Bundesliga

Marvin Ducksch: "Würde es heute nicht mehr zum Profi schaffen"

Werder-Angreifer erklärt seine Alleinstellungsmerkmale

Ducksch im Interview: "Heute würde ich es nicht mehr zum Profi schaffen"

Sieben Tore in bisher 17 Einsätzen für Werder Bremen: Marvin Ducksch ist der mit Abstand beste Torschütze der Werderaner.

Sieben Tore in bisher 17 Einsätzen für Werder Bremen: Marvin Ducksch ist der mit Abstand beste Torschütze der Werderaner. IMAGO/Nordphoto

Herr Ducksch, das Jahr 2023 war ein überaus erfolgreiches für Sie. Haben Sie es angemessen beendet?

Ach, Silvester war ganz entspannt, mit ein paar meiner Jungs.

Raclette?

Gibt es eher an Weihnachten bei der Familie. Dieses Jahr ist es auf Lieferando und Pizza hinausgelaufen. (lacht) 2023 wird mir auf jeden Fall in Erinnerung bleiben: erst die gute Rückrunde, jetzt auch eine ordentliche Hinrunde - die Berufung in die Nationalmannschaft war dann noch mal das i-Tüpfelchen des Jahres.

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Wie gut ist dieser EM-Kader - und wer wird gestrichen?
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Wie feiert man eine solche erstmalige Nominierung?

Ich bin mit meinen besten Freunden zusammengekommen. Wir haben zurückgeschaut, wo ich vor ein paar Jahren war - und wo ich jetzt bin. Die waren schon sehr stolz auf mich.

Ist es nur Stolz? Oder verspüren Sie auch etwas Genugtuung, weil Ihnen die Nominierung als langjährigem Zweitligastürmer vielleicht die wenigsten zugetraut hätten?

Eigentlich nicht, ich habe ja immer an meine Fähigkeiten geglaubt. Aber es war schon kurios mitanzusehen, aus welchen Ecken einige Leute gekommen sind, die dann auf einmal doch an mich geglaubt haben wollen. Da gibt es den einen oder anderen, der dann am liebsten dein bester Freund sein will. Darüber habe ich mit denjenigen, die wirklich jeden Schritt mit mir gegangen sind, sehr gut lachen können.

Steckbrief

Haben Sie die Ziele, die Sie sich für 2023 gesetzt hatten, alle erreicht?

(überlegt) Die persönlichen Ziele habe ich echt alle erreicht. Ich wollte in der vergangenen Rückrunde zu den besten Stürmern der Bundesliga gehören. Das ist mir dann mit den neun Toren auch gelungen. Ich setze mir immer eine Anzahl - die verrate ich aber nicht. Sprechen wir doch am Saisonende noch einmal.

Wann haben Sie sich erstmals in den Kopf gesetzt, bei der Heim-EM dabei zu sein?

Das ist in den letzten ein, zwei Jahren intensiver geworden. Auf jeden Fall ist der Traum mit der erstmaligen Nominierung noch mal größer geworden, definitiv. Jetzt liegt es an mir, einfach Leistung zu bringen und es dem Bundestrainer so schwer wie möglich zu machen, an mir vorbeizukommen.

Der positive "Grad an Verrücktheit"

Julian Nagelsmann hat die Einladung auch mit Ihrem "Grad an Verrücktheit" begründet. Empfinden Sie es als Kompliment in Zeiten, in denen sich viele Fußballer in ihren Anlagen ähneln?

Ich habe das sehr positiv aufgenommen. Die Aussage spiegelt schon auch meinen Charakter wider, denn wer sich ein bisschen mit mir und meinem Spiel beschäftigt, der weiß, dass ich ein paar Dinge anders mache, als man sie vielleicht erwartet.

Inwiefern?

Ich spiele sehr risikobehaftet, versuche, mit nicht mehr Kontakten als nötig und so schnell wie möglich nach vorne zu kommen.

One Touch, wann immer es geht?

Ja, wenn ich die Situation so sehe, werde ich auch mit einem Kontakt spielen. Es ist halt das schnellste Spiel. Und der Gegner muss sich dann erst einmal neu orientieren.

Planen Sie Ihre verrückten Momente im Spiel bewusst?

Nein, das kommt einfach. Das ist halt mein Spiel, schon immer. Das beinhaltet auch Fehler, aber hier bei Werder habe ich die Freiheiten dazu.

