Business

Wird die Handball-EM auch wirtschaftlich zum großen Wurf?

6.500 Tickets gingen an Färöer

29-Millionen-Etat: Wird die Handball-EM auch wirtschaftlich zum großen Wurf?

Breite Brust: Nationaltrainer Alfred Gislason (r.) und der DHB hoffen auf eine sportlich und wirtschaftlich erfolgreiche EM.

Breite Brust: Nationaltrainer Alfred Gislason (r.) und der DHB hoffen auf eine sportlich und wirtschaftlich erfolgreiche EM. IMAGO/camera4+

Ein Traum des Deutschen Handballbunds (DHB) und der Europäischen Handballföderation (EHF) war schon weit vor der EHF EURO 2024 wahr geworden: 118 Tage vor dem Anwurf der Handball-Europameisterschaft stand Mitte September 2023 fest, dass die EM einen neuen Zuschauer-Weltrekord für Handballspiele aufstellen wird. Über 50.000 Zuschauer werden am 10. Januar 2024 zum Eröffnungsspieltag in die Düsseldorfer Merkur Spiel-Arena strömen. Nach Informationen des kicker liegt der aktuelle Verkaufsstand bei rund 53.000 Eintrittskarten, darunter circa 1.500 VIP-Tickets.

Der bisherige Zuschauer-Weltrekord für Handballspiele wurde ebenfalls in einem deutschen Fußballstadion aufgestellt. 44.189 Fans sahen am 6. September 2014 die Partie der Rhein-Neckar Löwen gegen den HSV Hamburg beim Tag des Handballs in der Frankfurter Arena. Die vorherige Weltrekordmarke datiert vom 12. September 2004, als 30.925 Zuschauer das Bundesligaspiel zwischen dem TBV Lemgo und dem THW Kiel in der Gelsenkirchener Veltins-Arena verfolgten.

Handball Düsseldorf

Wie das Düsseldorfer Fußball-Stadion den Handball-Weltrekord ermöglicht

alle Videos in der Übersicht

Die bislang größte Kulisse bei einer Männer-Europameisterschaft im Handball waren 20.022 Fans im ausverkauften MVM Dome in Budapest bei den ungarischen Vorrundenspielen der EM 2022. Genauso viele Zuschauer waren es übrigens auch beim Finale um die Handball-Champions-League der Frauen, welches 2023 im Final-Four-Format ebenfalls in der ungarischen Arena ausgetragen wurde und die weltweite Rekordkulisse im Frauenhandball markiert.

75 Prozent Auslastung der Arenen

Nicht nur das Eröffnungsspiel im Düsseldorfer Stadion wird bei der Handball-EM zum Publikumsmagneten, sondern offenbar auch die Spieltage in den weiteren fünf Arenen. "Wir haben eine Gesamtauslastung von knapp 75 Prozent", sagt Mark Schober im Gespräch mit dem kicker. Der Vorstandsvorsitzende des DHB ist mit Verweis auf die hohen Kapazitäten der einzelnen Spielstätten mit diesem Wert "hoch zufrieden". Er sagt: "Wir hatten uns im Vorfeld natürlich eine gewisse Euphorie rund um die Heim-EM erhofft, aber ein derartiger Ansturm auf die Tickets ist schon besonders. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die teilnehmenden Teams für die Hauptrunden-Standorte noch gar nicht feststehen und hierfür ganz sicher noch Tausende Tickets gekauft werden."

Die Spielorte München (Olympiahalle, Kapazität: 12.000 Zuschauer, Vorrunde) und Mannheim (SAP Arena, 13.200, Vorrunde) sind bereits so gut wie ausverkauft. In Berlin (Mercedes Benz-Arena, 14.800, Vorrunde mit deutscher Beteiligung) gibt es ebenfalls nur noch Restbestände, während die beiden Hauptrunden-Standorte Hamburg (Barclays Arena, 13.300) und Köln (Lanxess Arena, 19.250 Zuschauer, Haupt- und Finalrunde) je nach sportlichem Abschneiden sehr wahrscheinlich im Laufe beziehungsweise nach der Vorrunde in Richtung 100-Prozent-Auslastung gehen werden.

