Bundesliga

Augsburgs Phillip Tietz: "Ich gehe vielen hier auf den Keks"

Augsburgs Stürmer über die Bundesliga und die Nationalmannschaft

Tietz im Interview: "Ich gehe vielen hier auf den Keks"

Ist in der Bundesliga durchgestartet: Phillip Tietz. 

Ist in der Bundesliga durchgestartet: Phillip Tietz.  IMAGO/kolbert-press

Herr Tietz, wie haben Sie die kurze Winterpause verbracht?

Sehr familiär. Wir waren in der Heimat bei meinen Eltern und bei den Eltern meiner Freundin, haben die Zeit genossen, weil man sich leider so selten sieht. Silvester haben wir in Augsburg mit der Familie Mehlem (Marvin, Darmstadt, d. Red.) verbracht. Also ganz, ganz ruhig mit einem schönen Spieleabend.

Blieb genug Zeit, um in Ruhe das erste Halbjahr als Bundesliga-Profi zu reflektieren?

Ja, schon.

Was waren Ihre Erkenntnisse?

Ich glaube, es hatte Höhen und Tiefen. Ich habe vier, fünf Spieltage gebraucht, bis es bei mir gefruchtet hat. Ich bin einfach froh, dass ich überhaupt hier so gut aufgenommen wurde; dass ich angekommen bin in der ersten Liga; dass ich sehr zufrieden bin, mir nichts Besseres hätte vorstellen können mit dem Wechsel. Das war der richtige Weg. Ich freue mich auf vieles mehr und bin extrem dankbar, dass ich trainieren darf, dass ich mein Hobby zum Beruf gemacht habe und in der höchsten Spielklasse spielen kann.

Haben Sie sich im einzelnen nochmal Spiele rausgepickt oder wie verarbeiten Sie generell Ihre Spiele?

Ich bin sehr verbissen, das muss ich schon sagen. Wenn die Saison läuft, wenn Spieltagswoche ist, dann bin ich einer, der sehr selbstkritisch ist, der sich die Spiele anguckt und aufarbeitet; einer, der schaut, was er besser machen kann. Das mache ich hier mit dem Trainerteam und zusätzlich daheim allein. Wenn Pause ist, fixiere ich mich komplett auf meine Familie. Ich will die Zeit genießen mit meiner Freundin, mit meiner Tochter, weil die oft zu kurz kommen.

Podcast
Podcast
Wie gut ist dieser EM-Kader - und wer wird gestrichen?
14:27 Minuten
alle Folgen

Im Sommer haben Sie Aufsteiger Darmstadt für Fast-Absteiger Augsburg verlassen - und die Entscheidung vermutlich nicht bereut?

Natürlich bin ich mit einem tränenden Auge gegangen, weil ich dort sehr viel Erfolg hatte. Weil ich Freunde gefunden habe. Meine Tochter ist in Darmstadt geboren, meine Freundin kommt aus der Nähe. Ich kenne das ja mit den Vereinswechseln, aber für sie war das eine Umstellung. Mittlerweile geht es auch gar nicht mehr darum, was ich am besten finde, sondern ich habe eine kleine Tochter, ich habe eine Freundin daheim, wo ich sage: Die muss mitentscheiden. Jetzt leben wir hier, die Kleine geht hier zur Kita und wir sind extrem froh und dankbar, dass wir hier sein dürfen.

Kamen Zweifel auf, als es unter Enrico Maaßen zunächst gar nicht gut losging beim FCA?

Solche Phasen gibt es immer mal. Wenn du die ganze Zeit sagst: "Oh Mann, das läuft jetzt alles kacke", dann wird es auch kacke laufen, auf gut Deutsch gesagt. Versuch immer, positiv zu bleiben. Ich glaube, ich gehe vielen hier auf den Keks, weil ich jeden Tag mit einem Lächeln in die Kabine komme und manche Leute nerve mit meiner Art. Ich bin halt immer glücklich. Aber das hat mich bis hierhin gebracht. Ich habe in der vierten Liga angefangen und bin jetzt in der Bundesliga. Und ich werde mich für keinen Menschen, für keinen Verein verstellen. Augsburg nimmt mich so, wie ich bin.

