Bundesliga

Das bleibt von Lewandowski

Momente jenseits der Zahlen und Rekorde

Das bleibt von Lewandowski

Ein Torjäger für besondere Momente: Robert Lewandowski.

Ein Torjäger für besondere Momente: Robert Lewandowski. Getty Images /imago images (2)

Es gibt zahllose Statistiken zu Lewandowskis Torjäger-Qualitäten. In seiner Zeit in der Bundesliga, die 2010 in Dortmund begann, wurde der heute 33-Jährige nur fünfmal nicht der beste Torjäger. Zahlen zu Leistungen ergeben einen Mix aus Superlativen, der Überblick geht schnell verloren.

Deshalb: Welche Lewandowski-Momente bleiben? Drei kicker-Reporter erinnern sich ...

40 oder 41? Und gemischte Gefühle wegen Gerd Müller

Robert Lewandowski und kicker-Reporter Karlheinz Wild.

Besondere Kanone: Robert Lewandowski und kicker-Reporter Karlheinz Wild. Sven Hoppe - Pool/Getty Images

Vereinbart war das Treffen unten im Stadionbauch und eben da fünf Minuten vor dem Abpfiff. Dort wollte Nina Aigner, die Mitarbeiterin des FC Bayern, das Empfangsbüro der Allianz-Arena aufsperren, damit wir die in diesem Raum abgestellte kicker-Torjägerkanone abholen konnten. Sofort nach dem Abpfiff sollte diese Trophäe an den Torschützenkönig der Saison 2020/21 übergeben werden.

Lewandowskis Rekord-Saison

Zu diesem Zeitpunkt, also etwa in der 85. Spielminute, stand es 4:2 für den FC Bayern. Jeffrey Gouweleeuw per Eigentor, Serge Gnabry, Joshua Kimmich und Kingsley Coman hatten für die Münchner den Ball ins Augsburger Tor gelenkt, nicht jedoch Robert Lewandowski. Unbeantwortet war also weiterhin die große, seit Wochen in Fußball-Deutschland diskutierte Frage, ob er noch die legendäre 40-Tore-Bestmarke toppen würde. Diesen Rekord, gesetzt von Gerd Müller in der Saison 1971/72, hatte Lewandowski eine Woche zuvor eingestellt, am 15. Mai 2021, 15.55 Uhr MESZ, per Elfmeter in Freiburg.

Die Zeit drängt. Ich muss mich von meinem Platz auf der Pressetribüne aufmachen. Etwa drei Minuten sind es von hier nach unten. "Pass auf!", sage ich zum kicker-Kollegen Georg Holzner, "wenn ich runtergehe, wird es passieren." Zögerlich bewege ich mich die rund 30 Meter entlang der Pressetribüne bis zum Ausgang, den Hals stets 90 Grad nach links gedreht: Die Augen starren auf das Geschehen auf dem Rasen. Am Treppenabgang stoppe ich noch ein paar Sekunden, und da passiert es tatsächlich: Leroy Sanés Flachsschuss aus 18 Metern lässt der FCA-Torwart Rafal Gikiewicz von der Brust abprallen, Lewandowski reagiert sofort und kullert den Ball mit dem rechten Innenrist ins Netz. Das 41. Bundesliga-Tor ist perfekt an diesem 22. Mai 2021, 17.21 Uhr MESZ.

Diesen Moment, der als herausragendes Ereignis in die Bundesliga-Geschichte eingehen wird, habe ich mit viel Glück doch noch live miterleben dürfen und mit eigenen Augen gesehen. Es ist ein zwiespältiges Gefühl, das mich da erfasst: Als großer Verehrer Gerd Müllers wäre mir ein 40:40 zwischen Müller und Lewandowski lieber gewesen. Dennoch verdient der polnische Mittelstürmer für seine herausragende Leistung den allerhöchsten Respekt. Und es ist auch für den kicker-Vertreter ein besonderer Augenblick, als er Minuten später dem neuen Bundesliga-Rekordschützen die kicker-Kanone übergeben darf. Es ist ein historischer Akt.

Karlheinz Wild

Die irrsten neun Minuten

So schnell traf noch keiner fünfmal hintereinander: Robert Lewandowskis Fünferpack gegen Wolfsburg als Joker.

