2. Bundesliga

Dudziak: "Ich habe mein Karma gut aufgeladen"

Herthas Allrounder über sein Comeback, seine Zukunft und das Jahr 2023

Dudziak: "Ich habe mein Karma gut aufgeladen"

Arbeitet an seinem Comeback: Jeremy Dudziak.

Arbeitet an seinem Comeback: Jeremy Dudziak. IMAGO/Matthias Koch

Das Testspiel gegen KV Mechelen (0:3) am Mittwoch kam zu früh für ihn. Jeremy Dudziak ist im Hertha-Trainingslager im spanischen La Manga dabei, er macht viele Übungsformen mit, aber Zweikämpfe meidet er nach seinem Ende September erlittenen Mittelfußbruch noch. "Jerry", sagt Coach Pal Dardai, "trainiert noch mit Welpenschutz. Er macht einen guten Eindruck, aber am Ende entscheidet der Spieler selbst. Er muss den Mut und das Selbstvertrauen haben, um grünes Licht zu geben." Dudziak, der noch nicht schmerzfrei ist, bewertet die Situation jeden Tag neu. Er will möglichst bald wieder spielen, aber zu früh zu viel riskieren will er nicht.

Trotz des viermonatigen Ausfalls hat sich die im Sommer eingegangene Beziehung zwischen dem Mann, der einst von der U15 bis zur U21 alle deutschen U-Nationalmannschaften durchlief, und Absteiger Hertha BSC als Win-Win-Situation herausgestellt. In Dudziak bekam Hertha einen spielstarken Allrounder mit viel Erfahrung - und der einst bei Borussia Dortmund ausgebildete Dudziak brachte seine ins Stocken geratene Karriere in der Hauptstadt wieder in Schwung.

Dudziak eine "Riesenoption" auf der Sechs

Für ein Jahr unterschrieb er bei Hertha. Nach kicker-Informationen verlängert sich der Kontrakt im Fall eines Aufstiegs automatisch bis 2025, dann würde eine Ablöse an Ex-Klub Fürth fällig. Die Berliner verpflichteten ihn als Linksverteidiger, inzwischen hält ihn Trainer Dardai im Mittelfeld für wertvoller - erst recht im 3-5-2, das der Ungar aktuell einstudieren lässt. "Er ist bei diesem System im Zentrum für die Sechser-Position eine Riesenoption", sagt Dardai, "dort hat er seine Stärke. Er ist ein cleverer Fußballer."

Hamburger erlebt Tragödie in der Türkei

Einer, der 2023 viel durchgemacht hat - und froh ist, dass ein neues Jahr begonnen hat. Als die südöstliche Türkei in der Nacht des 6. Februar 2023 von einer Katastrophe heimgesucht wurde, war Dudziak mittendrin. Kurz zuvor war der gebürtige Hamburger auf Leihbasis von Greuther Fürth zum Süper-Lig-Klub Hatayspor gewechselt. Drei Einsätze absolvierte Dudziak für den neuen Klub, dann erschütterte ein gewaltiges Erdbeben die türkisch-syrische Grenzregion, in der Hatayspor - ein Klub aus der Stadt Antakya - zu Hause ist.

Der Verein zog sich daraufhin aus der Süper-Lig-Saison 2022/23 zurück, die Türkei und Syrien beklagten insgesamt fast 60 000 Todesopfer. "Menschen sind gestorben, die ich sehr gut kannte", sagte Dudziak Monate später. "Es war für keinen einfach, der dabei war, und für keinen einfach, der da lebt. Ich hatte das große Glück, dass ich überlebt habe, dass ich schnellstmöglich rauskam und mich meine Familie unterstützt hat." Nach dieser Zäsur habe er "Zeit gebraucht für mich". Jetzt sprach Dudziak mit dem kicker über…

…seine aktuelle Verfassung: "Ich bin körperlich ziemlich weit und fühle mich im Grunde fit. Das Einzige, was mich momentan noch etwas bremst, sind Schmerzen im rechten Fuß. Deshalb habe ich noch den 'Welpenschutz' des Trainers."

…den Zeitpunkt des Einstiegs in die volle Trainingsbelastung inklusive Zweikämpfen: "Wir bewerten die Situation jeden Tag neu. Wenn ich das Go gebe, ist der 'Welpenschutz' vorbei."

