Bundesliga

Korkuts K.-o. bei Hertha: Diese Zäsur kommt zu spät

Kommentar zum Hertha-Trainerwechsel

Korkuts K.-o.: Diese Zäsur kommt zu spät

Der falsche Mann am falschen Ort: Tayfun Korkut.

Der falsche Mann am falschen Ort: Tayfun Korkut. IMAGO/Norbert Schmidt

Ein weiteres, ein letztes Mal warf Tayfun Korkut viel, sehr viel über den Haufen. Er erneuerte am Samstagabend in Mönchengladbach seine Startelf im Vergleich zur Vorwoche auf sechs Positionen und verordnete seiner hochgradig verunsicherten Mannschaft mit einem 3-5-2 abermals eine neue taktische Grundordnung. Zwei Mittelstürmer bot er auf, die in der Luft hingen, weil sich dahinter achteinhalb, eher neun hauptsächlich defensiv veranlagte Kräfte versammelten. Das fußballerische und offensive Know-how, das Suat Serdar, Jurgen Ekkelenkamp oder Marco Richter in sich tragen, ließ Korkut bei der Startelf-Nominierung brach liegen. Es war Vollgas im Rückwärtsgang - und ein Akt größtmöglicher Halbherzigkeit.

Von einer Mannschaft, die in den ersten Wochen unter Korkut ihre Mitte gefunden zu haben glaubte, war am Ende nur noch ein Fragment übrig. Korkut hat Kapitän Dedryck Boyata und den bisherigen Stammkeeper Alexander Schwolow demontiert, seinen nominell besten Mittelfeldspieler Serdar zur Teilzeitkraft degradiert und mit seinem taktischen und personellen Zick-Zack-Kurs seit Wochen den eigenen Profis mehr Fragen aufgegeben als dem Gegner.

Diese Mannschaft hat ihren Trainer - mit jeder Woche mehr - nicht mehr angenommen, sondern nur noch hingenommen. Dass Geschäftsführer Fredi Bobic vor Wochenfrist dem Team ohne Korkuts Beisein ins Gewissen redete, öffentlich ein Punkte-Ultimatum verkündete und die Abkehr von Korkuts offensiv akzentuierter Spielidee zur Geschäftsgrundlage für das wichtige Spiel in Gladbach erhob, hat Korkut nicht geholfen. Sich selbst half Korkut aber auch immer weniger. Er war, das bleibt nach neun Punkten aus 13 Liga-Spielen als Bilanz, der falsche Mann am falschen Ort. Er hat die Krise nicht entschärft, sondern verstärkt.

Hertha hat Korkut eine ganze Menge zugemutet

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Aber er ist mitnichten nur an sich gescheitert, sondern auch an höchst komplizierten Umständen. Korkut hat nie lamentiert: nicht beim Corona-Ausbruch im Februar; nicht beim auf offener Bühne ausgetragenen Zerwürfnis zwischen Investor Lars Windhorst und dem Klub; nicht bei der wachsenden Entfremdung zwischen Bobic und Sportdirektor Arne Friedrich, der vor sechs Tagen hinwarf; nicht mit Blick auf den Kader, der ihm ebenso wenig einen tauglichen Linksaußen bot wie einen Rechtsverteidiger von Format oder einen Ersatz für den im Januar nach Florenz verliehenen Mittelstürmer Krzysztof Piatek. Piatek, das nur am Rande, wurde nach vier Toren in fünf Spielen von seinem neuen Klub zum Spieler des Monats Februar gekürt.

Womöglich hat Hertha gar nicht die falschen Spieler geholt. Womöglich war dieser Klub in seinem ewigen Kreislauf aus Selbstdemontage und Neuanfang auch nur die falsche Adresse für Piatek und andere. Die Trennung von Korkut war alternativlos, sie kommt nicht einen einzigen Tag zu früh. Seine Mission ist gescheitert, aber klar ist auch: Hertha BSC hat ihm eine ganze Menge zugemutet.

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