Maaßen hat Sie im Sommer von Augsburg überzeugt. Was geht in einem Spieler vor, wenn dieser Trainer dann nach wenigen Wochen schon nicht mehr da ist?

Es ist eine Umstellung, aber ich glaube, ich bin jetzt auch in einem Alter, in dem ich das kenne im Fußball. Da passiert es leider manchmal so, es ist ein Tagesgeschäft. Mal läuft's, mal läuft's nicht. Es tut mir extrem leid für Enno, er war ein super Typ, ein super Charakter. Aber es lief halt alles nicht so, wie es laufen sollte. Da müssen wir Spieler uns auch an die Nase fassen. Aber wir müssen in die Zukunft schauen und versuchen, es besser zu machen.

Ich werde mich für keinen Menschen, für keinen Verein verstellen. Augsburg nimmt mich so, wie ich bin.

Phillip Tietz

Was mit Jess Thorup, Maaßens Nachfolger, bislang gut gelang. Sie standen gleich beim Auftakt in Heidenheim in der Startelf, trafen in drei Spielen in Folge. Kann man die Rolle von Vertrauen und Selbstvertrauen unterschätzen, vor allem als Stürmer?

Wenn man ehrlich ist, ja. Ich bin da aber auch gar keinem böse. Enno hat einen Spieler aus der zweiten Bundesliga geholt. Dass ich nicht direkt von Anfang an spiele und der Spieler im Verein bin, ist doch ganz klar. Trotzdem habe ich mein Bundesliga-Debüt unter Enrico Maaßen gegeben, und dafür bin ich ihm ewig dankbar.

Trotzdem ging es erst unter Thorup richtig los.

Ich wollte - so wie jeder Spieler, der vorher weniger gespielt hat - zeigen nach dem Motto: "Hey ich bin da, vergesst mich nicht." Und dann lief natürlich alles so wie gewünscht, dass ich spiele und treffe. Thorup ist sehr viel auf einen eingegangen, ist mit jedem Spieler umgegangen, als wäre er der Wichtigste. Man sieht jetzt, wohin das geführt hat.

Ein gewisses Medium berichtete während dieses Laufs von einem Augsburg-Besuch des Bundestrainers Julian Nagelsmann.

Da war was, ja.

Nagelsmann, schrieb der kicker damals, war beim Spiel zwischen Augsburg und Wolfsburg, um Sie auf der Suche nach einem Stürmer für die Nationalmannschaft genauer anzuschauen. Hand aufs Herz: wie fällt die Reaktion aus, wenn man so was später mitbekommt?

Ich bin durchgedreht. Natürlich habe ich mich gefreut, vor allem weil das Spiel so gut für mich lief mit einem Tor und dem Sieg. Aber trotzdem: erstmal weiter Leistung bringen. Mir ist das Thema Nationalmannschaft nicht scheißegal, aber ich versuche, es auszublenden. Das erste, das zählt, ist der Verein FC Augsburg. Dass ich da meine Leistung bringe und wir Erfolg haben. Und dann kommt alles, wie es kommen soll. Natürlich würde ich mich extrem doll freuen, wenn es irgendwann in meiner Karriere passieren sollte. Sagen wir einfach: Jetzt habe ich einen Traum mehr.

Wer an drei Bundesliga-Spieltagen in Folge trifft, landet automatisch in den Schlagzeilen. Was ist das eigentlich für ein Gefühl, gehyped zu werden?

Es ist schon so, dass du dich dann mehr darüber aufregst, wenn du mal eine Hütte nicht gemacht hast, obwohl das eigentlich ein Tor hätte sein müssen. Oder wenn die Ballannahme mal nicht stimmt und du weißt, dass du es eigentlich besser kannst. Im Hype gehst du damit anders um.

kicker-Reporter Mario Krischel im Gespräch mit Phillip Tietz.

kicker-Reporter Mario Krischel im Gespräch mit Phillip Tietz.

Weil man weiß, dass mehr Augenpaare auf einen gerichtet sind?

