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Ein Fake-Angebot von ManCity und eine blauäugige Strategie

Neue Details in der Potocnik-Affäre

Ein Fake-Angebot von ManCity und eine blauäugige Strategie

Der Transfer von Jaka Cuber Potocnik hat weitreichende Folgen.

Der Transfer von Jaka Cuber Potocnik hat weitreichende Folgen. IMAGO/Herbert Bucco

Der Schaden in der Sache ist längst angerichtet und nicht mehr zu beheben. Er hat die Chancen der gebeutelten Rheinländer auf den Klassenerhalt nicht gerade verbessert: Denn die von der FIFA im Frühjahr 2023 ausgesprochene Transfersperre über zwei Perioden haben die Lausanner Sportrichter im Dezember bekanntlich bestätigt. Auslöser für die juristischen Auseinandersetzungen war die Unter-Vertragnahme des damals 16-jährigen Jaka Cuber Potocnik am 31. Januar 2022, nachdem dieser seinen Vertrag bei Olimpija Ljubljana tags zuvor außerordentlich gekündigt hatte.

Dass diese enge Zeitleiste auch in der Berufung vor dem CAS zum Problem werden würde, war von Beginn an klar und letztlich war sie ein Mosaiksteinchen im Urteil des Sportgerichtshofs, der auch die Vier-Monats-Sperre gegen Potocnik für angemessen erachtete und bestätigte. Insgesamt lässt sich das Vorgehen der Kölner im gesamten Potocnik-Transfer irgendwo zwischen bestenfalls blauäugig und schlimmstenfalls dilettantisch ansiedeln.

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In den Schriftsätzen etwa hinterlegte der abstiegsbedrohte Bundesligist, er habe die Situation des Spielers nach dessen Kündigung juristisch analysieren lassen und erst ein Angebot abgegeben, als die Anwälte Grünes Licht gegeben hätten. Dass diese Prüfung binnen weniger als 24 Stunden und damit in einem extrem kurzen Zeitraum erfolgt sei, könne man ihnen nicht vorwerfen, führen die Rheinländer aus.

Die CAS-Richter halten den Kölnern entgegen: "Köln war nicht in der Lage, Beweise (wie E-Mails mit einem eindeutigen Stempel oder Berichte) für seine so genannte, umfassende Untersuchung vorzulegen." Vielmehr gehen sie beispielsweise basierend unter anderem auf der Zeugenaussage von Ex-FC-Funktionär Jörg Jakobs davon aus, der Klub habe sich auf Anschuldigungen des Spielers und Aussagen dessen Anwalts verlassen.

Die zeitlichen Abfolgen

Der Kern des Verfahrens beschäftigt sich mit der Frage: Trägt der FC eine Mitverantwortung für Potocniks einseitige Kündigung? Ein solcher Schritt könne stets nur "ultima ratio" sein, heißt es in den Statuten. Sowohl die FIFA als auch der CAS sahen aber keine rechtfertigenden Gründe dafür, im Gegenteil. Der CAS glaubt: "Durch sein starkes Interesse gab Köln dem Spieler ein 'Sicherheitsnetz', ohne das sich der Spieler mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht getraut hätte, seinen Trainingsklub zu verlassen." FC-Geschäftsführer Christian Keller hatte nach dem FIFA-Spruch im Frühjahr 2023 von umgekehrter Beweislast gesprochen.

Allerdings unterfüttern die zeitlichen Abfolgen die CAS-Interpretation. So machte laut der Darstellung im Urteil Potocniks Berater, der ehemals in Deutschland tätige Ex-Profi Goran Sukalo, Jakobs während der zweiten Dezemberhälfte 2021 auf das Talent aufmerksam und erläuterte ihm Probleme bei Olimpija. Potocnik sah sich unter anderem um versprochenes Training bei den Profis gebracht. Am 24. Januar 2022, einen Tag nach einer Beschwerde-Mail von Potocniks Mutter an die Olimpija-Führung, erfragte Sukalo dann, ob Köln Interesse habe, falls der Kontrakt in Ljubljana nicht mehr bindend sei.

Sechs Tage später kontaktierte Olimpija-Geschäftsführer Igor Barisic den damaligen Kölner Nachwuchschef Matthias Heidrich. Barisic wollte nach eigener Aussage von Heidrich zum Kölner Präsidenten durchgestellt werden, um mit diesem über Gerüchte betreffend Potocnik zu sprechen. Heidrich gibt zu, den Anruf erhalten zu haben, bestätigt jedoch nicht den Inhalt. An jenem 30. Januar 2022 kündigte Potocniks Mutter den Kontrakt mit den Slowenen. Nur einen Tag später luden die FC-Verantwortlichen ihrerseits die Vertragsdokumente in das dafür vorgesehene FIFA-TMS hoch.

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Köln argumentierte, man habe erst ein Angebot abgegeben nach der Kündigung. Und weiter: "Die wenigen vorherigen Kontakte waren lediglich genereller Natur und gingen durch einen 'externen Berater' vonstatten." Dabei handelt es sich um Jakobs, dessen formale Rolle in der Tat damals die des externen Beraters war, nachdem er zuvor in mehreren Rollen für den Klub tätig gewesen war - vom Chefscout über den Sportdirektor bis zum Aufsichtsrat.

Dem CAS ist allerdings egal, ob Jakobs offiziell als "Externer" firmierte. Er meint vielmehr: Entscheidend sei, dass der FC seinem Rat vertraut habe, was den Klub in der Folge haftbar mache. Vereinfacht ausgedrückt: Jakobs Austausch mit Berater Sukalo war in den Augen der Richter ein Beleg für das Interesse des Klubs.

