Bundesliga

Gegen alle Zweifel: Wie Schultz dem 1. FC Köln wieder Hoffnung macht

Der Coach handelt knallhart und hofft auf eine Zukunft am Rhein

Gegen alle Zweifel: Wie Schultz dem 1. FC Köln wieder Hoffnung macht

Erfolgreich: Timo Schultz verdoppelte den Punkteschnitt seit seinem Amtsantritt.

Erfolgreich: Timo Schultz verdoppelte den Punkteschnitt seit seinem Amtsantritt. picture alliance/dpa

Am Veilchendienstag dachte Timo Schultz schon, er hätte es überstanden. Den Tag zuvor hatte er die meiste Zeit oben auch dem Karnevalswagen des 1. FC Köln zugebracht und war stundenlang Teil des Rosenmontagszuges gewesen. "Eine Wahnsinnserfahrung" nannte der 46-Jährige das Erlebnis, das auch nur wenige Kölner einmal im Leben durchmachen dürfen. Nun schien sich alles zu beruhigen: dienstags ziehen traditionell noch viele kleinere Umzüge durch die Stadtviertel. Aber der große Bohei ist oft vorüber.

Das führte auch den Karnevals-Newbie Schultz in die Irre. "Ich hab eigentlich gedacht, es ist zu Ende", schilderte der Trainer des Effzeh und beschrieb dann den Irrtum: "Aber dann sitze ich bei mir in der Wohnung und höre unten wieder alle schreien und gröhlen. Da ist irgendeine Puppe, ein Nubbel verbrannt worden für all die Sünden." Karneval ist eben erst am Aschermittwoch vorbei, und so nutzte Schultz die Gelegenheit: "Da habe ich direkt auch noch ein paar Sünden mit draufgeworfen."

Ein Klub, der am Boden war

Welche das gewesen sein könnten bleibt sein Geheimnis, sie müssen aber eher privater Natur gewesen sein. Denn sportlich hat sich Schultz in seinem Amtsantritt vor sechs Wochen nichts zu schulden kommen lassen. Der Ostfriese, in diesem Jahr zum ersten Mal so richtig in Kontakt mit dem jecken Wahnsinn gekommen, hatte die Geißböcke übernommen, nachdem sie so hart wie nur möglich zu Boden geworfen worden waren.

Trainer Timo Schultz und Stürmer Davie Selke (dahinter) fuhren auf dem Wagen des Klubs beim Kölner Rosenmontagszug mit.

Trainer Timo Schultz und Stürmer Davie Selke (dahinter) fuhren auf dem Wagen des Klubs beim Kölner Rosenmontagszug mit. picture alliance/dpa

Die Bestätigung der Transfersperre bis zum Januar 2025 sowie die Trennung von Trainer Steffen Baumgart nach zweieinhalb Jahren hatte die Domstadt in ein Loch gestürzt. Mit elf Punkten nach 17 Spielen und dem Vorletzten Tabellenplatz war Anfang des Jahres zwar nicht alles verloren. Aber die Auftritte zuletzt unter Baumgart hatten Schlimmes ahnen lassen. Der von Sport-Geschäftsführer Christian Keller zusammengestellte Kader - so war die vorherrschende Meinung - war untauglich für die Bundesliga.

Und dann kam da Schultz, der den Kölner Volkshelden Baumgart ersetzen musste. Den FC St. Pauli hatte Schultz in der 2. Liga vor dem Abstieg gerettet und war dann Fünfter geworden. Im Sommer 2023 war er aber nach nicht einmal drei Monaten während eines laufenden Komplettumbruchs beim FC Basel in der Schweiz wieder rausgeworfen worden.

Schultz begleiteten Zweifel, nach zwei Wochen dauernder Trainersuche haftete ihm außerdem das Etikett an, nur Kellers Plan B oder C gewesen zu sein. Doch der Geschäftsführer blieb ruhig. "Er hat die Überzeugung, dass es mit dieser Mannschaft in diesem Setting möglich ist, den Bundesligaerhalt zu sichern", sagte Keller über den neuen Mann.

Schultz lebt die Überzeugung vor

Das lebt Schultz seitdem vor - mit Erfolg. Der Punkteschnitt verdoppelte sich im Vergleich zu den 17 Partien unter Baumgart von 0,64 auf 1,2. Drei Remis, ein Sieg und nur eine Niederlage beim 0:4 gegen Borussia Dortmund machen nicht nur dem Umfeld Hoffnung, sondern lassen auch die Profis spürbar anders auftreten. "Mir ist es am Ende egal, gegen wen wir gewinnen", hatte Schultz vor dem 2:0-Sieg gegen Eintracht Frankfurt selbstbewusst-trotzig gesagt. Und durfte promt seinen ersten Sieg mit dem FC bejubeln.

