Bundesliga

Tage des Donners bei Hertha BSC

Windhorst stellt die Machtfrage - Konter des Präsidiums

Tage des Donners bei Hertha BSC

Herthas Investor Lars Windhorst.

Herthas Investor Lars Windhorst. City-Press via Getty Images

Fredi Bobic hat in dieser Woche auf den Punkt gebracht, worum es im Abstiegskampf vor allem geht: "Du musst dich zusammenraufen für die Situation und alles abseits des Fußballs ausblenden." Der Geschäftsführer adressierte diese Botschaft an die Mannschaft. Den Eindruck, den der Klub samt Investor in dieser Woche liefert, ist eher: Es geht um alles - außer Fußball. Es knirscht und knarzt nicht nur, es knallt. Der geräuschvolle Abgang von Sportdirektor Arne Friedrich war die Ouvertüre einer Woche, die es in sich hat. Ein Blick auf die Beteiligten:

Investor Lars Windhorst:

Andreas Fritzenkötter, der Sprecher von Lars Windhorsts Tennor-Holding, hatte am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur Sätze von maximaler Brisanz geliefert. "Im Mai ist die nächste Mitgliederversammlung", hatte Fritzenkötter gesagt. "Da wird sicher etwas passieren müssen. Wir haben nicht gedacht und waren überrascht, dass Hertha nach unserem Einstieg so die Türen zuschlägt." Das war ein vergleichsweise offen vorgetragener Angriff auf die Klub-Bosse, allen voran Präsident Werner Gegenbauer, den Windhorst seit langer Zeit als Hemmschuh für die Entwicklung des Klubs ausgemacht hat.

Am Mittwochabend konterte das Hertha-Präsidium mit einem auf der Klub-Website platzierten Statement: "Wir, die durch die Mitglieder gewählten Vertreter von Hertha BSC, haben mit großer Verwunderung die von einem Sprecher der Tennor Holding getätigten Äußerungen zur Kenntnis genommen. Zum einen halten wir diesen Weg über die Öffentlichkeit für nicht zielführend. Zum anderen wurden zum wiederholten Male unspezifische Vorwürfe und Unterstellungen getätigt. Diese beschädigen nicht nur das Ansehen von Hertha BSC, sondern auch das Investment seitens der Tennor Holding. Mit der Formulierung 'Im Mai ist die nächste Mitgliederversammlung. Da wird sicher etwas passieren müssen', ist zudem eine Grenze in Bezug auf die Autonomie des höchsten Vereinsgremiums überschritten worden. Wir appellieren nochmals im gemeinsamen Interesse von Hertha BSC, unterschiedliche Ansichten zukünftig intern anzusprechen und zu diskutieren."

Auslöser des neuerlichen Zoffs ist ein im Sommer 2020 gestartetes, von Tennor finanziertes und bereits vor Monaten gestopptes Filmprojekt. In der "Sport Bild" hatte Windhorst-Sprecher Fritzenkötter gesagt: "Wir haben das Projekt gestoppt, weil es weder den abgesprochenen Vorstellungen noch professionellen Ansprüchen entsprach. Es war ungeeignet für eine Veröffentlichung. Beispiel: In dem Video-Material äußert sich ein hochrangiges Mitglied der Hertha-Geschäftsleitung vor laufender Kamera in ehrabschneidender und herablassender Weise über Herrn Windhorst als Investor."

Hintergrund: Einige Sequenzen der Doku entstanden bei Hertha-Sitzungen, in denen es auch um ausbleibende beziehungsweise verspätet eingegangene Zahlungen von Windhorst ging, die nach Meinung der Klub-Bosse Herthas Handlungsspielraum speziell im Transfersommer 2020 entscheidend eingeengt haben. Tennor soll etwa eine Million in die Produktion gesteckt haben. Jetzt wird die Doku, die bei einem Streaminganbieter laufen sollte, allem Anschein nach nie erscheinen und sorgt für viel Zoff. Mit anderen Worten: Film-Riss in Berlin.