Genau. Ich setze mich deswegen aber nicht mehr unter Druck, auch wenn das eben anders klang. Ich stehe vor dem Spiel nicht im Tunnel und sage mir: "Heute musst du das und das bringen, weil das und das passieren könnte." Ich blende das aus. Natürlich lief es zuletzt wieder nicht so gut für mich, weil ich die Spiele danach gar nicht mehr getroffen habe, aber das hatte nichts damit zu tun, dass ich mir selbst zu viel Druck gemacht habe. Das ist einfach die Torflaute, die Stürmer mal haben.

Sechs Spiele in Folge haben sie vor der Pause nicht mehr getroffen. Ist es besonders schlimm, wenn man von einem Extrem ins andere schlägt?

Gute Frage. Ich schlafe anders, schlechter. Meine Freundin erkennt es immer sofort, wenn es gerade gut läuft beim Fußball und wenn nicht. Ich bin zum Beispiel eigentlich ein Typ, der sehr farbenfrohe Sachen anzieht. Und wenn es mal nicht läuft, dann ziehe ich mir auch einfach mal nur eine graue Jogginghose und einen Hoodie an.

Das Trauer-Outfit quasi.

Richtig. Ich hatte solche Phase aber immer mal. Jetzt geht es einfach darum, dass ich das versuche zu minimieren, dass diese Flaute nicht mehr so lange dauert.

Haben Sie sich für die Rückrunde ein bestimmtes Ziel gesetzt, eine bestimmte Treffermarke?

Da ich so ein verbissener Typ bin, wäre es nicht sehr hilfreich, wenn ich mir ein bestimmtes Ziel vornehme und das dann nicht erreiche.

Dann nur noch Jogginghose und Hoodie?

Dann nur noch Jogginghose und Hoodie. Nein, Ziele setze ich mir nicht. Ich gehe in die Rückrunde und will alles raushauen. Ich kann trotzdem rennen und kämpfen für die Mannschaft. Die Tore kommen dann irgendwann wieder.

Mal angenommen, sie tun es nicht: Machen Sie sich Sorgen um Ihren Stammplatz?

Wie gesagt, Fußball ist ein Tagesgeschäft. Ein Stürmer ist in erster Linie dafür da, Tore zu erzielen. Das war bei mir zuletzt nicht mehr der Fall. Also wäre ich dem Trainer nicht böse, wenn er mich gegen Leverkusen zum Beispiel nicht spielen lässt. Natürlich wäre ich sauer, aber nicht sauer auf den Trainer. Dass ich jetzt aber in die Rückserie gehe und sage: "Ich werde gegen Leverkusen auf jeden Fall spielen." Das wäre der falsche Ansatz. Ich werde Gas geben, in jedem Training alles raushauen.

Aktuell sind es für den FCA nur sechs Punkte Rückstand auf einen Europacup-Startplatz. Was ist drin dieses Jahr? Kapitän Ermedin Demirovic hatte schon vor der Saison von der Conference League geträumt.

Ja, warum nicht? Wir sind eine starke Mannschaft, haben super Charaktere und sind ein eingeschworener Haufen. Das meine ich wirklich so, das ist eine richtig geile Truppe hier. Ich sage jetzt nicht, dass wir Conference League spielen wollen nächstes Jahr, aber ich sage es wie Demi: Warum dürfen wir uns nicht ambitioniertere Ziele setzen als zuletzt?

Wann war diese Saison eine erfolgreiche?

Wenn sich so wenig Spieler wie möglich verletzt haben; wenn wir nicht abgestiegen sind; wenn wir einen Tabellenplatz eingefahren haben, mit dem wir uns zufrieden stellen. Und wenn ich vielleicht noch ein oder zwei Tore schieße.

Und wenn Sie dann vielleicht mit zur Heim-EM fahren…

Und ich das Siegtor im Finale geschossen habe wie Mario Götze 2014. (lacht) Das können Sie so aufschreiben, jeder weiß hoffentlich, wie es gemeint ist.

Interview: Mario Krischel

Leistungsträger und Urgesteine: Diese Bundesliga-Verträge laufen 2024 aus