So schnell traf noch keiner fünfmal hintereinander: Robert Lewandowskis Fünferpack gegen Wolfsburg als Joker. imago/Sven Simon

Der 22. September 2015 ist ein Dienstag, englische Woche in der Bundesliga. Nichts deutet darauf hin, dass die Allianz-Arena an diesem Abend Historisches erleben wird. Bei Halbzeit sieht es nach Krisenberichterstattung über den FC Bayern aus, 0:1 liegt er gegen den VfL Wolfsburg, den amtierenden Pokalsieger, zurück. Trainer Pep Guardiola reagiert. Er bringt Robert Lewandowski für Thiago. Den Polen wollte der Star-Trainer ursprünglich schonen, der Spielstand zerreißt diesen Plan.

Wehe, Lewandowski ist mal Joker

In der 51. Minute erzielt Lewandowski prompt den Ausgleich, eine Minute später schnürt er per Distanzschuss den Doppelpack. Die Münchner haben das Spiel gedreht. Beeindruckend, aber nicht total ungewöhnlich. Drei Minuten später dämmert mir erstmals, dass dieser Abend anders wird als andere, Hattrick Lewandowski. Zeit zum Nachdenken bleibt nicht, wieder vergehen nur zwei Minuten bis zum 4:1. Die Krönung folgt in der 60. Minute, 5:1 per Seitfallzieher. Ein Traumtor, dass nur an Tagen klappt, wenn alles gelingt. Guardiola schlägt fassungslos die Hände vors Gesicht, die Arena bebt.

Ich denke ab diesem Zeitpunkt in Rekorden, weiß, dass Dieter Müller den mit den meisten Toren in einer Partie hält, sechs 1977. Ich wünsche Lewandowski, mir, allen im Stadion, dass er diese Marke egalisiert. Klappt nicht, macht nichts, ist auch so historisch. Wobei dies erst allmählich in mein Bewusstsein dringt, als die Statistiker die Bestmarken ausgraben. Fünf Tore in 8:59 Minuten. Die meisten eines Einwechselspieler in der Bundesliga-Geschichte, der schnellste Hattrick in 3:22 Minuten, Viererpack (5:42), Fünferpack.

Und die irrsten neun Minuten, die ich unter hunderten von Spielen bis heute im Stadion erlebt habe.

Frank Linkesch

Wie ein Notarzt gegen Real

Robert Lewandowski

Viererpack gegen Real: Robert Lewandowski lief als BVB-Stürmer im CL-Halbfinale gegen Real Madrid heiß. imago sportfotodienst

Der 24. April 2013 war ein gutes Beispiel dafür, wie eng Freud und Leid im Fußball manchmal beieinanderliegen. Noch am Morgen waren die BVB-Fans verkatert aufgewacht, nachdem am Abend zuvor bekannt geworden war, dass Mario Götze zur neuen Saison zum FC Bayern wechseln werde. Die heile Welt des Doppel-Meisters und Doublegewinners drohte zu zerbrechen - und das ausgerechnet am Tag des Halbfinal-Hinspiels in der Champions League gegen Real Madrid. Es herrschte Endzeitstimmung.

Da staunten CR7, Özil und Mourinho

Da traf es sich gut, dass damals in Robert Lewandowski ein Spieler im Dortmunder Kader stand, dem Sentimentalitäten so fern lagen wie der Genuss eine Weizenbrötchens mit einer dicken Schicht Butter unter der Nuss-Nougat-Creme. Der Pole blieb kühl, rational, fokussiert. Wie ein Notarzt, der auch in den dramatischten Momenten einen klaren Kopf bewahren muss, stabilisierte der Stürmer den emotional taumelnden BVB. Und wie!

Mit vier Treffern, darunter einem aus der absoluten Feinkostabteilung, vernaschte er die Abwehr der "Königlichen" um Pepe und Raphael Varane und sorgte damit für einen für Real trotz eines 2:0-Erfolgs im Rückspiel nicht mehr einzuholenden Vorsprung. "Lewy" krönte sich durch dieses denkwürdige Meisterstück vorübergehend selbst zum König von Dortmund. Ein Jahr später allerdings ging auch er - wie Götze zum FC Bayern.

Matthias Dersch