…ein mögliches Comeback im Testspiel gegen die Glasgow Rangers am Samstag: "Das entscheiden der Doc, die Trainer und ich gemeinsam. Ob es dazu kommt, kann ich jetzt noch nicht sagen."

…Geduld während seiner Verletzungspause: "Nach vier Monaten wird man langsam ungeduldig. Aber ich habe schon einige Verletzungen in meiner Karriere hinter mir und kenne das Procedere. Deswegen konzentriere ich mich darauf, komplett fit zu werden, damit danach nicht irgendwelche Kleinigkeiten auftauchen."

Persönlich gefällt mir die Rolle im Mittelfeld mehr, weil man da mehr Einfluss aufs Spiel nehmen kann.

Jeremy Dudziak

…die Rolle, in der er dem Team am meisten geben kann: "Ich bin gelernter Linksverteidiger, aber fühle mich auch im Zentrum sehr wohl. Die Jahre davor habe ich im Zentrum gespielt. Nachdem ich in dieser Saison wieder Linksverteidiger gespielt habe, muss ich ehrlich sagen: Ich fühle mich mit dem Rücken zum Spiel wohler, als wenn ich das Spiel vor mir habe. Persönlich gefällt mir die Rolle im Mittelfeld mehr, weil man da mehr Einfluss aufs Spiel nehmen kann. Aber ich kann mehrere Positionen spielen und stelle mich in den Dienst der Mannschaft. Ich erfülle meinen Job dort, wo ich aufgestellt werde."

…die Dreier- bzw. Fünferkette: "Für die Variante mit Viererkette und zwei klaren Flügelspielern brauchst du starke Außenspieler. In unserer aktuellen Situation ist die Fünferkette ganz gut, weil wir auch von den Spielern her so aufgestellt sind, dass ein kompaktes Zentrum gut ist mit schnellem Spiel über außen nach vorn und mit Flanken. Wir haben meistens zwei große Stürmer und sind in der Box sehr gut besetzt. Ich glaube, dass uns das neue System sehr gut helfen kann."

…seine Eignung als linker Schienenspieler in einem 3-5-2: "Wenn ich keinen Spieler vor mir habe, muss ich mehr nach vorn machen. Ich glaube, das tut mir auch ganz gut. Ich hatte in meinen Spielen meistens Fabi Reese vor mir. Dem habe ich dann den Ball gegeben, und er hat gemacht - deshalb hatte ich nicht so viele Offensivaktionen (lacht)."

Dudziak bemängelt die Konstanz

…Herthas Defizite in der Hinrunde und die Aussichten für die Rückrunde: "Konstant zu gewinnen, hat bei uns gefehlt. Wenn wir das in der Rückrunde umsetzen können, haben wir sehr gute Chancen, um oben mitzuspielen. In der 2. Liga ist viel tagesformabhängig. Die direkten Duelle werden wichtig sein. Verstecken brauchen wir uns vor niemandem."

Dinge, über die man sich vorher aufgeregt hat, erscheinen einem plötzlich nicht mehr so wichtig.

Jeremy Dudziak

…das für ihn sehr bewegte Jahr 2023: "Ich habe in 2023 mein Karma gut aufgeladen, 2024 wird alles besser. Ich bin als anderer Mensch aus 2023 rausgegangen, als ich ins Jahr 2023 reingegangen bin. Die Gewichtung im Leben hat sich verändert, auch mein Blick aufs große Ganze. Ich war mehrere Monate raus aus der Blase Fußball. Dann bekommt man einen anderen Blickwinkel. Und die Erfahrung im Februar (die Erdbeben-Katastrophe im türkisch-syrischen Grenzgebiet, d. Red.) hat mich noch mehr zum Umdenken gebracht. Fußball wird nicht unwichtiger. Aber man macht sich viele Gedanken, was wäre, wenn man keinen Fußball mehr spielen würde. Dinge, über die man sich vorher aufgeregt hat, erscheinen einem plötzlich nicht mehr so wichtig."

…seinen auslaufenden Vertrag und eine mögliche Zukunft in Berlin: "Ich habe definitiv weiter Bock auf Berlin und Hertha. Meine Frau und ich - wir fühlen uns pudelwohl hier. Aber es gab bis jetzt noch keine Gespräche mit Benjamin Weber (Sportdirektor, d. Red.)."

Steffen Rohr

Das wurde aus den Gründungsmitgliedern der 2. Bundesliga