Bundesliga

So versuchen Kwon und Co. den langen Militärdienst zu umgehen

Erfolge oder Verletzungen als Mittel gegen die südkoreanische Wehrpflicht

So versuchen Kwon und Co. den langen Militärdienst zu umgehen

Zwei von ihnen hatten schon mit einer schweren Verletzung zu kämpfen: Seung-Ho Paik, Woo-Yeong Jeong, Chang-Hoon Kwon und Kyoung-Rok Choi (v. li.).

Zwei von ihnen hatten schon mit einer schweren Verletzung zu kämpfen: Seung-Ho Paik, Woo-Yeong Jeong, Chang-Hoon Kwon und Kyoung-Rok Choi (v. li.). imago images

Offiziell befindet sich Südkorea seit Jahrzehnten im Krieg mit dem Nachbarn im Norden. Daher gilt unverändert eine Wehrpflicht, auch wenn sie ganz allmählich Stück für Stück verkürzt und gelockert wird. Für südkoreanische Profisportler gibt es per se keine Ausnahme, doch einige Schlupflöcher, die die Unterbrechung der Karriere verhindern. Bis spätestens 26 Jahre nach Ablauf des Geburtsjahres müssen gesunde Männer nämlich antreten - eigentlich.

Aktuelles Beispiel in der Bundesliga: Chang-Hoon Kwon. Der 26 Jahre alte Freiburger muss sich bis Ende dieses Jahres beim Militär melden, arbeitet nach kicker-Recherchen aber zusammen mit den SC-Verantwortlichen an einer Möglichkeit, seinen im Mai 2018 bei Ex-Klub Dijon erlittenen Achillessehnenriss als Grund für eine Ausmusterung oder einen Aufschub der Dienstpflicht bis nach der Karriere geltend zu machen. Denn, so die nachvollziehbare Argumentation: Durch die Verletzung verpasste Kwon die Asienspiele jenem Sommer, bei denen Südkorea triumphierte.

Jeong und Paik hoffen auf Olympia

Die Folge: Alle Mitglieder des damaligen Kaders wurden von dem langen, 20 Monate währenden Dienst befreit. So auch Tottenham-Star Heung-Min Son (28), der seinen dann nur noch notwendigen etwa vier Wochen dauernden Kurzdienst in diesem Sommer absolvierte. Auch der Leipziger Hee-Chan Hwang (24) gehörte damals zum Aufgebot und ist weitgehend befreit.

Turnieren wie den Asienspielen messen manche Vereine einen nicht so hohen Wert bei, verweigern dank fehlender Abstellungspflicht die Freigabe, berauben sich damit allerdings einer guten Option, ihre Spieler von der Wehrpflicht zu befreien: siehe Bayer Leverkusen und Heung-Min Son 2014. Damit drückt man die Ablöse, die bei einem Verkauf zu erzielen wäre - denn vom langen Militärdienst freigestellte Südkoreaner sind auf dem Transfermarkt freilich deutlich wertvoller.

Kwons Teamkollege in Freiburg, Woo-Yeong Jeong, hat mit seinen 21 Jahren noch etwas Zeit. Da er zurzeit mit der U-23-Nationalmannschaft unterwegs ist, dürfte eine Olympia-Teilnahme in Tokio 2021 realistisch sein. Dort würde "schon" eine Bronzemedaille für eine Freistellung reichen. Der Mainzer Angreifer Dong-Won Ji (29) muss sich beispielsweise seit seiner Bronzemedaille in London 2012 keine Sorgen mehr um seine Militärpflicht machen. Das Tückische: Nur Olympia-Medaillen oder der Triumph bei den Asienspielen werden anerkannt, Erfolge bei FIFA-Turnieren (WM oder Asienmeisterschaft) zählen hingegen generell nicht.

Profikarriere und Militär: Es geht auch beides gleichzeitig

Auch in der 2. Liga macht man sich Gedanken darüber, wie die Militärpflicht am besten mit der Profikarriere in Einklang zu bringen ist. Karlsruhes Kyoung-Rok Choi (25) dürfte wegen seines Kreuzbandrisses im vergangenen Dezember befreit werden. Seung-Ho Paik (23) vom SV Darmstadt 98 hofft wie Jeong auf die Olympia-Medaille mit der U-23-Nationalmannschaft in Tokio. Am Samstag wurde er beim 1:3-Test gegen die brasilianische Auswahl eingewechselt. Alternativ besitzt er die Möglichkeit, den Dienst mit einer Sonderregel auf die Zeit nach der Karriere zu verschieben, weil er durch seinen langen Aufenthalt in Spanien (2011 bis 2019) eine Niederlassungserlaubnis in einem anderen Land geltend machen kann, die für den Aufschub sorgt.

Bei Holstein Kiel gibt es zwei unterschiedliche Beispiele: Jae-Sung Lee (28) gewann bei den Asienspielen 2014 Gold, sein ehemaliger Vereinskollege Young-Jae Seo (25) verließ hingegen im Sommer die Förde. Er wechselte etwas überraschend zu den Daejeon Hana Citizen in die zweite südkoreanische Liga. Nach kicker-Informationen strebt er eine Leihe zum Militärklub Sangju Sangmu an, wo er seinen Wehrdienst parallel zur Profikarriere erfüllen kann. Dafür allerdings muss Seo zunächst sechs Monate lang in einer der beiden höchsten nationalen Ligen gespielt haben. Diese Möglichkeit nutzte auch ein ehemaliger Bundesligaspieler: Seung-Woo Ryu (26), früher in Leverkusen, Braunschweig und Bielefeld unter Vertrag, hat seine 20 Monate in Sangju gerade hinter sich gebracht.

Von Bum-Kun Cha bis Ja-Cheol Koo: Lesen Sie im aktuellen kicker (Montagsausgabe, auch digital abrufbar als eMagazine) einen Report über den Fall Kwon sowie eine Übersicht, wie alle bisherigen 18 Südkoreaner der Bundesliga-Geschichte mit ihrer Wehrpflicht umgingen.

Paul Bartmuß/Carsten Schröter-Lorenz