2. Bundesliga

Strafbefehle gegen Mitarbeiter des Fanprojekts Karlsruhe

"Bedrohung der Sozialen Arbeit insgesamt"

Nach Aussageverweigerung: Strafbefehle gegen Mitarbeiter des Fanprojekts Karlsruhe

Der Rechtsstreit zwischen der Staatsanwaltschaft und den Mitarbeitern des Fanprojekts Karlsruhe sorgte bundesweit für Aufsehen.

Der Rechtsstreit zwischen der Staatsanwaltschaft und den Mitarbeitern des Fanprojekts Karlsruhe sorgte bundesweit für Aufsehen. IMAGO/Lobeca

Die Strafbefehle machte das "Bündnis für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit" (BfZ) am Freitag öffentlich. In einer Pressemitteilung heißt es, die betroffenen Personen hätten "Strafbefehle wegen Strafvereitelung in Höhe von jeweils 120 Tagessätzen à 60 Euro" erhalten.

Hintergrund ist die Aussageverweigerung der Mitarbeitenden des Fanprojekts bei Ermittlungen der örtlichen Polizei. Im November 2022 kam es bei einer Choreografie mit Pyrotechnik anlässlich des Geburtstags einer Fan-Gruppierung des KSC zu einer dichten Rauchentwicklung, durch die zehn Personen verletzt wurden.

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Im Rahmen ihrer Ermittlungen erfuhr die Polizei von einer vom Fanprojekt organisierten Aussprache zwischen der Fanszene und den Betroffenen. Die Mitarbeiter des Fanprojekts wurden als Zeugen vorgeladen, verweigerten mit Verweis auf die Vertraulichkeit ihrer Arbeit aber die Aussage.

"Für uns stand von Anfang an fest, dass wir nicht aussagen werden, das geht nicht", erklärte Sophia Gerschel, Sozialarbeiterin und zugleich Vertreterin der BAG Fanprojekte, im vergangenen Oktober im kicker. "Ein vertrauliches Gespräch in unseren Räumlichkeiten kann nicht für die Strafverfolgung genutzt werden."

Mögliche Schließung des Fanprojekts eine "realistische Folge"

Die drei betroffenen Mitarbeiter verweigerten bis zuletzt trotz eines Ordnungsgeldes die Aussage. "Der Zugriff auf diese sensiblen Informationen durch die Staatsanwaltschaft war für die Fanprojektler und Fanprojektlerinnen keine Option, eine mögliche Schließung des Fanprojekts aufgrund von Vertrauensverlust eine realistische Folge", heißt es nun in dem Statement des BfZ.

Zur angedrohten Beantragung von Beugehaft kam es durch die Staatsanwaltschaft nicht, dafür nun aber zu den Strafbefehlen wegen Strafvereitelung, wodurch die Mitarbeiter vorbestraft wären - das BfZ spricht von "Strafen in einer völlig verheerenden Dimension" und einem "massiven Eingriff in die Profession und Berufspraxis der Sozialen Arbeit".

Denn das Bündnis befürchtet durch den möglichen Präzedenzfall eine "eklatante Bedrohung der Sozialen Arbeit insgesamt", wie Georg Grohmann, Sprecher des BfZ, in dem Statement zitiert wird. Der Fall sorgte bereits über Karlsruhe hinaus für große Unsicherheit bei Fanprojekten, die das Vertrauensverhältnis zu den meist jungen Menschen gefährdet sehen.

Kein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit

Zwar unterliegen Sozialarbeiter und Sozialpädagogen nach Paragraf 203 des Strafgesetzbuchs der strafrechtlichen Schweigepflicht, zudem gilt für sie das Sozialgeheimnis, das laut des Münchner Juristen Marco Noli aus der AG Fananwälte bei sozialpädagogischer Tätigkeit zwischen den Betroffenen und den Sozialpädagogen eine Pflicht zur Verschwiegenheit und Geheimhaltung besagt. Ein Zeugnisverweigerungsrecht gibt es aber nicht.

Genau das fordert das BfZ, Grohmann erklärte dazu: "Die Bundesregierung muss endlich aufwachen und ihr Desinteresse an dieser Thematik beenden, soll Soziale Arbeit weiterhin für die Gesellschaft wirksam sein." Das Bündnis sicherte zudem den betroffenen Kollegen des Fanprojekts in Karlsruhe Unterstützung zu.

Für die Einführung eines Zeugnisverweigerungsrechts in der Sozialen Arbeit machte sich kurz nach Veröffentlichung des Statements des BfZ auch Philip Krämer, Bundestagsabgeordneter der Grünen und stellvertretender Vorsitzender des Sportausschusses, stark. "Das Fehlen [eines] besonderen Vertrauensverhältnisses wie aktuell durch den Erlass von Strafbefehlen wegen Strafvereitelung gegen Fanprojektmitarbeitende in Karlsruhe macht ein kooperatives Miteinander auf Augenhöhe unmöglich", kritisierte Krämer in einer Stellungnahme. "Nachhaltige pädagogische Sozialarbeit benötigt daher endlich ein Zeugnisverweigerungsrecht."

pja