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DFL: Fragen und Antworten zum Investoren-Aus

Wie es jetzt weitergeht

Die Liga braucht eine Vision: Fragen und Antworten zum Investoren-Aus

Fans protestierten vielseitig gegen einen Investoren-Einstieg. Auch ferngesteuerte Autos wurden auf das Spielfeld geworfen.

Fans protestierten vielseitig gegen einen Investoren-Einstieg. Auch ferngesteuerte Autos wurden auf das Spielfeld geworfen. IMAGO/Mika Volkmann

Warum kippte das Präsidium den Deal letztlich?

Die große Klammer hinter dem Aus waren selbstredend die Fanproteste und deren Folgen. Nachdem vor zwei Wochen einige Klub-Vertreter, angefangen mit Claus Vogt und Dirk Zingler, den Präsidenten des VfB Stuttgart und des 1. FC Union, ob der Umstände des Votums im Dezember eine Neu-Abstimmung ins Spiel gebracht hatten, kippten immer mehr Vereine um. Dass am Montag die Mitgliederversammlung des SC Paderborn den Geschäftsführern des Zweitligisten auf den Weg gab, bei einer möglichen Neuwahl mit "Nein" zu stimmen, zerstörte die ohnehin auf tönernen Füßen stehende Zweidrittel-Mehrheit. Denn im Dezember hatte der SCP noch mit "Ja" gestimmt.

Zudem interessiert sich auch das Bundeskartellamt für die Frage, ob mit der Stimme Martin Kinds 50+1 verletzt wurde, wie zuerst die Sportschau berichtet hatte. Der mit der Bonner Behörde ausgehandelte Kompromiss zu der Regel stand und steht im Feuer. Der Rückzug hatte auch mit Schadensbegrenzung in dieser Sache zu tun und auch damit, am Ende das Gesicht zu wahren. Letztlich sorgte ein Mix aus Fehleinschätzungen seitens der DFL (Hannover-Kind-Konflikt), kommunikativen Unzulänglichkeiten bei zahlreichen Klubs und fragwürdigem Führungsverhalten - wo war im Dezember der Einspruch der Klubvertreter gegen eine geheime Wahl? - für das Aus.

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Ist der deutsche Fußball nun erpressbar?

Auf den ersten Blick mag das so wirken. Die Fanszene wisse genau, "wo sie bei uns Verantwortlichen und den Medien die Knöpfe drücken kann, auf die wir reagieren", hatte Axel Hellmann, der auch im DFL-Präsidium sitzt, vor zehn Tagen gesagt.

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Eintracht Frankfurts Vorstandssprecher erlebte es 2018 quasi hautnah mit, wie erstmals Tennisbälle aufs Feld flogen: Am 19. Februar 2018, als die Hessen RB Leipzig mit 2:1 bezwangen. Die ballwerfenden Eintracht-Fans, von denen auch rund 100 in den Innenraum vorgedrungen waren, sorgten damals im Protest gegen Montagsspiele für eine fünfminütige Verzögerung der Partie. Nachdem die Ultras hatten, was sie wollten, blieb es weitgehend ruhig.

Das lässt zumindest den Schluss zu, dass die organisierten Fans Unterbrechungen nur dann provozieren, wenn Entscheidungen in ihren Augen "rote Linien" betreffen, beispielsweise eine weitere Zerstückelung des Spielplans. So hatten auch Bayern-Fans im September 2023 im DFB-Pokal bei Preußen Münster Tennisbälle geworfen, um gegen die parallele Ansetzung des Super-Cup mit der ersten Pokalrunde zu werfen.

Ebenso heftige Proteste an mehreren Standorten gab es, als kurz vor Corona eine Kollektivstrafe gegen BVB-Fans zur Debatte stand wegen der Beleidigungen gegen Hoffenheims Mehrheitseigner Dietmar Hopp. Die Pandemie löste dieses Thema. Wenn es um klubinterne Angelegenheiten ging - ein Beispiel wäre die vielkritisierte Sponsoringpartnerschaft des FC Bayern mit Katar - manifestierte sich Protest bislang in Bannern und Gesängen, nicht aber in der seitens der Fans "ultima ratio" der Spielunterbrechung.

Stehen Zentralvermarktung und die Einheit von Bundesliga und 2. Liga unter Druck?

Freuen wird man sich über das Investoren-Aus weder in München noch in Dortmund, Leipzig oder Leverkusen. Ebensowenig bei der Frankfurter Eintracht, die sich in den vergangenen drei, vier Jahren sportlich wie wirtschaftlich als erster Herausforderer des Top-Quartetts in Position gebracht hat.

Eine endgültige Trennung zwischen Bundesliga und 2. Liga, wie sie im Sommer nach dem damaligen Scheitern des Deals trotzig in den Raum geworfen wurde, wirkt dennoch unwahrscheinlich. Was schon alleine daran liegt, dass mit Hertha BSC, Schalke 04 oder dem Hamburger SV markenbildende Klubs des deutschen Fußballs aktuell im Unterhaus "festsitzen". Und das ist mit Blick auf die zwischenzeitlich auch abgestiegenen VfB Stuttgart, 1. FC Köln oder Werder Bremen keine Ausnahme, auch Hannover 96, der 1.FC Nürnberg oder der 1. FC Kaiserslautern sind potenzielle Zuschauer- wie Interessemagneten.

