Bundesliga

Borussia Dortmund benötigt dringend eine Kehrtwende

Eine kommentierende Analyse nach dem Pokal-K.-o. in Stuttgart

Borussia Dortmund benötigt dringend eine Kehrtwende

Leere Blicke: Der BVB war in Stuttgart chancenlos.

Leere Blicke: Der BVB war in Stuttgart chancenlos. IMAGO/Ulmer/Teamfoto

Wer für Borussia Dortmund arbeitet oder sich im Umfeld des BVB bewegt, der weiß, wie wechselhaft die Stimmung rund um diesen Klub zuweilen ist. In Dortmund ist das Glas eigentlich nie halbvoll oder halbleer. Es gibt nur zwei Zustände: bis zum Rand gefüllt oder aber komplett leer. Und die Übergänge sind in der Regel so fließend, dass es wirkt, als habe der hypernervöse Kellner auf dem Weg zum Gast das Tablett umgeschmissen. Das ist anstrengend für alle Beteiligten, mitunter sogar richtig nervig. Aber es hilft nichts, darüber zu jammern. Man muss sich der Realität stellen, die da heißt: Es gibt deutlich bequemere Arbeitsplätze im sportlichen Bereich als jene beim BVB.

      Vor einer Woche noch durften sich die Schwarz-Gelben feiern lassen für einen sehr souveränen 3:1-Auswärtserfolg bei der AC Mailand. Die Mannschaft von Trainer Edin Terzic hatte sich durch den Auswärtserfolg bereits nach dem fünften Spieltag in der so genannten Todesgruppe F für das Achtelfinale qualifiziert und führte die Tabelle vor dem milliardenschweren Paris Saint-Germain an. Die Welt in Dortmund schien auf den ersten Blick wieder in Ordnung zu sein, nachdem zwei herbe Pleiten gegen München (0:4) und in Stuttgart (1:2) für eine mittelschwere Herbstdepression gesorgt hatten.

      Gefühlt liegt alles in Scherben

      Nur sieben Tage später liegt dagegen gefühlt alles wieder in Scherben, so desolat präsentierte sich der BVB im DFB-Pokalachtelfinale beim VfB Stuttgart. Um zu dieser Erkenntnis zu kommen, muss man nicht einmal in die oft effekthascherischen Kommentare in den Sozialen Medien schauen. Es genügt sich anzuhören, wie sich Dortmunds Führungsspieler nach dem Pokal-K.-o. äußerten.

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      Wie schon in Leverkusen verordnete Terzic bei den so formstarken Schwaben seiner zuletzt durch eine Grippewelle geschwächten Elf eine Schrumpfkur und ließ sie spielen wie einen absoluten Außenseiter. Was beim 1:1 gegen die Werkself noch halbwegs gut ging, scheiterte gegen den VfB auf ganzer Linie. Der 41-Jährige ließ seine vier Toptorjäger der laufenden Saison - Julian Brandt, Marco Reus, Donyell Malen und Niclas Füllkrug - auf der Bank und setzte stattdessen auf ein maximal defensives 5-4-1 mit Youssoufa Moukoko als einzigem Angreifer.

      Doch weder brachte diese taktische Maßnahme Stabilität in die eigene Defensive noch funktionierte das Umschaltspiel, das auf das Tempo von Karim Adeyemi und Jamie Bynoe-Gittens ausgerichtet war. Der BVB - vom Stuttgarter Pressing völlig mattgesetzt - schenkte die Bälle häufiger her als bei der Saisoneröffnung mit den eigenen Fans. Die Lücken, die die Stuttgarter sehr wohl boten, konnten dadurch nicht gefunden werden. Nahezu jeder Angriff - mit Ausnahme des Lattenschusses von Marcel Sabitzer in der 20. Minute - verpuffte bereits im Ansatz.