Weltrekord inklusive: Die sechs deutschen EM-Standorte

Handball-Hype auf den Färöer

In absoluten Zahlen wurden für die Handball-EM kurz vor Turnierstart über 330.000 Tickets verkauft. Der Großteil davon kommt wenig überraschend aus Deutschland, laut DHB-Chef Schober sind es etwa 82 Prozent. Die übrigen Eintrittskarten sicherten sich Fans aus dem Ausland. Besonders auffällig dabei ist die Nachfrage von den Färöer: Gut 6.500 Tickets gingen an die Fans des EM-Debütanten, dessen Heimatland gerade einmal rund 54.000 Einwohner zählt. Bei der Anzahl der internationalen Ticketkäufe liegt mit Dänemark nur einer der Turnierfavoriten vor den Färingern. Auf den Plätzen dahinter folgen Island, Schweiz, Tschechien, Österreich, Norwegen und die Niederlande.

"Die Zahl der internationalen Fans, die für die EM zu uns nach Deutschland reisen, ist im Vergleich zu früheren Handball-Großevents sehr beachtlich", sagt Schober. Der Vorstandsvorsitzende des DHB, der auch im Exekutivkomitee der EHF sitzt, sagt das besonders vor dem Hintergrund, dass das internationale Reiseinteresse der Fans im Handball generell "noch ausbaufähig" sei. Mit dem Ziel, eine möglichst große Anzahl an Fans perspektivisch auch für weitere Handball-Events ansprechen zu können, laufen deshalb auch alle CRM- und Kundendaten in einem zentralen Ticketingsystem des europäischen Verbands zusammen.

Ticketing bringt 26 Millionen Euro

Die vollen Arenen sorgen bei der EM nicht nur für eine besondere Atmosphäre, sondern sie sind in der Kalkulation des DHB auch der zentrale Baustein für die Finanzierung des Großevents. Das Ticketing spült nach Recherchen des kicker rund 26 Millionen Euro in die Verbandskassen. Das entspricht rund 90 Prozent des Gesamtetats, der bei etwa 29 Millionen Euro liegt.

Der zweitgrößte Einnahmeposten im Budgetplan zur EM sind Fördermittel, deren rund 2,5 Millionen Euro der DHB generiert und zweckgebunden beispielsweise für Promotion-Flächen und City Dressing verwendet. Weitere etwa 400.000 Euro kommen aus der Vermarktung von Sponsoringpartnerschaften. Als sogenannte Supplier engagieren sich die Direktbank DKB, die GCH Hotel Group, die Koch Gruppe Automobile und das Modeunternehmen Walbusch.

Handball: Länderspiel, Deutschland - Portugal. Deutschlands Johannes Golla jubelt nach einem Tor.

Einzigartige Hymne? Golla über Handball-Weltrekord im Fußballstadion

alle Videos in der Übersicht

Über die vier Supplier hinaus liegt die Suche nach weiteren Turniersponsoren für die EM nicht in den Händen des DHB, sondern im Verantwortungsbereich der EHF. Anders als bei den Klub-Wettbewerben hat der europäische Verband wiederum die Vermarktungsrechte bis 2030 an die internationale Agentur Infront vergeben. Zu den großen Partnern des Großevents zählen Deutsche Bahn, Engelbert Strauss, Falken Tyre, Freenet, Gorenje, Grundfos, Lidl, Liqui Moly, Trivago und Würth.

Darüber hinaus wirbt der thüringische Massivhausanbieter Town & Country Haus auf den Schiedsrichtertrikots, während das Logo der Tierfuttermarke Josera bei allen 65 Spielen den linken Trikotärmel aller Spieler der 24 teilnehmenden Teams zieren wird. Zu den beim Turnier werbenden Unternehmen zählen außerdem die Tankstellenmarke Orlen und das Industrietechnikunternehmen Harting, während als übergeordnete EHF-Partner Gerflor (Bodenbeläge), Benz Sport (Tore) sowie die beiden Sportartikelhersteller Select (offizieller Spielball) und Hummel dabei sind.