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Spekuliert wird dagegen über eine Teilautonomie. Dass die Kämpfe um die Geldverteilung nun kommen werden, ist ohnehin normal und passiert in schöner Regelmäßigkeit alle vier Jahre, wenn der nationale Medienrechtedeal ausgehandelt wird. Allerdings steht die 2. Liga unter einem gewissen Druck, weil beispielsweise die Mehrheit der Bundesligisten im Dezember mit 14 Vereinen für den Deal doch erheblich war. Und auch die Großen haben bei eventueller Forderung nach mehr Umverteilung nicht die schlechtesten Argumente.

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Auch Harry Kane war mit dem Beseitigen von Tennisbällen beschäftigt. IMAGO/Beautiful Sports

Ob das von Kommentatoren ins Spiel gebrachte Damoklesschwert einer Super League wirklich eine Bedrohung für den deutschen Fußball darstellt, sei einmal dahingestellt. Sowohl an der Säbener Straße in München als auch in Dortmund-Brackel weiß man, was das Gros der eigenen Fans von einer weiteren Elitisierung des europäischen Spitzenfußballs hält.

Eine vollständige Trennung der Ligen ginge zudem am Kern der Problematik vorbei: Wie schaffen deutsche Fußballklubs bei zentralen Fragen schnelle Handlungsspielräume für ihre operative Geschäftsführung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Stimmenmehrheit eines zugegebenermaßen schwerfälligen Organs der Mitgliederversammlung eines eingetragenen Vereins?

Welche Folgen hat das Aus für die aktuellen Medienrechte-Verhandlungen?

Aufgehübscht mit dem Ja eines Milliardeninvestments in die finale Phase der Ausschreibung zu gehen, wäre für den bei der DFL für das Thema zuständigen Geschäftsführer Dr. Steffen Merkel sicher kein Nachteil gewesen. An der grundsätzlichen Attraktivität der Bundesliga für Partner hat sich durch das Aus für Investoren jedoch nichts dramatisch verändert - zudem können Merkel und seine Mitstreiter im aktuellen Momentum auf das dramatische Titelfinale 2023 und das Durchbrechen der bayerischen Dominanz verweisen.

1,1 Milliarden Euro erhält die Liga aus den nationalen Medienrechten aktuell, ein erneutes Erreichen dieser Summe ab der Saison 2025/26 gilt unter Experten als Erfolg. Neue Inhalte (mehr Leuchtturmspiele, Kabinen-Kamera, Interviews mit Spielern bei Busankunft vor dem Spiel) und mehr Zugängen zu den Klubs unter der Woche hoffen die Manager, den Interessenten das Geld entlocken zu können.

Kommen dennoch Investitionen ins Liga-Geschäftsmodell?

Einigkeit, dass diese nötig sind, besteht unter den 36 Gesellschaftern der DFL. Man wird nun sehr genau nachrechnen müssen, was die wichtigsten Investitionen gewesen wären und vielleicht ein abgespecktes Paket schnüren müssen. Bislang scheiterte eine Finanzierung aus dem Bestand heraus, also indem die Klubs auf einen geringen prozentualen Anteil ihrer Mediengeld-Auskehrungen verzichten, daran, dass sich in Schieflage befindliche Vereine aufgrund von bereits verpfändeten Zukunftseinnahmen ein massives Liquiditätsproblem bekommen hätten. Womöglich ließe sich das Problem mit reduzierten Investitionsvolumina verkleinern.

Thema
Die Liga und der "strategische Partner"

Die Diskussion um einen DFL-Investor

zum Thema
  • Für Investitionen u.a. in Digitalisierung wollte die DFL-Führung Kapital von einen Investor einholen.
  • Die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit wurde bei der geheimen Abstimmung auf die Stimme genau erreicht.
  • Nach einer außerordentlichen Sitzung hat die DFL beschlossen, den Partnerprozess nicht weiterzuführen. 

Fällt die Liga nun im Quervergleich zu Italien, Spanien und Frankreich zurück?

Dass die Premier League weit enteilt ist und der Deal auch gar keinen Angriff auf die englische Elite begründen soll, hatten Klub- und Ligaverantwortliche immer wieder betont. Insofern war das häufig aus der Fanszene gebrauchte Argument, man hechle blind England hinterher, ein ziemlich populistisches. Vielmehr ging es darum, mit Ligue 1 und La Liga, die beide mit CVC einen Investor haben, Schritt zu halten, ebenso mit La Liga, die über den Verkauf von Klubanteilen in den vergangenen Jahren an teils jedoch zweifelhafte Investoren aus China Kapital generiert hat.

Umsatztechnisch schreibt die Bundesliga nach kicker-Recherchen für 2022/23 einen Rekord, der status quo fällt also nicht so düster aus. Aber: Während und nach der Corona-Pandemie sind die Erlöse aus den internationalen Medienrechten für die Bundesliga um rund 20 Prozent gesunken, wenngleich zuletzt der Trend umgekehrt werden konnte - diese Einnahmensparte ist in Spanien und Frankreich dagegen gewachsen, was ein Argument dafür darstellt, dass die Liga im Rennen um globale Aufmerksamkeit mindestens unter Druck steht. Will der deutsche Fußball weiter konkurrenzfähig bleiben und zugleich fanorientiert - Stichwort 50+1 - braucht er dringend eine Vision.

Benni Hofmann