Bundesliga

Von Covic zu Klinsmann: Die Korrektur einer Fehleinschätzung

Eine kommentierende Analyse von Steffen Rohr

Von Covic zu Klinsmann: Die Korrektur einer Fehleinschätzung

Das Trainer-Experiment mit Ante Covic ist gescheitert; Michael Preetz (l.) muss eine Krise managen, die er selbst zu verantworten hat.

Das Trainer-Experiment mit Ante Covic ist gescheitert; Michael Preetz (l.) muss eine Krise managen, die er selbst zu verantworten hat. imago images

Es war eines jener Spiele, in denen alle Sicherungssysteme ausfielen. Herthas grotesk-desolater Auftritt beim 0:4 in Augsburg erinnerte fatal an jene Endspiele, die weiland andere Hertha-Trainer durchlitten. Huub Stevens' 1:6 im DFB-Pokal in Bremen im Dezember 2003, Lucien Favres 1:5 in Hoffenheim im September 2009, Michael Skibbes 0:5 in Stuttgart im Februar 2012 - das waren als Fußballpartien getarnte Trauerspiele.

Am Morgen nach dem Fiasko von Augsburg stellte sich Covic in der Kabine, auf dem Trainingsplatz und vor den Journalisten kerzengerade hin, auch wenn er keine Lösungen parat hatte, wohl auch nicht haben konnte - angesichts der Summe und Schwere der Mängel einer Mannschaft, die er ein- und aufgestellt hatte. Seine Profis irrlichterten in Augsburg ohne Navigationsgerät über den Platz, sie hatten kollektiv den Abwesenheitsassistenten aktiviert. Es war nicht die erste, aber zweifellos die massivste Fehlermeldung, die die Mannschaft ihrem akribisch-bemühten, zugleich allerdings glücklosen Vorgesetzten lieferte.

Covic rückt von seiner Idee ab, seine Glaubwürdigkeit leidet

Covic sollte und wollte gemäß dem Auftrag der Bosse und gemäß seiner eigenen Überzeugung Herthas jahrelang unspektakuläres, aber stabiles Spiel mit mehr Ballbesitz, Offensivdrang und Risiko würzen. Am Ende waren von einem mutigeren, variableren Offensivspiel nicht mal mehr Spurenelemente zu sehen - und die Kompaktheit, unter Covics Vorgänger Pal Dardai der Garant für vier sorgenfreie Jahre, zerbröselte wie ein Knäckebrot, das man in kleine Stücke bricht.

Covic war nach dem Fehlstart mit nur einem Punkt aus vier Spielen von seiner ursprünglichen fußballerischen Idee abgerückt. Das war ein Akt des Pragmatismus, aber es half seiner Glaubwürdigkeit in der Kabine nicht. Er schaffte es trotz vieler personeller und taktischer Experimente in knapp fünf Monaten nicht, der Mannschaft Balance, eine funktionierende Achse und eine unverkennbare Handschrift zu geben. Nach fast einem Jahrzehnt als Trainer im Ausbildungsbereich wurde Covic von Manager Michael Preetz auf ein Parkett geschoben, das für ihn zu glatt war.

Mit weichen Faktoren wie Sympathie, Empathie, Identifikation und Fleiß punktete er zuhauf, in der wahren Währung der Branche - Siegen und Toren - war sein Ertrag karg. Der Spagat zwischen Nähe und Distanz, zwischen Kommunikation und Konsequenz überforderte Covic. Die Moderation des zu großen Kaders gelang ihm deutlich weniger reibungsfrei als Vorgänger Dardai. Einflussreiche Reservisten wie Salomon Kalou, Karim Rekik oder Ondrej Duda verloren unter Covic erst ihre Form und dann ihre gute Laune, atmosphärische Eintrübungen waren die Folge.

Der Trainerwechsel wirft grundsätzliche Fragen auf - auch nach der Eignung der Mannschaft

Die wiederholt blutleeren Auftritte dieser Mannschaft werfen indes grundsätzliche Fragen nach ihrer Eignung auf. Dass der Kader, von dem die Bosse glaubten, um Platz 6 mitspielen zu können, in der Summe seiner Einzelspieler mehr hergibt als Platz 15, steht außer Frage. Dass ein individuell ordentlich, in Teilen gut besetzter Kader dem Stresstest Abstiegskampf nicht zwingend gewachsen sein muss, hat Hertha indes 2009/10 schmerzhaft selbst erfahren, als das damalige Team um Arne Friedrich, Raffael, Lukasz Piszczek, Cicero und Adrian Ramos nach Platz 4 im Jahr zuvor sang- und klanglos abstieg.

"Gegenentwurf" Klinsmann soll den Totalabsturz verhindern

Hertha wollte und will nach dem Einstieg des Investors Lars Windhorst, der binnen fünf Monaten 224 Millionen Euro in den Klub gepumpt hat, mittelfristig in die Champions League. Jetzt aber geht es vorerst darum, den Totalabsturz zu verhindern. Michael Preetz muss eine Krise managen, die er selbst zu verantworten hat. Es gab gute Gründe, nach viereinhalb Jahren unter Dardai etwas Neues zu wagen. Aber dem Bundesliga-Novizen Covic das Mandat für Herthas Aufbruch in die sportliche Zukunft zu erteilen war eine Fehleinschätzung. Die hat Preetz nach drei quälend langen, mit vielen Telefonaten und Analysen gespickten Tagen korrigiert - zu einem Zeitpunkt, der alternativlos erscheint.

Jetzt soll Jürgen Klinsmann, der ein Comeback auf der Trainer-Bank noch vor wenigen Tagen nahezu ausgeschlossen hatte, mit Alexander Nouri an seiner Seite den sportlichen Totalabsturz verhindern. Klinsmann ist so etwas wie der Gegenentwurf zu Covic - und nach der Absage von Wunschkandidat Niko Kovac womöglich keine schlechte Wahl. Mit seiner Strahlkraft und seiner Reputation wird der frühere Teamchef der deutschen Nationalmannschaft den Fokus auf sich ziehen, die Mannschaft kann in Ruhe arbeiten. Auch wenn die Personalie nicht ohne Risiko ist: Man darf Klinsmann im Verbund mit Nouri zutrauen, einem Team, das zuletzt zu oft ohne Temperament und Überzeugung auftrat, Selbstvertrauen und Struktur zu geben.

Die Kräfteverhältnisse im Klub beginnen sich zu verändern

Was bleibt, sind Probleme struktureller Art. Herthas sportliche Führung ist im operativen Bereich seit Jahren nicht breit genug aufgestellt. Und den Gremien mangelt es an sportlicher Expertise. Dass der notorisch ehrgeizige Windhorst, der im Zweifel lieber zwei Nummern zu groß als eine zu klein denkt, Jürgen Klinsmann zu Monatsbeginn als einen seiner vier Bevollmächtigten in den Aufsichtsrat der Hertha-Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) entsandt hat, war ein klares Signal - auch wenn es nicht bei allen im Klub, an die es adressiert war, sogleich ankam.

Jetzt gibt Klinsmann sein Comeback auf der Trainerbank. Die eigentliche Botschaft greift weiter als diese Personalie: Die Kräfteverhältnisse beginnen sich gerade zu verändern. Die Jahre, in denen sich Hertha harmonietrunken und bequem in der eigenen Mittelmäßigkeit eingerichtet hat, sind allem Anschein nach vorbei. Das werden nach Ante Covic noch andere im Verein zu spüren bekommen.

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