Ducksch: Das Bolzplatz-Gen in die Bundesliga

Kann man diese Draufgänger-Art lernen? Oder sie noch weiter fördern?

Ich glaube nicht. Das kommt ja noch von der Zeit auf dem Bolzplatz. Als damals die Älteren kamen und unseren Platz beanspruchen wollten, mussten wir gewinnen, um bleiben zu dürfen. Dafür brauchte es eine gewisse Mentalität.

Setzen Sie denn wirklich jeden verrückten Gedanken konsequent um?

Ab und zu schaue ich mir die Szenen noch mal an, wenn ein zweiter Kontakt besser gewesen wäre - daran arbeite ich schon. Wichtig ist, dass die Idee am Ende funktioniert. Dazu gehört auch, dass ich im Spiel manchmal 80 Minuten nicht zu sehen bin - doch auf einmal bin ich da.

Die Kommenden Gegner von Werder Bremen

Dass Sie dafür auch mal Kritik einstecken müssen, weil Sie vermeintlich abtauchen, nehmen Sie in Kauf?

Also, ich muss ehrlich sagen, mir fällt das gar nicht so auf. Ich bekomme das nur über die Medien mit, dass ich angeblich kaum im Spiel bin. Wenn das sonst noch jemandem auffällt, spricht man mit mir darüber, zeigt mir die Szenen und versucht, daran zu arbeiten.

Bei wem erkennen Sie in der Bundesliga sonst noch Bolzplatz-Fähigkeiten?

So wie Flo Wirtz oder Jamal Musiala habe ich früher auch in der Jugend mal gekickt, wenn ich mir den Ball genommen habe und durch vier, fünf Spieler durchgegangen bin. Das mache ich mittlerweile nicht mehr, ich habe mich dann irgendwann an ein anderes Spiel gewöhnt. Diese Jungs haben die Qualitäten dazu, das jetzt noch auf höchstem Niveau auf den Platz zu bringen. Aber wenn ich heutzutage noch ein so junger Spieler wäre, glaube ich, dass ich es nicht mehr zum Profi schaffen würde.

Das Besondere am Spielertypen Ducksch

Wie kommen Sie darauf?

In der heutigen Zeit werden ja zum großen Teil ganz andere Voraussetzungen erwartet und gesucht. Wenn du annähernd 36 km/h rennen kannst, hast du eine größere Chance es zu packen, als wenn du nur ein gutes Fußballverständnis hast.

Die Anzahl der Top-Athleten im Fußball hat also noch mal zugenommen?

Absolut, das war früher nicht so. Und damit ich es erneut so weit bringen könnte, müsste ich wohl schon viel Glück mit einem Trainer haben, der mit seiner Spielweise auf einen wie mich setzen würde. Aber sonst wäre es schon sehr schwierig geworden.

Auf welche Ihrer Fähigkeiten sollte der Bundestrainer dann bei der EM lieber nicht verzichten?

Ich denke, dass es so einen Spielertypen wie mich in der Mannschaft einfach nicht noch einmal gibt.

Ich bin überzeugt, dass ich jeder Mannschaft etwas geben kann - auch der Nationalmannschaft.

Marvin Ducksch

Was meinen Sie?

Ich kann eigentlich aus jeder Situation in der vorderen Reihe etwas kreieren, immer irgendwie ein Tor erzielen. Deswegen bin ich überzeugt, dass ich jeder Mannschaft etwas geben kann - auch der Nationalmannschaft.

Ihre ersten beiden Länderspiele verliefen nicht sonderlich erfolgreich. Gegen die Türkei (2:3) und in Österreich (0:2) wurden Sie spät eingewechselt.

Es war nicht so einfach, mich da in den Vordergrund zu spielen, aber ich werde weitermachen. Ich konnte in diesen Tagen sehr, sehr viel lernen. Jetzt gilt es, weiterhin in diesem Kreis zu bleiben, mich weiter interessant zu machen, um dann hoffentlich im Sommer mit den Jungs im eigenen Land spielen zu dürfen. Was von mir gefordert wird, braucht man mir nicht zu sagen, das weiß ich selbst.

Was läuft falsch im DFB-Team?

