Dann wird’s schwer. Vielleicht gewinnt Pellegrino in einigen Jahren den Europapokal und sagt rückblickend: Die größte Leistung von mir und meinem Team war der damalige Klassenerhalt in Stuttgart.

Würde ich den Verein wechseln, würde ich meine Chance auf einen Titelgewinn signifikant verringern.

Christian Streich

Wäre für Sie ein Titel, der im Pokalfinale gegen Leipzig möglich war, die nächste Stufe auf der Karriereleiter?

So denke ich nicht. Ich habe keinen Karriereplan - ich bin halt Trainer geworden. Klar: Wenn du ein Endspiel gewinnst, macht das etwas mit dir. In der Jugend hat es mir sehr, sehr gutgetan, als wir enge Endspiele gewonnen haben. Das gibt dir eine Form von Vertrauen, das gebe ich zu. Deshalb ist es schade, dass wir gegen Leipzig das Elfmeterschießen verloren haben.

Wären Sie trotz allem irgendwann vielleicht doch mal bereit, den Verein zu wechseln, um die Chance auf einen Titelgewinn signifikant zu erhöhen?

Würde ich den Verein wechseln, würde ich meine Chance auf einen Titelgewinn signifikant verringern. Die Leute hier würden ja nicht alle mitgehen. Wissen Sie: Vielleicht wäre ich gar nicht mehr in der Lage, irgendwo anders erfolgreich zu arbeiten. Ich bin so lange hier und habe ein gewisses Alter. Die Wahrscheinlichkeit, dass es bei einem anderen Verein nicht funktionieren würde, wäre nicht gering. Das ist mein Gefühl, wenn ich ganz ehrlich sein soll.

Wie erklären Sie sich das?

Ich bin jetzt 27 Jahre in diesem Verein. Ich habe vieles erlebt - aber ich habe vieles auch nicht erlebt. Ich kann bei ganz vielen Dingen in Bezug auf meinen Beruf nicht mitreden. Viele Trainer haben diese Dinge erlebt. Ich bewundere Trainer, die drei-, viermal den Job verloren und trotzdem noch eine positive Ausstrahlung haben. Ich bezweifle, dass das bei mir auch so wäre.

Mannschaft und Trainerteam sind ein soziales Gebilde.

Christian Streich

Was reizt Sie als Teamplayer eigentlich überhaupt daran, Cheftrainer zu sein?

Ich tausche mich mit meinen Mit-Trainern sehr, sehr viel aus und lasse immer mal wieder die Kollegen sprechen. Ich kann auch mal mutig sein, in Konflikte gehen, mit Spielern und anderen. Ich kann Kritik an mir zulassen, besonders im Einzelgespräch oder in der kleinen Gruppe, auch wenn ich sie nicht gerne höre. Ich kann generell vieles anhören und reflektieren. Und dann ist es mir recht, wenn ich am Ende Entscheidungen treffe und diese dann auch oft gegenüber den Spielern kommuniziere. Mannschaft und Trainerteam sind ein soziales Gebilde. Und wenn das funktioniert, hat es etwas mit mir zu tun - das gibt mir ein gutes Gefühl. Wahrscheinlich ist das für mich ein ganz großer Reiz. Auch wenn weiß Gott nicht alles angenehm ist.

Woran denken Sie?

An die Gespräche mit Spielern, die auf der Tribüne sitzen. Die sind sehr schwierig - aber es gehört sich, sich dem zu stellen. In jeglicher Form, mit aller möglichen Ehrlichkeit. Egal, ob ich Spielern eine Entscheidung detailliert erklären kann. Oder ob ich manchmal auch sagen muss: Ich habe kein Argument, aber es ist jetzt einfach so, nimm es hin und mache es mir mit deiner Leistung so schwer wie möglich. Das finde ich wichtig. Auch wenn es mich bedrückt und mir schlaflose Stunden bereitet. Aber ich bin froh, wenn ich das gemacht habe. Und dazu kommt vielleicht noch ein Motiv.

Welches?

Anerkennung. Als Bub habe ich im Hof gekickt und mich wahnsinnig gefreut, wenn die Leute gesagt haben: Dem Walter sein Kleiner, der kann aber gut kicken. Das gab mir ein unheimliches Selbstvertrauen. Deshalb habe ich vielleicht generell so gern gekickt. Weil ich wusste, dass Fußball in Deutschland eine immense Bedeutung hat. Was die WM 1954 ausgelöst hatte in Nachkriegsdeutschland nach dem Desaster des Nationalsozialismus, das war mir intuitiv bewusst über die Erzählungen in meinem Umfeld. Offensichtlich wollte ich auch kicken, um Anerkennung zu bekommen.