      Nicht nur Terzic muss sich unangenehme Fragen stellen

      Allein die Taktik zu kritisieren, würde allerdings zu kurz greifen. Nicht nur Terzic und Sportdirektor Sebastian Kehl müssen sich nach dieser Niederlage unangenehme Fragen stellen lassen bezüglich der Ausrichtung und Zusammenstellung des Kaders. Auch die Mannschaft muss es. Denn sie schafft es auch in dieser Saison wieder nicht, Konstanz und Stabilität in die eigenen Leistungen zu bringen. Und reißt sich dadurch regelmäßig selbst ein, was sie sich zuvor mühevoll aufgebaut hat.

      Bilder zur Partie VfB Stuttgart gegen Borussia Dortmund

      BVB-Boss Hans-Joachim Watzke hatte in der vergangenen Woche die Medien ins Visier genommen und geklagt, der Klub sei seit der verpassten Meisterschaft im vergangenen Mai einem "medialen Trommelfeuer" ausgesetzt. Tatsächlich ist das ohnehin notorisch aufgeregte Umfeld noch nervöser geworden seit jenem verhängnisvollen Tag im Mai. Auch liegt die Frusttoleranzgrenze der Anhänger noch niedriger. Der BVB und seine handelnden Personen tragen daran jedoch mindestens eine Teilschuld. Die vergangenen Wochen und Monate, in denen immer wieder Interna in der Öffentlichkeit auftauchten, die mal Terzic und mal Sportdirektor Sebastian Kehl schlecht dastehen ließen, waren nicht Borussia-like.

      Als Einzelkämpfer gibt es für niemanden etwas zu gewinnen

      Schleunigst sollte die Verantwortlichen einen radikalen Kurswandel einleiten, wieder geschlossener agieren und gemeinsam mit der Mannschaft einen Weg aus der Krise finden. Denn als Einzelkämpfer gibt es für niemanden etwas zu gewinnen. Und allein mit der Entlassung von Slaven Stanic, dem Koordinator Sport, ist es ebenfalls nicht getan.

      Ein Blick in die Vergangenheit belegt: Richtig stark war der BVB immer dann, wenn die Reihen innerhalb des Klubs geschlossen waren und nach außen alle mit der gleichen Stimme gesprochen haben. Inhaltliche Reibereien sind gut und förderlich - und angesichts so mancher festgefahrener Struktur auch dringend nötig. Zielführend sind sie aber nur dann, wenn sie intern gelöst werden.

      Es steht viel auf dem Spiel für den BVB

      Jedem Beteiligten sollte klar sein: Es steht viel auf dem Spiel in diesen turbulenten Wochen. Zuvorderst für den Klub, der sich aus wirtschaftlichen und aus Prestigegründen auch in der kommenden Saison wieder in der Champions League präsentieren möchte - und daher das Spiel gegen RB Leipzig am Samstag besser nicht verlieren sollte. Aber auch für Watzke, Kehl und Terzic.

      Watzke sagte zuletzt selbst, seine Zeit beim BVB sei endlich. Umso wichtiger ist es aus seiner Sicht, das Feld zu bestellen für den Tag X, wenn er seinen Posten an der Spitze des BVB, der längst zu seinem Lebenswerk geworden ist, an einen Nachfolger übergibt. Die Perspektive von Kehl und Terzic ist noch greifbarer: Beide besitzen bei der Borussia einen Vertrag bis zum Sommer 2025. Im Jahr 2024 stehen also im Normalfall Gespräche über eine Verlängerung an. Damit es dazu kommt, sollten sie sich an das erinnern, was diesen Klub, den sie so gut kennen wie nur wenige andere, ausmacht. So wie zuletzt kann es auf allen Ebenen nicht weiter gehen.

      Matthias Dersch

      STUTTGART, GERMANY - DECEMBER 06: Edin Terzic, Head Coach of Borussia Dortmund, looks on prior to the DFB cup round of 16 match between VfB Stuttgart and Borussia Dortmund at MHPArena on December 06, 2023 in Stuttgart, Germany. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

      "Desolat auf allen Ebenen - angefangen bei der Trainerleistung"

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