Auch Potocniks Motive für die Trennung, etwa das Ausbleiben von Trainingseinheiten mit dem Profiteam, erkannte der CAS nicht an. Der Rechtsbeistand des Stürmers hatte von mündlichen Nebenabreden in dem Vertrag gesprochen, unter anderem einer 100.000-Euro-Ausstiegsklausel für ausländische Klubs. Weswegen der FC im Zuge des Wechsels genau diese Summe als Entschädigung geboten haben dürfte. Zwar geht aus einer E-Mail des Olimpija-Anwalts Janez Pejovnik hervor, dass es durchaus nebenvertragliche Verständigungen gegeben habe, fassen die CAS-Richter zusammen.

Die Zeugenaussagen aber erwecken eher den Eindruck persönlicher Versprechungen denn verpflichtender Vereinbarungen: "Beweis ist das Statement von Herrn Mandaric, der an unterschiedlichen Stellen auf seine 'Versprechungen' und sein 'Ehrenwort' verweist." Mandaric war bis Herbst 2021 Präsident und Eigner des slowenischen Doublesiegers, ehe die aus München stammenden Investoren Adam Delius (Präsident) und Christian Dollinger (Vize-Präsident) übernahmen. Zudem gibt es laut CAS keine Erklärung dafür, warum die Nebenabreden nicht zumindest in die Vertragsdokumentation miteingeflossen sein sollen.

Das liebe Geld bewegte natürlich auch die Klubeigner in Ljubljana, die das 100.000-Euro-Angebot für ein zweifelsfrei großes Talent wie Potocnik als Affront auffassten und deshalb eine Strafzahlung in Höhe von 2.507.200 Euro forderten. Das Gros dieser Summe, 2,5 Millionen Euro, führen sie dabei zurück auf ein angebliches Angebot von Dinamo Zagreb in Höhe von 1,5 Millionen Euro. Dieses hätte ihnen im Falle des Profidebüts des Spielers in Zagreb weitere 500.000 Euro sowie die gleiche Summe als Bonus beim zehnten Profi-Pflichtspieleinsatz gebracht. Übermittelt worden soll es sein von dem Spielerberater Andy Bara von der Agentur Niagara Sports, die in Deutschland sowohl mit RB Leipzig als auch mit Eintracht Frankfurt bereits Geschäfte gemacht hat.

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Und rund um diese Offerte gibt es Widersprüchlichkeiten, die der ganzen Geschichte einen Hauch von Wirtschaftskrimi verleihen. Bara soll die Offerte des kroatischen Spitzenklubs am 2. Dezember 2021 per Brief übermittelt haben. Dem widerspricht die Vorsitzende der Geschäftsführung Dinamos, Vlatka Peras, die der FC als Zeugin aufgerufen hat, energisch. Es habe kein Interesse gegeben. Die Einlassung der Slowenen, die Verhandlungen seien exklusiv über Bara gelaufen, kontert die mächtige Funktionärin laut Urteil: "(…) aufgrund ihrer leitenden Position war sie, in ihren eigenen Worten, 'über alle getätigten Angebote' informiert."

Im Prozess gibt es nur Verlierer

Gestützt werden die Zweifel an der Echtheit der Offerte durch die Aussage von Ex-Olimpija-Sportdirektor Mladen Rudonja. Der ehemalige slowenische Nationalstürmer gab laut Urteil an, "dass sein Nachfolger, Herr Barisic, ihn vergeblich gebeten hatte, ein falsches undatiertes Angebot von Manchester City vorzubereiten, was unbeschadet anderer möglicher Konsequenzen darauf hindeuten könnte, dass Olimpija insgesamt versucht hatte, den Wert des Spielers künstlich zu erhöhen". Unter anderem auf Rudonjas Zeugenaussage dürfte sich eine im November 2023 bekanntgemachte Strafanzeige des FC gründen.

Der Bundesligist wirft den Slowenen den Versuch vor, "auf Grundlage falschen Tatsachenvortrags, eine ungerechtfertigte Schadenersatzhöhe zugesprochen zu bekommen". Barisic konterte direkt: Die FC-Verantwortlichen hätten ihn und seine Kollegen mit einer höheren Abfindungssumme zu einer Falschaussage vor dem CAS bewegen wollen. Für beide Seiten gilt die Unschuldsvermutung. Die jeweiligen Anschuldigungen könnten noch staatliche Gerichte beschäftigen.

Zur Glaubwürdigkeit des letztlich von Agent Bara gebrachten, angeblichen Angebots aus Zagreb jedenfalls hat der CAS eine eindeutige Meinung: Diese Offerte "wurde nicht - und das ist eine Untertreibung - bestätigt bei der Anhörung". Dass der Spielerberater selbst seine Anwesenheit als Zeuge, laut Urteil "aus obskuren Gründen", abgesagt hat, passt ins Bild.

Am Ende muss sich Ljubljana mit lediglich 60.000 Euro nebst Zinsen als Kompensation für den Vertragsbruch abfinden. Gegenüber dem FIFA-Spruch wurde die Summe immerhin um knapp 10.000 Euro erhöht, ist aber weit entfernt von potenziellen Ablösesummen, die mit einem Jungprofi vom Format Potocniks zu machen gewesen wären. Insofern gibt es in dem Prozess nur Verlierer.

Benni Hofmann

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