Bundesliga

Herthas Bernstein: "Irrsinn, der nie wieder passieren darf"

Hertha-Präsident bittet um Geduld

Bernstein: "Ein Irrsinn, der nie wieder passieren darf"

Sprach über das vergangene Jahr: Hertha-Präsident Kay Bernstein.

Sprach über das vergangene Jahr: Hertha-Präsident Kay Bernstein. IMAGO/Matthias Koch

Am 26. Juni 2022 ist Kay Bernstein - damals ziemlich unerwartet - zum Präsidenten von Hertha BSC gewählt worden. 322 Tage ist der 42-Jährige nun im Amt und zu einer Zeit Klub-Chef, die kaum turbulenter sein könnte. Sportlich stehen die Berliner nach dem 2:5 am vergangenen Freitag beim 1. FC Köln unmittelbar vor dem insgesamt siebten Abstieg in die 2. Liga, finanziell befindet sich der Hauptstadtklub in einer dramatischen Schieflage und muss um die Lizenz bangen.

Mit deutlichen Worten hat Bernstein entsprechend am Sonntag bei seiner zweiten Mitgliederversammlung als Präsident die Sünden der Vergangenheit gegeißelt. "Was ist in den letzten vier Jahren passiert? Es wurden 250 Millionen Euro verbrannt, die sind weg", sagte Bernstein in der Berliner Messehalle 18 den knapp 1500 anwesenden Mitgliedern und nannte das "einen Irrsinn, der nie wieder passieren darf".

Bernstein bittet um Geduld

Zugleich teilte er gegen den im Oktober 2022 ausgeschiedenen langjährigen Finanzgeschäftsführer Ingo Schiller eine Breitseite aus. "Wir haben Ingo Schiller (bei der Mitgliederversammlung im November, Anm. d. Red.) mit Applaus und Standing Ovations verabschiedet. Aber die finanzielle Verantwortung dafür, wo wir heute stehen, lag bei ihm. So ehrlich müssen wir sein."

Bobic, Bernstein und Co.: Die wichtigsten Töne der bisherigen Hertha-Saison

alle Videos in der Übersicht

Bernstein warb angesichts der Erblast der Vergangenheit für "Geduld und einen langen Atem" und verteidigte den im März vollzogenen Einstieg des neuen Investors 777 Partners. "Dass wir dieses Investment eingegangen sind, war alternativlos", betonte Bernstein. "Diese Kapitalerhöhung war elementar, damit wir die Zukunft von Hertha BSC sichern."

Der Klub habe sehr wohl Alternativen geprüft, unter anderem auch das Ziehen der Vertragsoption, die Hertha einen Rückkauf der zuvor von Lars Windhorsts Tennor-Holding gehaltenen Anteile ermöglicht hätte. "Als wir gehört haben, dass Lars Windhorst die Anteile an 777 Partners verkaufen möchten, haben wir uns mit Alternativen beschäftigt" so Bernstein. "Wir haben keinen gefunden, der uns so viel Geld zur Verfügung stellt, dass wir uns diese Anteile zurückkaufen konnten."

777 Partners hält 78,8 Prozent an der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA (Kommanditgesellschaft auf Aktien) und damit etwa 14 Prozent mehr als zuvor Tennor. Über den vormaligen Gesellschafter Windhorst sagte Bernstein: "Wir möchten die Akte schließen und danken für sein Geld (374-Millionen-Investment, Anm. d. Red.)."

Die wenigsten werden fragen, ob die Entscheidung richtig oder falsch gewesen ist.

Kay Bernstein zur Beurlaubung von Fredi Bobic

Bernstein verteidigte zudem nochmal den Zeitpunkt der Beurlaubung von Fredi Bobic als Geschäftsführer Sport Ende Januar. "Die wenigsten werden fragen, ob die Entscheidung richtig oder falsch gewesen ist. Sondern sie werden fragen, ob der Zeitpunkt der richtige oder cleverste war", sagte der Hertha-Präsident, "wir sind bei der Einschätzung, dass wir da keinen wahnsinnig großen Fehler gemacht haben, sondern eine im Interesse von Hertha BSC gute Entscheidung getroffen haben."

Insgesamt sagte Bernstein über seine ersten knapp elf Monate im Amt: "Dieses nicht ganz eine Jahr fühlt sich eher an wie drei Jahre. Was bei uns in den letzten vier Jahren passiert ist, ist eine wilde Reise." Der Hertha-Präsident sah sich durchgängig als Krisen-Manager gefordert. "Es gab in diesem Jahr nie ein ruhiges Tagesgeschäft, sondern wir waren gefühlt parallel in drei verschiedenen Krisenstäben aktiv", betonte der Vereinsboss.

Positive Aspekte trotz Krisenmodus

Bei allen Turbulenzen hat Bernstein seinem Posten aber auch positive Aspekte abgewinnen können. Angetreten zu einer Zeit im Frühsommer 2022, als Hertha BSC nach Ansicht Bernsteins "am Zerbrechen war", ist er der Meinung, "dass wir die politische Arbeit ganz sauber hinbekommen haben. Wir haben die Fans eingebunden." Zuschauer-Entwicklung, Merchandising und Mitglieder-Entwicklung sieht er auf einem guten Weg.  Aktuell hat Hertha 46.057 Mitglieder, vor einem Jahr waren es noch 41.200.

Schockiert hat den neuen Präsidenten neben der Finanzlage auch manches andere. "Der schlimmste Moment in der Zeit? Die Windhorst-Shibumi-Affäre, wo man gedacht hat: Was ist denn das jetzt?", sagte der Präsident im Rückblick. Was ihm nach eigenem Bekunden auch zugesetzt hat, sind Interna, die immer wieder an die Öffentlichkeit gelangten. "Das ist ein so behämmerter Zustand - das geht nicht. Am Ende schadet es nur Hertha BSC, und das muss aufhören."

Andreas Hunzinger, Steffen Rohr