Ich habe das ja auch immer nur von außen mitbekommen: dass das keine Mannschaft sei, dass es da intern nicht stimme - das kann ich auf jeden Fall nicht sagen. Es war alles top dort. Leider konnten wir es in den beiden Spielen nicht auf den Platz bringen.

Haben Sie eine Vermutung warum?

Ehrlicherweise nicht. Wir haben noch ein bisschen Zeit, das in Ordnung zu bringen - nicht allzu lange, doch wir wollen die Fehler jetzt schnellstmöglich abstellen und Siege holen.

Marvin Ducksch, Julian Nagelsmann

Debüt im DFB-Dress: Unter Nationaltrainer Julian Nagelsmann (re.) absolvierte Marvin Ducksch seine ersten beiden Länderspiele.  IMAGO/Picture Point LE

Welche Erinnerungen haben Sie an die Heim-WM 2006?

Das ist noch sehr präsent. Ich habe eigentlich jedes Spiel in Dortmund auf dem Friedensplatz beim Public Viewing verfolgt. Da war ich Fan der deutschen Nationalmannschaft.

Sie spielten damals schon in der Jugend des BVB, es wurden ja auch Partien im Westfalenstadion ausgetragen.

Ja, wir hatten die Möglichkeiten, da dabei zu sein. Aber ich wollte mir das lieber mit meinen Freunden unter den Zuschauern anschauen. Was da los war beim Spiel gegen Polen, Oliver Neuvilles Tor in der Nachspielzeit …

Seinerzeit waren Sie 12, jetzt 29 - dazwischen gab es auch mal Eskapaden. Wie viel "Grad an Verrücktheit" steckt heute noch privat in Marvin Ducksch?

In den letzten vier Jahren bin ich auf jeden Fall enorm gereift, auch dadurch, dass ich Papa geworden bin. Mit meinem Sohn hat sich mein Leben noch einmal komplett gedreht. Man kann jetzt nicht mehr nur an sich selbst denken, weil du da noch jemanden hast, auf den du aufpassen musst. Selbst wenn man mal wegfliegen möchte, überlegt man sich zweimal: Ist das nicht zu weit weg? Was, wenn es ihm mal nicht gut geht? Deshalb haben wir die Winterpause hier verbracht - auch wenn das Wetter woanders schöner ist. Er hat mich noch mal erwachsener gemacht.

Sie haben vor der Saison ein Angebot aus Saudi-Arabien ausgeschlagen. Verfolgen Sie die Liga trotzdem?

Ich schaue mir schon das eine oder andere Spiel mal an, die Übertragung läuft ja mittlerweile auf DAZN. Es sind sehr namhafte Spieler dabei, aber als Außenstehender ist es immer schwierig, das komplett einzuschätzen. Man muss das selbst mal miterlebt haben.

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Glauben Sie, dass Ihre DFB-Nominierung bei einem Wechsel ebenfalls möglich gewesen wäre?

Wahrscheinlich nicht. Deshalb habe ich mich ja auch dazu entschieden zu bleiben, weil ich bei Werder die größte Chance gesehen habe, meine persönlichen Ziele zu erreichen.

Beim Ex-Bremer Niclas Füllkrug hat die Karriere nach dessen DFB-Debüt noch mal spät Fahrt aufgenommen. Erwischen Sie sich manchmal bei dem Gedanken, dass ganz Ähnliches passieren könnte, wenn dieses Jahr für Sie erneut so erfolgreich laufen sollte?

Nein, aktuell nicht. Aber natürlich ist das im Fußball so, gerade auf meiner Position wird immer gesucht. Falls es so weit kommen sollte, ist mir schon bewusst, dass man mit einer guten EM auch andere Vereine auf sich aufmerksam machen kann.

Sie haben in den vergangenen eineinhalb Jahren kein einziges Ligaspiel verletzt verpasst - woran liegt's?

Das ist die gute Ernährung …

Pizza von Lieferando, meinen Sie?

Der eine braucht nun mal dies, der andere braucht das. Ich finde, wenn man jemanden verändern will, wird das nie gutgehen. Jeder weiß doch selbst am besten, was sein Körper braucht. Und da sollte niemand von außen reinreden.

Man hört da raus, dass Sie nicht der größte Fan von Kernen, Samen und sonstigem Superfood sind.

Das ist absolut richtig. (lacht)

Interview: Tim Lüddecke