Bundesliga

777 Partners: Überlebenshilfe aus Übersee für Hertha BSC

Ein Kommentar von kicker-Reporter Steffen Rohr

Überlebenshilfe aus Übersee - aber gesunden muss Hertha selbst

Wollen Hertha nach vorne bringen: Kay Bernstein, Josh Wander und Thomas Herrich (v.li.).

Wollen Hertha nach vorne bringen: Kay Bernstein, Josh Wander und Thomas Herrich (v.li.). IMAGO/Nordphoto

Thomas E. Herrich, der Geschäftsführer von Hertha BSC, sagte schnörkellos, was Sache ist. Die vom neuen strategischen Partner 777 kurzfristig zur Verfügung gestellten Mittel seien für die am Mittwoch bei der DFL einzureichenden Lizenzierungsunterlagen ein "zentraler Baustein", erklärte Herrich. "Das Investment von 777 hilft uns extrem."

Wenn in einer Branche, in der zumeist PR-Geflöte und Floskeln den Ton setzen, derart ungeschönt gesprochen wird, weiß man: Die Lage war ausgesprochen ernst. Hertha, seit Jahren erstaunlich unbeirrt über seine Verhältnisse lebend, hat dank der Überlebenshilfe aus Übersee fürs Erste die Kurve gekriegt.

Das ist für alle, die es mit dem Klub halten, der mit seinen 131 Jahren älter ist als jeder andere aktuelle Bundesligist, die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht: Das frische Geld - insgesamt 100 Millionen Euro, die über mehrere Jahre fließen sollen - ist längst verplant. Und einen treffsicheren Mittelstürmer sieht dieser Investitionsplan eher nicht vor.

(K)ein teurer Spaß

Mit dem neuen Geld sind alte Rechnungen zu begleichen. Hertha ist mittendrin in der von den neuen Klub-Bossen um Präsident Kay Bernstein eingeleiteten Annäherung an die Wirklichkeit. Die jahrelange Auszeit von der Realität, befeuert durch sensationell effektfrei verbrannte 375 Investoren-Millionen von 777-Vorgänger Lars Windhorst, hat den Klub auf allen Ebenen ins Schleudern gebracht. Einen teuren Spaß kann man es noch nicht mal nennen, denn ein Spaß war diese Kaskade aus Irrtümern, Intrigen und Indiskretionen nie. Großen Spott statt großen Sports gab es zumeist, die Operation Größenwahn hatte sich weit in den Verein gefressen.

Zum Thema 777 Partners und Hertha

Künftig wird manches womöglich leichter, aber gewiss nicht alles leicht. Immerhin: Die Liaison mit 777 Partners und CEO Josh Wander verspricht deutlich mehr Solidität, Ruhe und Konzentration aufs Kerngeschäft Fußball als die toxische Beziehung zu Windhorst und dessen Tennor-Holding.

Hertha BSC und Lars Windhorst - das war eine inhaltlich und kommunikativ so grandios verunglückte Partnerschaft, dass der Klub jetzt zumindest weiß, wie es mit einem Investor nicht funktioniert.

Mit 777 dürfte es, wenn die Vorzeichen nicht täuschen, deutlich geräuschfreier und zielgerichteter zugehen. Allerdings räumt das auch aus der Not des klammen Klubs heraus entstandene Vertragskonstrukt 777 mehr Mitsprache bei strategischen und personellen Themen ein als seinerzeit Windhorst.

Erlaubnis zum Aufräumen beim "Big Business Club"

Hertha beharrt darauf, noch Herr im eigenen Haus zu sein, aber einen Wohnungsschlüssel hat man dem smarten Wander und seiner Entourage schon aushändigen müssen - und die Erlaubnis zum Aufräumen gleich mit dazu. 

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Präsident Bernstein hat am Montag das Label "Big City Club" beerdigt, die "Süddeutsche Zeitung" ernannte Hertha mit sofortiger Wirkung zum "Big Business Club". In der Tat ist das keine schlechte Pointe in einem Klub, der ohnehin seit Jahren beständig mehr Pointen als Punkte liefert: dass ausgerechnet Bernstein, der einstige Ultra-Frontmann und Vorsänger der Ostkurve, einer US-Heuschrecke die Tür öffnet. Alternativen dazu, den Untergang des Klubs mal ausgeklammert, gab es exakt: keine.

Wir werden keine Luftschlösser bauen

Thomas E. Herrich

Hertha - zuletzt bei gut 90 Millionen Euro Verbindlichkeiten, einem negativen Eigenkapital von 15 Millionen Euro und Halbjahrespersonalrekordkosten von 51,3 Millionen Euro angekommen - hat in den vergangenen drei Geschäftsjahren kumuliert mehr als 210 Millionen Euro Miese gemacht. Für die aktuelle Saison rechnet der Klub mit einem Minus von 64 Millionen Euro.

Kein Zweifel: Der Einstieg von 777 Partners sorgt dafür, dass es vorerst weitergeht im Berliner Westend - aber dafür, dass es nicht so weitergeht wie zuletzt, weil es gar nicht mehr lange so weitergehen könnte, muss der Klub schon selbst sorgen. Er muss die Kosten sehr drastisch und zügig runterfahren und die Konsolidierung nicht nur ausrufen, sondern leben.

"Wir werden keine Luftschlösser bauen", kündigte Herrich am Montag an, "und keine Wunderkerzen abbrennen." Dass es auch ohne Wunderkerzen bei Hertha BSC vorerst nicht zappenduster wird, ist dem neuen Partner aus Miami zu verdanken. Ob es der Beginn des Turnarounds ist oder nur ein Aufschub des Absturzes, liegt am Klub.

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