Vor Spielbeginn: Interview Trainer Coach Christian Streich SC Freiburg SCF TSG 1899 Hoffenheim vs SC Freiburg SCF 02.01.2021 DFL REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS AS IMAGE SEQUENCES AND OR QUASI-VIDEO TSG 1899 Hoffenheim vs SC Freiburg SCF *** Before kick-off Interview Coach Christian Streich SC Freiburg SCF TSG 1899 Hoffenheim vs SC Freiburg SCF 02 01 2021 DFL REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS AS IMAGE SEQUENCES AND OR QUASI VIDEO TSG 1899 Hoffenheim vs SC Freiburg SCF

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Um heutzutage die Anerkennung der Spieler zu erhalten, kommt es auch auf die richtige Mischung aus Nähe und Distanz an. Wie finden Sie die?

Wir gehen miteinander gemeinsame Wege. Das ist nicht einseitig, Befruchtung kommt von beiden Seiten. Die Spieler wollen gerne Offenheit und Klarheit, aber ich will sie auch nicht permanent stören. Auf einem Mannschaftsabend wäre ich nie. Das muss man spüren, es kann ruckzuck übergriffig werden. Die Nähe entsteht durch Offenheit. Ein neuer Spieler merkt das schon nach ein paar Wochen und fragt sich dann, ob das wirklich so offen sein kann, was dahintersteht und ob da was gespielt wird. Aber ich spiele nichts, mir ist die Sache viel zu ernst.

Spüren Sie, ob das bei den Spielern auch so ankommt?

Ich sage ihnen manchmal, dass ich keine psychologischen Spielchen treibe, weil manchmal könnten sie auf die Idee kommen. Wenn ich meine Gedankengänge formuliere und sie nicht besser ausdrücken kann, meinen sie vielleicht, der hat gerade ein Psychologiebuch gelesen. Aber ich mache keine Spielchen, das wäre eine schreckliche Vorstellung. Ich probiere meine Gedanken so auszudrücken, dass es der andere nachvollziehen kann. Aber nicht, damit er dann meiner Meinung ist. Es kann natürlich sein, dass er es völlig anders sieht. Aber so kommen wir ins Gespräch. Ich kann nicht ins Gespräch gehen und sagen, am Ende muss das und das rauskommen. Das ist so ähnlich, wie wenn ich höre: Herr Streich, Sie haben sich gut verkauft.

Was meinen Sie damit?

Da gehen bei mir sofort die Alarmglocken an. Ich verkaufe nur meine Arbeitskraft per Vertrag an meinen Arbeitgeber, aber das war’s mit verkaufen. Ein Verkäufer verkauft sein Produkt, das ist in Ordnung. Aber ich verkaufe mich nicht. Auch nicht in der Öffentlichkeit oder in diesem Gespräch. Man kann sagen, hier bin ich auf einer Bühne und daheim ist es anders. Aber ich rede zu Hause genauso übers Verkaufen wie mit Ihnen.

Man kauft Ihnen ab, dass Sie nichts spielen.

(grinst) Danke schön.

Wenn über dich gelacht wird, kann es ruhig tief reingehen.

Christian Streich

Ihr langjähriger Kapitän und jetziger Verbindungstrainer, Julian Schuster, sagte mal, Ihre Persönlichkeit verleite zur Imitation. Können Sie darüber lachen, wenn Sie auf die Schippe genommen werden, auch von Spielern?

Ich kann mich totlachen, besonders über Situationskomik. Kübi (Lukas Kübler, d. Red.), der Nils (Petersen, d. Red.) und andere sind echt schlagfertig. Es geht immer darum, ob du verlacht wirst oder ob über dich gelacht wird. Wenn über dich gelacht wird, kann es ruhig tief reingehen, gar kein Problem. Ich mache ja auch Sprüche über die Jungs. Krone (der frühere SC- und aktuelle DFB-Torwarttrainer Andreas Kronenberg, d. Red.) hat mich manchmal im Trainerbüro nachgemacht, das war wahnsinnig lustig. Ich hab gedacht, das kann doch nicht sein, so bin ich doch nicht. Bei den Spielern wäre ich auch gerne mal dabei, weil es sicher auch sehr treffend wäre. Aber ich kriege es ja kaum mit, die sind vorsichtig - und wissen schon, warum (lacht laut). Wenn einer mal einen anderen beschimpft, ist das auch nicht schlimm. Aber was ich nicht leiden kann, ist abschätziges, geringschätzendes Verhalten anderen gegenüber.

Emotionen: Nach dem verlorenen Pokalfinale gegen Leipzig wird Christian Streich von den Freiburger Fans gefeiert.