ARD, ZDF und "Dyn" zeigen Handball-EM live

Neben dem Sponsoring übernimmt Infront für die EHF auch die Produktion der EM sowie die zentrale Vermarktung der Medienrechte für das Turnier. In Deutschland zeigen ARD und ZDF alle deutschen Spiele live im Fernsehen. Zudem übertragen die beiden öffentlich-rechtlichen Sender ausgewählte Partien ohne deutsche Beteiligung im Live-Stream und bieten im Internet ebenfalls Spiel-Highlights und Re-Lives zum Abruf an.

Neben ARD und ZDF zeigt über ein Co-exklusives Ausstrahlungsrecht auch der kostenpflichtige Streaming-Dienst "Dyn" alle 65 Begegnungen der EHF EURO live - davon mindestens 31 Begegnungen exklusiv. Möglich wird dies durch einen Sublizenzvertrag mit SportA, der Sportrechte-Agentur der öffentlich-rechtlichen Sender.

Die umfangreiche Berichterstattung ist ein klarer Beweis für die steigende Popularität des Handballsports.

Michael Wiederer, EHF-Präsident

Insgesamt wird die EURO in über 100 Ländern übertragen. "Die Men's EHF EURO 2024 ist ein Meilenstein für den europäischen Handball. Die umfangreiche Berichterstattung ist ein klarer Beweis für die immer weiter steigende Popularität des Handballsports und die erfolgreichen Bemühungen unseres Partners Infront. Wir freuen uns sehr, dass wir Millionen von Fans weltweit mit Bildern des Turniers erreichen", sagt EHF-Präsident Michael Wiederer dem kicker.

Weltrekord kein wirtschaftlicher Hebel

Zurück zum Etat von 29 Millionen Euro und zur Ausgangsfrage: Wird die Handball-EM unter anderem durch die enorme Ticketnachfrage für den DHB auch wirtschaftlich zum großen Wurf?

Für Verbandschef Schober stellt sich diese Frage nicht primär. Er sagt: "Wir führen das Turnier in allererster Linie durch, um ein sportliches Ausrufezeichen zu setzen. Die EM ist dementsprechend nur dann ein Erfolg, wenn wir auch auf dem Feld performen. Das ist der Hebel für alles andere." Schober hofft insbesondere, dass die Strahlkraft des Großevents "neue Zuschauer anzieht und Kinder für den Handball begeistert, die zuvor noch keinen Kontakt mit unserer Sportart hatten". "Wenn wir es obendrein schaffen, für die anderen Nationen ein guter Gastgeber zu sein, sind wir am Ende mehr als zufrieden", sagt der DHB-Vorstandsvorsitzende.

Bester Beleg für die strategische Ausrichtung des DHB bei der Heim-EM ist das Weltrekordspiel in der Düsseldorfer Merkur Spiel-Arena. Ein solches Einzelevent in einer derartigen Größenordnung durchzuführen hat nämlich nicht den riesigen Hebel, da auch ein vergleichsweise sehr viel größerer Aufwand dahintersteht. "Rein aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus hätten wir in Berlin spielen müssen, denn die Halle ist dort ja ohnehin für fünf Spieltage aufgebaut. Da hätte ein weiterer Spieltag nur einen Bruchteil des Aufwands in Düsseldorf gekostet", sagt Schober, der aber auch direkt anfügt: "Die Begeisterung der Massen mit dem Weltrekordspiel als Highlight war aber nun mal ein elementarer Teil unserer Story. Und wir schreiben damit in sich betrachtet auch keine roten Zahlen."

Auch wenn der wirtschaftliche Erfolg für Schober und den DHB ein nachgelagertes Ziel ist: Sollte nichts Außergewöhnliches dazwischenkommen, wird der Verband unter dem Strich finanziell ein positives Ergebnis mit der Ausrichtung der EM erzielen. Gut möglich also, dass der DHB sich nach dem Weltrekordspiel mit dem Überschuss aus dem Turnier weitere Träume erfüllen kann.

Henning Eberhardt

Dominator Karabatic: Die Rekordspieler bei Handball-Europameisterschaften