Bundesliga

Petersen im Interview: "Guirassy? Nicht nur eine Momentaufnahme"

Ex-Torjäger über die Bundesliga-Torflut - und was er an Boniface mag

Petersen im Interview: "Guirassys Leistungen sind nicht nur eine Momentaufnahme"

Verabschiedete sich als Profi: Freiburgs Nils Petersen.

Verabschiedete sich als Profi: Freiburgs Nils Petersen. IMAGO/Kessler-Sportfotografie

Nicht nur wegen des Spitzenwerts von 34 Jokertoren in der Bundesliga hat der langjährige Freiburger seinen Platz in der Bundesliga-Historie sicher. Insgesamt kommt er auf 89 Treffer in der Bundesliga und 60 in der 2. Liga, mit Cottbus in der 2. Liga 2010/11 (25 Tore) und mit dem DFB 2016 bei Olympia in Rio (6 Tore) sicherte er sich jeweils den Titel des Torschützenkönigs. Jetzt freut er sich, wenn er samstags die Konferenz schauen kann.

Herr Petersen, welcher Stürmer bereitet ihnen derzeit die meiste Freude?

Ganz klar Guirassy und Boniface. Guirassy einfach, weil es ein Unterschied ist, ob du für den FC Bayern oder den VfB Stuttgart 13 Tore erzielst. Die Kaderqualität ist eine andere und es fallen nicht so viele Bälle im Strafraum runter. Seine Quote ist einfach brutal. Vermutlich wird er die nicht halten können, nur eine Momentaufnahme sind seine Leistungen aber auch nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er in dieser Saison mal fünf Spiele am Stück nicht trifft. Bei Boniface ist es unglaublich stark, wie er sich engster Bewachung entzieht.

In der Chancenverwertung hinkt der Leverkusener noch hinterher.

Ich finde es beeindruckend, und das spricht definitiv für ihn, dass er das auch so selbstkritisch sagt. Er könnte sich als neuer Spieler in der Liga mit sieben Toren auch hinstellen und tönen: Schaut mal her. Aber er sagt: Da geht noch mehr.

Wenn Kane etwas egoistischer gespielt hätte, stünden schon mehr Tore auf dem Konto.

Nils Petersen

Das sind keine guten Nachrichten für die Verteidiger der Liga.

Hintergrund

Es ist so unglaublich schwer, diese beiden Stürmer aktuell zu verteidigen. Du darfst sie auch nicht auf Abstand halten, weil sie dir dann durch die Beine schießen. Es gibt gerade wenige Gegenmittel, da müssen sich die Verteidiger etwas einfallen lassen. Ich habe das Gefühl, die gegnerischen Trainer wollen und können ihren Verteidigern angesichts solcher Stürmer kaum Vorwürfe machen. Beide profitieren auch enorm von der Qualität der Vorlagengeber, ob das Führich in Stuttgart ist oder Hofmann und Wirtz in Leverkusen.

Können die beiden dem Topfavoriten Harry Kane die kicker-Torjägerkanone streitig machen?

Ich denke, dass Kane die Kanone am Ende holen wird. Ihm traue ich 30 Tore und mehr zu. Wenn er etwas egoistischer gespielt hätte, stünden auch schon mehr Tore auf dem Konto. Aber er nimmt das aktuelle Spiel der Bayern an. Das 3:0 gegen Freiburg steht sinnbildlich. Kane machte kein Tor, drückte dem Spiel aber trotzdem seinen Stempel auf, weil er Räume reißt und Situationen vorbereitet. Ich bin gespannt, wie es läuft, wenn der FC Bayern so richtig ins Rollen kommt.

Was verändert sich konkret im Ablauf von Stürmern, wenn sie einen solchen Lauf haben?

In erster Linie gibt es dir eine wahnsinnige Selbstverständlichkeit. Selbst wenn du die ersten 30 Minuten keinen Ball bekommen hast, vertraust du dir. Dieses Gefühl kannst du dir nicht kaufen. Das strahlst du auch auf den Gegner, das Publikum und die Mitspieler aus. Jeder denkt: Der ist heute noch gut für ein Tor.

In welchen Phase ihrer Karriere hatten sie dieses Gefühl bei sich am häufigsten?

Schon in den Zweitligajahren mit Cottbus und Freiburg. Da hatte ich ein unheimliches Selbstbewusstsein - auch weil ich wusste, ich bin ein Stückweit gesetzt und nicht direkt raus, wenn ich mal zwei Chancen versiebe. Genauso wusste ich, dass ich nach 89 unauffälligen Minuten irgendwie noch einen über die Linie drücken kann, weil die Mannschaft die Qualität hatte, mich immer wieder in gute Situationen zu bringen.

Ein Konkurrenzkampf im Hinterkopf kann also auch belastend sein?

Bei mir war es so. Wenn du eine Torlos-Phase hast, geht das Grübeln los, dann schaust du raus und fragst dich: Werde ich heute ausgewechselt? In Leverkusen bin ich gespannt, wie Boniface damit umgeht, wenn ihm Patrick Schick jetzt wieder im Nacken sitzt. Bei Kane und Guirassy ist das etwas anders. Wenn du Guirassy aus dem Spiel nimmst, nimmst du dem VfB ein großes Stück seiner Stärke.

Ich schaue auch Union Berlin in dieser Saison gerne.

Nils Petersen

Die Liga ist spannend, ausgeglichener und die Spiele sind torreich. Macht es die Bundesliga damit so interessant wie lange nicht mehr?

Natürlich. Ganz ehrlich: Ich freue mich, wenn der SC zu Hause spielt und ich ins Stadion gehen kann. Ich bin aber auch nicht böse, wenn sie sonntags oder Auswärts spielen und ich die Konferenz schauen kann. Es macht gerade echt Spaß. Leverkusen schaue ich mit am liebsten, weil die Entwicklung dort unheimlich spannend ist. Das hat Hand und Fuß. Xabi Alonso versprüht eine unglaubliche Aura, einen Respekt. Du spürst eine Ernsthaftigkeit in dieser Mannschaft. Das Xhaka und Hofmann gut sind, wissen wir alle. Das alles so gut ineinandergreift und sie sogar ein Titelaspirant sind, habe ich aber nicht kommen sehen. Auch die Dreierkette, die mit Kossounou, Tah und Tabsoba unverändert ist, habe ich noch nie so stabil erlebt. Da profitieren sie auch davon, dass sie jeden Tag im Training vor Probleme gestellt werden. Ich schaue aber auch Union Berlin in dieser Saison gerne ...

... das müssen Sie in diesem Zusammenhang erklären.

Es ist einfach mal was anderes und spannend zu sehen, dass die Gegner in dieser Saison Mittel gefunden haben, um sie Union entgegenzustellen.

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