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Lage beim DFB: "Irgendwann sind die Mittel aufgebraucht"

Die Bilanz nach einem Jahr Neuendorf/Grunwald

Angespannte Lage beim DFB: "Irgendwann sind die Mittel aufgebraucht"

Gibt die Richtung vor: DFB-Präsident Bernd Neuendorf.

Gibt die Richtung vor: DFB-Präsident Bernd Neuendorf. IMAGO/Beautiful Sports

Ruhe ist eingekehrt beim DFB, wirtschaftlich gibt es aber große Fragezeichen. Dieses verkürzte Fazit lässt sich ziehen nach einer Bilanz von Präsident Bernd Neuendorf und Schatzmeister Stephan Grunwald, die am kommenden Samstag (11. März) ein Jahr im Amt sind nach ihrer Wahl auf dem DFB-Bundestag am 11. März 2022 in Bonn.

Hatte sich die Ethikkommission bis vor einem Jahr permanent mit zahlreichen gegenseitigen Anzeigen von DFB-Führungskräften zu befassen, so hat sich laut Neuendorf "diese Situation heute deutlich entspannt."

Die angespannte wirtschaftliche Lage des DFB hatte sich Grunwald bei seinem Amtsantritt "so nicht vorgestellt." Nachdem er sich mit Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern einen Überblick verschafft hatte, sah er sich "gezwungen, höhere Rückstellungen zu bilden". Er ist überzeugt, die Situation in den Griff zu bekommen, "um ab 2024 wieder einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können." Was zwingend erforderlich ist, denn "irgendwann sind die Mittel aufgebraucht."

Ist die Nationalmannschaft erfolgreich, geht es dem DFB gut.

Schatzmeister Stephan Grunwald

Auf diesem Weg sei der DFB abhängig von der Nationalelf - davon, "wie die Nationalmannschaft performt", und besonders auch von deren Abschneiden bei der Europameisterschaft 2024 im eigenen Land. "Ist die Nationalmannschaft erfolgreich, geht es dem DFB gut", sagt Grunwald. Und mit Blick auf das schlechte Abschneiden bei den zurückliegenden Welt- und Europameisterschaften (unter anderem Aus in der Gruppenphase 2018 und 2022) wählt der DFB-Schatzmeister zu den wirtschaftlichen Folgen für den DFB drastische Worte: "Das ist vergleichbar mit einem Verein, der aus der Champions League in die 2. Liga durchgereicht wird."

"Jeder hat die Situation verstanden"

Operativ hatte der DFB im Jahr 2021 zwar ein Plus von etwa 20 Millionen Euro ausgewiesen, durch die Steuerrückstellungen unter anderen wegen der entzogenen Gemeinnützigkeit für zwei Jahre in Höhe von etwa 50 Millionen steht jedoch operativ ein Minus von 30 Millionen Euro. Für das laufende Jahr erwartet Grunwald einen Verlust in Höhe von etwa 19,5 Millionen Euro - klar, dass der Verband "so in den nächsten zehn Jahren nicht weitermachen kann."

DFB-Schatzmeister Stephan Grunwald und Präsident Bernd Neuendorf.

Seit einem Jahr im Amt: DFB-Schatzmeister Stephan Grunwald und Präsident Bernd Neuendorf. IMAGO/Nico Herbertz

Er ruft zu Sparmaßnahmen in allen Bereichen aus, von der Nationalmannschaft bis zu sozialen Projekten, da die finanziellen Mittel aktuell nicht so zur Verfügung stünden wie in früheren Jahren. Und die Lage kann sich eben vornehmlich nur über Erfolge der Nationalmannschaft verbessern, an deren Tropf im Grunde der gesamte Verband hängt. Und über eine höhere Anzahl von Länderspielen des Flick-Teams, das gerade im Vorfeld der EURO 2024 noch nicht viele Abschlüsse getätigt und auch ein Mitwirken außer Konkurrenz in einer Gruppe der Qualifikation für die Europameisterschaft abgelehnt hatte.

"Jeder hat die Situation verstanden", sagt Neuendorf und ist leicht optimistisch, diese Situation aus eigener Kraft und ohne externe Berater in den Griff zu bekommen.

Neuendorf und Lahm wollen vor dem Bundeskabinett sprechen

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Ein Jahr vor der Europameisterschaft wünscht sich Neuendorf "ein stärkeres Commitment der Politik - auch finanziell." Bislang hat sich der Bund verpflichtet, 19,3 Millionen Euro für dieses Turnier zu geben. Neuendorf hat den Eindruck, dass sich die Politik vor und während der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland in jeder Hinsicht weitaus deutlicher positioniert hat.

Am Rande des Frauen-Länderspiels Deutschland gegen Schweden (0:0) vor wenigen Tagen in Duisburg sprach der DFB-Präsident mit Bundeskanzler Olaf Scholz das Thema an und äußerste auch den Wunsch, dass er und Turnierdirektor Philipp Lahm sehr gerne in Berlin "vor dem Bundeskabinett sprechen würden, um allen Mitgliedern die Bedeutung des Turniers auch unter kulturellen Gesichtspunkten und auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland vor Augen zu führen".

"Unter den 211 Mitgliedern der FIFA nehmen nur sechs, sieben eine kritische Haltung ein"

In der angespannten Situation einiger europäischer Nationen und des DFB mit der FIFA plädiert Neuendorf für eine Politik der kleinen Schritte. Dass es beim FIFA-Kongress in der kommenden Woche keinen Gegenkandidaten zu Präsident Gianni Infantino gibt, erklärt sich in seinen Augen aus den Machtverhältnissen im Weltverband selbstredend: "Unter den 211 Mitgliedern der FIFA nehmen nur sechs, sieben eine kritische Haltung ein."

DFB-Präsident Bernd Neuendorf

Hat sich jüngst mit Bundeskanzler Olaf Scholz ausgetauscht: DFB-Präsident Bernd Neuendorf. IMAGO/Sportfoto Rudel

Ob der DFB bei den Wahlen auf dem Kongress in Ruanda gegen Infantino als einziger Kandidat für das Präsidentenamt stimmen wird, will Neuendorf von den Entwicklungen in den kommenden Tagen abhängig machen. Dass Infantino immer kurzfristig für Kursänderungen und Überraschungen gut ist, hat er in dem erst einen Jahr von Neuendorfs Amtszeit schon mehrfach erfahren.

Stärkeren Einfluss auf die Entwicklung wird der DFB ohnehin nur nehmen könne, wenn der aktuelle DFB-Präsident im April ins FIFA-Council gewählt werden sollte.

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Rainer Franzke

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