Präsident Werner Gegenbauer:

Ist seit Mai 2008 Präsident, war zuvor Vorsitzender des Aufsichtsrates. Als Windhorst - ohne Namen zu nennen - im Februar "Machterhalt und Klüngelei" im Verein geißelte, meinte er zuvorderst Gegenbauer. Der 71-jährige Unternehmer bekam bei seiner letzten Wiederwahl im Oktober 2020 nur noch 54 Prozent der Stimmen, er ist alles andere als unumstritten. Windhorst, der seit Sommer 2019 insgesamt 374 Millionen Euro in den Klub gepumpt hat, fühlte sich von Gegenbauer immer wieder düpiert und unbotmäßig behandelt. Gegenbauer, der in der aktuellen Krise seit Wochen nach außen annähernd unsichtbar ist, hat immer wieder - und gern auch etwas bestimmter - darauf hingewiesen, dass der Klub im operativen Geschäft das Sagen hat, nicht der Investor. In einem kicker-Interview im Oktober 2020 sagte Gegenbauer: "Ich bin nicht der ehrenamtliche Präsident des Investors, sondern der ehrenamtliche Präsident der Hertha-Mitglieder."

Geschäftsführer Fredi Bobic:

Fredi Bobic

Im Fokus: Fredi Bobic. IMAGO/Metodi Popow

Er ist - erst recht nach dem Ausscheiden von Klub-CEO Carsten Schmidt im Oktober und Sportdirektor Arne Friedrich in dieser Woche - der starke Mann im sportlichen Bereich. Ein Korrektiv gibt es nicht, Bobic hat sich mit Gefolgsleuten wie dem von ihm installierten Kaderplaner Dirk Dufner umgeben. Und er hat sich mit etlichen Personalien, die bislang eher nach hinten losgingen, angreifbar gemacht. Tabellenplatz 16 ist ebenso ein denkbar schlechtes Zeugnis für seine Einkaufspolitik wie sein am Dienstag vorgetragener Satz: "Es muss eine Mannschaft werden, so schnell wie möglich. Das sind wir gerade nicht." Der von ihm Ende November zur Überraschung der Branche als Pal-Dardai-Nachfolger geholte Tayfun Korkut hat mit neun Punkten aus zwölf Spielen Hertha bislang noch näher an den Abgrund geführt. Sein Scheitern wäre eine schwere Niederlage für Bobic.

Fredi Bobic

"Das hat uns erschrocken": Bobics Ansage an Korkut und die Mannschaft

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Trainer Tayfun Korkut:

Hat in dieser Woche die Tonlage verschärft und die Mannschaft im Training mit einem Wut-Stakkato zu packen versucht ("Glaubt ihr, so kommen wir hier raus? Glaubt ihr, so kommt ihr überhaupt aus irgendwas in eurem Leben raus?"). Die brüchige Defensive hat er bislang nicht befestigen können (31 Gegentore unter ihm), dafür hat die anfangs von ihm belebte Offensive zuletzt deutlich an Wucht und Zielstrebigkeit eingebüßt. Verliert er in Gladbach, wird Bobic nach Lage der Dinge die Reißleine ziehen. Bobics unmissverständliche Ansage: "Der Trainer und die Spieler wissen, dass wir am Wochenende punkten müssen. Das ist unausweichlich."

Die Mannschaft:

Sie wirkte gegen Frankfurt (1:4) maximal leblos und fahrig. In Gladbach soll der Turnaround gelingen. Oberstes Gebot: mehr Kompaktheit und mehr Kommunikation untereinander. Stammkeeper Alexander Schwolow (nach Coronavirus-Infektion) ist wieder fit, auch Akteure wie Niklas Stark, Ishak Belfodil und Santiago Ascacibar dürften in Korkuts Planungen fürs Wochenende eine größere Rolle spielen als gegen Frankfurt. Gladbach (51 Gegentore) gegen Hertha (58) - das klingt nach einem Tag der offenen Tür. Tage der offenen Worte - beziehungsweise des Krachs auf offener Bühne - hat Hertha schon die ganze Woche.

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Steffen Rohr