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Ohne "Monster" und ohne Mastermind: Schwingt Napoli weiterhin den Zauberstab?

Der amtierende Meister im Check vor dem Serie-A-Start

Ohne "Monster" und ohne Mastermind: Schwingt Napoli weiterhin den Zauberstab?

Blieb den Neapolitanern erhalten: Torgarant und Serie-A-Torschützenkönig Victor Osimhen.

Blieb den Neapolitanern erhalten: Torgarant und Serie-A-Torschützenkönig Victor Osimhen. IMAGO/Fotoagenzia

Wie ist die Stimmung?

90 Punkte, nur vier Niederlagen - und das Wichtigste: der langersehnte dritte Scudetto nach den glorreichen Jahren mit Legende Diego Armando Maradona (1986/87, 1989/90). Die Società Sportiva Calcio Napoli war in der abgelaufenene Serie-A-Saison das Maß aller italienischen Dinge. Kein Team spielte so konstant, kein Team schoss mehr Tore (77), kein Team kassierte weniger Gegentreffer (28), kein Team kombinierte oder zauberte so schön. Der verdiente Lohn war eben der ausgiebig gefeierte Meistertitel nach 33 Jahren Wartezeit.

Alles Friede, Freude, Eierkuchen also? Nicht ganz: Zwar streben die Partenopei offen die Verteidigung des Scudettos an, mussten in der jüngsten Zeit aber so einiges neu denken und mit Anfragen vor allem aus Saudi-Arabien klarkommen. Einige Fragezeichen exisitieren also.

Was kann der Kader?

Zunächst einmal das Wichtigste: Große Stars der erfolgreichen Meisterkampagne sind geblieben - darunter allen voran Victor Osimhen (24). Der Ex-Wolfsburger, der auch mit einem Wechsel zum FC Bayern in Verbindung gebracht worden war, wurde jüngst vor allem aus Saudi-Arabien gelockt. Für eine Million Euro Gehalt - pro Woche. Doch der amtierende Capocannoniere (26 Treffer in 32 Ligaspielen) ist geblieben und soll alsbald seinen bis 2025 laufenden Vertrag verlängern - mit verankerter Klausel für einen künftigen Europa-Transfer (zwischen 110 und 150 Millionen Euro) und einer für einen künftigen Saudi-Arabien (mindestens das Doppelte dem Vernehmen nach).

Den für die sportlichen Ambitionen des Klubs extrem wichtigen Verbleib samt anstehender Vertragsverlängerung des Torjägers hatte zuletzt auch Vereinsboss Aurelio de Laurentiis bei "Sky Sport Italia" bestätigt: "Osimhen bleibt. Wohin sollte er gehen?"

Darüber hinaus blieb auch "die georgische Zaubermaus" oder "die anarchistische Brise mit Instinkt" namens Khvicha Kvaratskhelia (24). Der Georgier mit dem Spitznamen "Kvaradona" trug mit zwölf Toren und 13 Vorlagen wie Osimhen maßgeblich zum großen Erfolg bei.

Doch nicht nur das: Gestandene Recken wie Mario Rui (32) oder Kapitän Giovanni di Lorenzo (30), Passmaschine Stanislav Lobotka (28), Mittelfeldmotor André-Frank Zambo Anguissa (27) oder auch Rotationsspieler wie Matteo Politano (30) wurden gehalten. Viel eingekauft wurde derweil nicht abgesehen von Stade Rennes'  Mittelfeldmann Jens Cajuste (24) oder Brasiliens Abwehrtalent Natan (22). Es wurden dafür aber die bereits geliehenen Stürmer Giacomo Raspadori (23) und Giovanni Simeone (28) final gesichert. Das alles zeigt: Das Napoli-Konstrukt blieb insgesamt erhalten, der zuletzt außerordentlich erfolgreich praktizierte Fußball kann also weitergeführt werden. Oder?

Wie lautet das Ziel?

Klar ist: Mindestens die Champions-League-Qualifikation ist gegen natürlich wieder starke Konkurrenz aus Mailand (Milan, Inter) oder eventuell auch wieder Rekordmeister Juventus das Ziel. Insgeheim möchte man aber sicherlich den Scudetto verteidigen.

Zwei Verluste könnten diesem Unterfangen allerdings im Wege stehen: So verloren die Süditaliener nicht nur "Monster" Min-Jae Kim (26) für 50 Millionen Euro. Auch Meistermacher Luciano Spalletti (64) trat mit dem Wunsch nach einem Sabbatjahr sowie mit frischem Tattoo überraschend ab - und könnte nach dem Rücktritt von Roberto Mancini (58) doch bald italienischer Nationaltrainer werden.

Was sagt der Trainer?

Rudi Garcia

Der neue Napoli-Coach - und direkt nach dem Abtritt von Meistermacher Luciano Spalletti: Rudi Garcia. IMAGO/Fotoagenzia

Es hängt also viel damit zusammen, wie das insgesamt zusammengebliebene Napoli den Verlust von Verteidigungsmaschine und Aufbaukönner Kim verkraftet - und wie sich das Fußballkonzept eine Saison später hält. Denn die Gegner werden inzwischen besser Bescheid wissen, was eventuell gegen diese spritzigen und ideenreichen Partenopei zu tun ist. Kann es also sein, dass der neue Trainer Rudi Garcia einiges neu denkt? Möglich. Klar ist: Auch der 59-Jährige - gekommen von Cristiano Ronaldos Klub Al-Nassr und zuvor etwa bei Olympique Marseille oder der Roma aktiv - versprüht ebenfalls offensiven Zeitgeist. So wie es zu Neapel und dem aktuellen Team passt.

Wie genau sich der amtierende Meister als stets Gejagter aber präsentieren wird, muss sich ab dem Serie-A-Saisonstart zeigen. Coach Garcia ist vorfreudig - und geht die Sache selbstbewusst an: "Ich bin motiviert und ehrgeizig." Es sei ihm pure Freude, nach Italien zurückzukehren und das von Spalletti gestartete Projekt zu übernehmen sowie weiterzuführen: "Ich wurde herzlich empfangen, ich danke den Fans. Sobald ich in der Stadt ankam, sah ich Fahnen und Banner vom Scudetto - und ich muss sagen, es war wunderschön. Man sieht, dass man hier Fußball redet, isst und lebt. Das gefällt mir sehr." Er weiß aber auch: "Es wird kompliziert." Der Druck wird hoch sein - auf das Team und speziell auf den neuen Trainer, der von den gewohnt kritischen Fans und Boss de Laurentiis genau beobachtet werden wird.

mag

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