Über Vorgänger Baumgart verlor Schultz kein schlechtes Wort, macht aber dennoch vieles anders. Die beiden Trainingseinheiten vor den Ligaspielen sind inzwischen nicht mehr öffentlich, bei den Pressekonferenzen sitzt nun auch der Leiter Lizenzspieler Thomas Kessler mit dabei. Vor allem aber stabilisierte Schultz das Team sportlich: Von Baumgarts Hurra-Ansatz, der mit Pressing aggressivster Ausprägung den 1. FC einst nach Europa geführt hatte, ist nur noch wenig übrig geblieben. Köln tritt zurückhaltend auf, spielt abwartender und lebt, was Schultz fordert: "Die Null muss stehen." Ganz so, wie man es von einem Klub im Abstiegskampf erwarten würde.

Unter Baumgart nur selten oder gar nicht gefragte Akteure wie Denis Huseinbasic, Faride Alidou, Benno Schmitz sind inzwischen wieder wichtige Teile des Teams. Die Optionen werden dadurchzahlreicher, der Konkurrenzkampf steigt. Und das befügelt. Linton Maina etwa war unumstritten, Schultz aber setzte ihn zuletzt dreimal auf die Bank. Was der flinke Linksaußen mit Leistung beantwortete: Beim 1:1 zuletzt gegen Hoffenheim holte er engagiert den Freistoß vor dem Führungstreffer heraus.

Manchen Spieler lässt er knallhart außen vor

Andere dagegen lässt Schultz knallhart außen vor, wenn er keinen sportlichen Mehrwert sieht. Ohne den gerade erst wieder ins Training eingestiegenen Davie Selke veränderte Schultz lieber das Spielsystem, reduzierte die Flankenanzahl und stellte Jan Thielmann ins Sturmzentrum. Steffen Tigges und Florian Dietz, einst die Stürmer Nummer 2 und 3 im Kader, wechseln sich damit ab nicht zum Kader zu gehören. Umgekehrt rückte dafür der zuvor in Ungnade gefallene Sargis Adamyan wieder näher ans Team.

Die kommenden Kölner Aufgaben

Und Max Finkgräfe, der Shootingstar schlechthin auf der Linksverteidiger-Position, genießt das Vertrauen des Coaches. Wobei Baumgart in der Causa viele Kritiker Unrecht tun: Der Ex-Coach war ein großer Treiber dabei, den 19-Jährigen zu den Profis hochzuziehen, Finkgräfe selbst ist mit seinem Entwicklungstempo zufrieden. Und profitiert womöglich auch ein wenig davon, sich in einer Phase der Stabilität als Stammkraft etabliert zu haben - und nicht etwa im Abwärtstrudel reingeworfen worden zu sein.

Bei den Fans kommt diese Mischung aus dosierter Unterhaltsamkeit und bierernster Arbeitsmentalität an. Schultz' öffentliche Auftritte sind keine Dampfplauder-Schlagzeilen-Events mehr wie noch oft unter Baumgart, aber auch nicht so langweilig wie oftmals anderswo im Fußball. Dass er am Karneval ehrlichen Spaß hatte kauft man ihm ab, aber viel wichtiger war, dass Schultz parallel dazu die Partybremse zog. "Wir haben die Zeit sportlich gut genutzt. Das würde auch nächstes Jahr so bleiben", betont er.

Im Angriff darf es gern ein wenig mehr sein

Eine Aussage mit Weitblick. Denn Schultz' Vertrag gilt vorerst bis zum Sommer. "Ich bin bestimmt kein typischer Feuerwehrmann", hatte Schultz bei seiner Vorstellung gesagt. Genau das sahen aber viele Kölner in ihm. Und bislang jedenfalls agierte Schultz auch mehr als Stabilisator denn als Entwickler. Der Defensiv-Ansatz sorgt zwar für Punkte, aber ob so eine zurückhaltende Spielweise dauerhaft auf Gegenliebe im Rheinland stößt, muss er erst noch beweisen. Zumal Baumgart seinen Offensiv-Ansatz ja dem gesamten Verein von der F-Jugend bis hin zu den Frauen aufdrücken wollte.

Die Probleme im Angriff hin oder her: Mit einem Erfolg gegen Werder Bremen am Freistagabend (20.30 Uhr, LIVE! bei kicker) könnte sich Schultz im Tabellenkeller gleich den nächsten Bigpoint sichern - und einen weiteren Schritt in Richtung eines dauerhaften Engagements in Köln machen. Dann könnte er bald noch einmal hoch oben vom Karnevalswagen grüßen - idealerweise aber etwas gelassener. "Es war eine interessante Zeit", sagte Schultz, aber "ich hatte wenig Zeit das zu genießen. Vielleicht bin ich nächstes Jahr ein alter Hase mit Karnevalserfahrung." Dafür allerdings müssen noch einige Erfolge eingefahren werden.

Jim Decker

1. FC Köln Pressekonferenz; 14.02.2024 Timo Schultz (Trainer 1. FC Köln) Pressekonferenz 1. FC Köln; Geissbockheim, 14.02.2024 *** 1 FC Köln Press Conference 14 02 2024 Timo Schultz Coach 1 FC Köln Press Conference 1 FC Köln Geissbockheim, 14 02 2024 Copyright: xBEAUTIFULxSPORTS Wunderlx

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