Bundesliga

"Weltpokalsiegerbesieger": Als die Bayern Robin Hood spielten

Novum nach 20 Jahren: Frankfurt wie einst der FCB

Als die Bayern Robin Hood spielten

Protagonisten einer sportlichen Sensation: Stefan Effenberg (li.) und Thomas Meggle.

Protagonisten einer sportlichen Sensation: Stefan Effenberg (li.) und Thomas Meggle. imago images

Einen über Jahrzehnte gültigen Spitznamen muss man sich verdienen, und den ihren hat sich die Eintracht aus Frankfurt redlich verdient.

"Die launische Diva vom Main" verspielte aufgrund dieser Eigenschaft 1992 die schon sicher geglaubte Meisterschaft - und schlägt 30 Jahre später Bundesliga-Tabellenführer Union Berlin, um nur eine Woche darauf Schlusslicht VfL Bochum 0:3 zu unterliegen. Den "Reichen" die Punkte genommen, um sie den "Armen" zu geben. Wie Robin Hood. Typisch, werden sie nicht nur in Frankfurt sagen.

Dabei ist dieser direkte Kontrast gar nicht typisch, noch nicht einmal für die SGE. Den Tabellenführer zu schlagen, um daraufhin gegen den Tabellenletzten zu verlieren, das hat seit mehr als 20 Jahren kein Bundesligist mehr zustande gebracht. Und der letzte, dem das bisher passiert ist, war ausgerechnet der große FC Bayern.

In München herrschte im Winter der Saison 2001/02 gewissermaßen Katerstimmung. Im zurückliegenden Sommer hatte der FCB nicht nur dramatisch die dritte Meisterschaft in Serie gefeiert - das war ja schön und gut. Nach 25 Jahren, erstmals unter der Bezeichnung Champions League, durfte Deutschlands Rekordmeister auch den Henkelpott wieder sein Eigen nennen. Und anschließend auch den Weltpokal.

Die Mannschaft um Stefan Effenberg hatte einerseits mit den Geistern von 1999 abgeschlossen, als das CL-Finale gegen Manchester United trotz Führung in der Nachspielzeit noch verloren gegangen war. Andererseits hatten "Effe" und einige andere ihren Zenit damit nicht nur erreicht, sondern ihn ein Jahr später auch schon ein Stück weit überschritten.

Satte Bayern: Ausnahmen nur für besondere Spiele

Vor dem 20. Spieltag, Anfang Februar, hatte sich das längst auch in der bekanntlich nie lügenden Tabelle abgezeichnet. Die Bayern waren in der Bundesliga auf Platz fünf abgerutscht, der auch damals nicht für die Teilnahme an der Champions League befähigt hätte. Ganz oben stand zu diesem Zeitpunkt Bayer Leverkusen, dem die Bayern 1999/2000 noch die Meisterschaft entrissen hatten - und das an diesem 20. Spieltag nach München kam.

Stefan Effenberg verwandelt Elfmeter

Gegen Leverkusen war Stefan Effenberg (re.) noch erfolgreich. imago/Sammy Minkoff

Als die Bayern 1974 ihren ersten Henkelpott gewonnen hatten, rauschten sie in den nationalen Tabellen der folgenden Jahre ab. Deutlich ab. 1975 beendeten sie die Bundesliga-Saison sogar als Zehnter. Das große Ziel war erreicht, die Spannung war irgendwo abgefallen. Es sei einfach nicht mehr das Gleiche, wenn man einmal etwas gewonnen habe, hatte der große Johan Cruyff einmal versichert.

Doch für die besonderen Spiele, die im Europapokal, konnte sich der FCB damals noch aufraffen. 1975 und 1976 verteidigten die Münchner ihren Henkelpott zweimal, auch wenn das auf Kosten "verlorener" Meisterschaften ging.

Der 20. Spieltag der Bundesliga-Saison 2001/02 war zwar kein Europapokalspiel, gegen den Tabellenführer aber wohl trotzdem ein besonderes. Denn die Bayern rafften sich auf.

Die Bayern schöpfen neue Hoffnung.

kicker-Spielbericht vor dem "Weltpokalsiegerbesieger"-Spiel

Die Werkself, die nach 19 Spieltagen schon 46 Tore geschossen hatte, trat mit der besten Offensive der Liga im Olympiastadion an - und ging beim 0:2 leer aus. Der kicker-Spielbericht von damals erinnert noch heute an einen "verdienten Erfolg der Mannschaft mit dem höheren Siegeswillen", mit Elber und Effenberg hatten die Tore zwei Routiniers besorgt, die München bald darauf verlassen sollten.

Getitelt hatte dieser Spielbericht allerdings, dass die Bayern im gewonnenen Topspiel "neue Hoffnung schöpften" - was sich nur 75 Stunden später schon wieder erledigt hatte. Was für den Rekordmeister nur ein weiterer Ausrutscher auf dem Weg zu einer Saison sowohl ohne Meister- als auch ohne CL-Titel war, sollte auf St. Pauli Einzug in die regionale Folklore erhalten. Die letztplatzierten Kiez-Kicker schlugen den großen FC Bayern durch Tore von Thomas Meggle und Nico Patschinski mit 2:1, der Anschlusstreffer von Willy Sagnol kam in der 87. Minute zu spät.

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Saison 2001/02: Seuchen- oder Traumsaison?
51:48 Minuten
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Zur genau richtigen Zeit kamen anschließend ein paar findige Fans des kommenden Absteigers auf die Idee, diesen einmaligen Moment in Form eines T-Shirts festzuhalten. Die Namen der eingesetzten Spieler hinten, der Titel "Weltpokalsiegerbesieger" vorne drauf. Bis heute wurden, wie Matchwinner Meggle im Podcast "kicker History" berichtet, über 100.000 Exemplare verkauft.

Auf diese Idee ist in Bochum über 20 Jahre später noch keiner gekommen - obwohl Eintracht Frankfurt ja gerade auch einen internationalen Titel hält.

Niklas Baumgart

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