Emotionen: Nach dem verlorenen Pokalfinale gegen Leipzig wird Christian Streich von den Freiburger Fans gefeiert. picture alliance / contrastphoto

Sie haben Ihre Defizite angesprochen. Welche wären Sie am liebsten los?

Ganz viele Sachen kann ich nicht so gut. Grundsätzlich organisatorische Dinge. Ich hätte gerne viel mehr von meinem Erlebten behalten respektive aufgezeichnet. Aber ich habe fast alles in den Papierkorb geschmissen, da war ich zu radikal. Alles weg, weil es ist ja immer wieder alles neu. Ansonsten bin ich auch nicht immer nett und sehe die Dinge nach Niederlagen manchmal zu düster und brauche einen Tag, um ins Lot zu kommen. Hilfreich für mein Umfeld wäre es zudem, wenn ich weniger Angst vor Misserfolg hätte. Ich bin kein uneingeschränkter Positivist, aber auch nicht die ganze Zeit negativ. Wenn ein junger Spieler Fehler macht, aber ein gutes Herz hat und cool ist, bin ich total optimistisch. Mit mir selbst bin ich aber oft nicht zufrieden, das sorgt auch für Unruhe und Zweifel in mir. Ich bin mir oft nicht sicher, ob Dinge gut sind.

Würden Sie das gerne weniger auf die Umwelt abstrahlen?

Ich weiß es nicht. Wir schlafen dadurch jedenfalls nicht ein und kommen auch nicht in Versuchung, uns die ganze Zeit auf die Schulter zu klopfen. Aber natürlich ginge es im Idealfall gelassener. Kloppo ist da zum Beispiel anders, glaube ich. Der sieht den Himmel blauer.

Der Himmel über dem SC ist gerade ziemlich blau. Neues Stadion, Europapokal, Sie wirken energiegeladen und ausgeglichen. Da scheint der von Ihnen oft beschriebene Tag X, wenn nach Ihrem Wunsch beide Seiten die Zusammenarbeit mit gutem Gefühl beenden, sehr weit entfernt. Oder werden Sie gerade dann aufhören, wenn keiner damit rechnet?

Ich habe keine Ahnung, wann ich aufhöre. Ich bin ein emotionaler Mensch. Was meinen Sie, was ich gerade denke: Hoffentlich kommen wir gut in die Saison, schaffen es mit den drei Wettbewerben, kicken so anständig, dass die Leute einigermaßen Freude haben und wir nicht in düstere Gefilde rutschen. Wenn es einigermaßen läuft, freue ich mich und denke: vielleicht doch noch mal ein Jährle. Aber wenn es finster wird … Die letzten drei Jahre war es überwiegend nicht so, dann ist es leichter. Aber ich habe die Jahre im Abstiegskampf nicht vergessen. Das gehört dazu, oft kämpfen bis zu einem gewissen Zeitpunkt acht Mannschaften da unten. Das ist aber die Hölle für Nerven und Körper.

Ist Ihre Grundskepsis Selbstschutz, um die Enttäuschung klein zu halten, wenn es mal wieder schlechter läuft?

Ja, das ist meine Form von Selbstschutz. Das ist ein Wesenszug von mir. Aber ich bin mit anderen Typen zusammen, vielen jungen Menschen. Dann kann ich ganz optimistisch sein und mich an Kleinigkeiten erfreuen, die andere nicht verstehen. Wenn es regnet, freue ich mich - weil es zu wenig regnet. Nicht erst jetzt wegen der Hitzewelle, sondern seit vielen Jahren. Wenn es regnet und die Bäume sehen gut aus, bin ich glücklich. Wenn ich mit dem Fahrrad durch den Regen fahre - herrlich. Jeder ist, wie er ist.

Dann müssen Sie in die Premier League, ins Land des Regens.

Die hatten doch auch gerade 40 Grad.

Dann eben in die Champions League. Die Teilnahme haben Sie 2013 und 2022 ganz knapp verpasst. Ist es ein Ziel, sich doch irgendwann mal mit den Besten messen zu dürfen?

Ich stecke mir keine Ziele, weil es mich nicht anspornt, sondern lähmt und belastet. Manche Spieler von uns nehmen sich das als Ziel, und das ist gut so, weil es sie positiv antreibt. Ich möchte, dass es sich am Wochenende über weite Strecken lohnt, uns beim Kicken zuzuschauen. Wenn das so ist, sind wir auf einem guten Weg, und wenn wir es öfter schaffen, ist ein guter Tabellenplatz möglich. Und am Ende kommen vielleicht Dinge heraus, die man gar nicht erwarten kann.

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