Bundesliga

Windhorst und Hertha: Jetzt droht der große Knall

Im Zuge der vermeintlichen Spionage-Affäre soll sich der Investor schriftlich erklären

Windhorst und Hertha: Jetzt droht der große Knall

Muss sich erklären: Hertha-Investor Lars Windhorst.

Muss sich erklären: Hertha-Investor Lars Windhorst. picture alliance/dpa

"Nach dem gestern veröffentlichten Artikel in der Financial Times über eine in Tel Aviv erhobene Klage gegen Lars Windhorst und eine Gesellschaft seiner Tennor-Holding B.V. hinsichtlich eines Auftrags betreffend Hertha BSC haben unsere Gremien beschlossen, die dort erwähnten Vorgänge durch eine Kanzlei aufarbeiten und beurteilen zu lassen. Zudem wurde Tennor zur detaillierten Stellungnahme aufgefordert", erklärte der Klub am späten Freitagnachmittag in einer Stellungnahme.

Nach kicker-Informationen erging von Hertha-Seite ein gemeinsam von der Geschäftsführung und den Gremien aufgesetztes Schreiben an Windhorst, in dem dieser aufgefordert wird, sich in der Angelegenheit bis zum Montag per eidesstattlicher Versicherung zu erklären.

Für Dienstagnachmittag hatte der Klub zu Beginn dieser Woche zu einem Medientermin geladen, in dem der seit Ende Juni amtierende Präsident Kay Bernstein die ersten 100 Tage seiner Amtszeit bilanzieren wollte - im Beisein von Gesellschafter Windhorst, der für 375 Millionen Euro 64,7 Prozent der Anteile an der Hertha KGaA hält. Diesen Termin cancelte der Klub am Freitag, er soll zu späterer Zeit nachgeholt werden.

Windhorst-Sprecher erkennt "kompletten Unsinn"

Dass Windhorst dann tatsächlich dabei sein wird, glauben inzwischen längst nicht mehr alle, die mit dem Innenleben des Klubs vertraut sind. Falls Windhorst die im Raum stehenden Vorwürfe nicht überzeugend ausräumen kann, droht der große Knall.

Auslöser der aktuellen Unruhe war ein Bericht der "Financial Times", demzufolge Windhorst die israelische Detektei Shibumi Strategy beauftragt habe, Gegenbauer auszuspionieren, zu diskreditieren und mit einer Undercover-Kampagne aus dem Amt zu drängen. Im Raum steht der Verdacht, dass auch Gegenbauers Umfeld und Gremienmitglieder von Hertha ausspioniert worden sein sollen, um belastendes Material zusammenzutragen. Publik wurde das, weil das Unternehmen Shibumi Strategy Limited aus Tel Aviv Windhorst offenbar vor einem Bezirksgericht in Tel Aviv verklagt hatte.

Da Gegenbauer im Mai von seinem Amt zurückgetreten sei, war Shibumi Strategy laut "Financial Times" der Ansicht, dass "das Projekt erfolgreich ausgeführt" worden sei und dem Unternehmen deshalb ein Erfolgshonorar zustehe. Der "Financial Times" zufolge habe Shibumi Strategy Windhorsts Unternehmen Tennor verklagt, weil dieses die vertraglich zugesicherten Honorare von einer Million Euro für die achtmonatige Tätigkeit plus ein mündlich vereinbartes Erfolgshonorar von vier Millionen Euro nicht gezahlt habe. Windhorsts Sprecher Andreas Fritzenkötter hatte den Bericht am Donnerstag als "kompletten Unsinn" bezeichnet.

Eingesehene Dokumente und ein 20-Mann-Spionage-Team

Die "Financial Times" behauptet allerdings, sie habe mit Hilfe der Zeitung "The Times of Israel" die Dokumente einsehen können, die vor etwa drei Wochen bei einem Amtsgericht in Tel Aviv eingereicht worden seien. Daraus gehe hervor, dass Windhorst die Firma Shibumi mit der Entwicklung einer Strategie beauftragt habe, um die eigene Reputation zu stärken. Die Unterlagen enthielten auch einen Bericht über die Kampagne mit dem Codenamen "Euro 2020", in dem Shibumi Strategy erkläre, wie das Unternehmen mit einem 20-Mann-Team versucht habe, sich Gegenbauers Unterstützern, seinen Gegnern und auch seiner Familie - wahlweise online oder persönlich, offen oder verdeckt - zu nähern, um an Informationen zu kommen und die Stimmung gegen den damaligen Präsidenten von Hertha BSC zu beeinflussen.

Laut "Financial Times" seien unter anderem eine Reihe von Online-Fake-Profilen angeblicher Hertha-Fans erstellt worden, die Gegenbauer kritisierten. Zudem sei ein Karikaturist bezahlt worden, um wenig schmeichelhafte Bilder von Gegenbauer - etwa als Sensenmann und Teufel - zu erstellen, die in den sozialen Medien platziert wurden. Überdies seien eine Website und ein Telegram-Kanal eingerichtet worden, ebenso der Blog "Sportfreax", der noch immer existiert - ohne Impressum und mit einem Autor ohne Namen.

Jetzt liegt der Ball in Windhorsts Hälfte

Lars Windhorst

Aufgrund des neuen Kapitels bezüglich Lars Windhorst schwankt die Stimmung in den Gremien in diesen Stunden zwischen Irritation und Fassungslosigkeit. IMAGO/Nordphoto

Windhorst, dessen Verhältnis zu Gegenbauer seit längerem schwer beschädigt war, hatte im März via "Bild-TV" eine weitere Zusammenarbeit mit Gegenbauer ausgeschlossen und für dessen Abwahl geworben. Dazu kam es nicht, weil Herthas Präsident im Mai, nach dem in der Relegation gegen den Hamburger SV erreichten Klassenerhalt, seinen Rücktritt erklärt hatte - nach insgesamt 14 Jahren im Amt. Unabhängig von Windhorsts Attacken hatte Gegenbauers Standing bei vielen Hertha-Mitgliedern und auch bei einigen Gremienmitgliedern in den letzten Jahren seiner Amtszeit erheblich gelitten. Dass Windhorsts im Raum stehende Kampagne eine tragende Rolle für Gegenbauer bei dessen Demission spielte, bezweifeln Insider. Nach seinem Rücktritt im Mai hatte Gegenbauer erklärt: "Ich habe 14 Jahre ehrenamtlich Hertha BSC als Präsident gedient. Mein Werk ist getan."

Nach Gegenbauers Rücktritt und der Wahl Bernsteins Ende Juni hatte den Klub - auch befeuert durch die geradlinige, authentische Art des neuen Trainers Sandro Schwarz - eine Aufbruchstimmung erfasst. Jetzt holen Hertha die Dämonen der Vergangenheit wieder ein.

Nach kicker-Informationen ist Bernstein noch bis zum Samstag im Mallorca-Urlaub, hat sich aber nach der Veröffentlichtung der "Financial Times" mit seinen Präsidiumskollegen über das weitere Vorgehen in der Causa verständigt. Der Aufsichtsrat des Klubs tagte am Donnerstagabend. Die Stimmung in den Gremien schwankt aktuell zwischen Irritation und Fassungslosigkeit. Jetzt liegt der Ball in Windhorsts Hälfte.

Klar ist: Das Spiel gegen die TSG Hoffenheim am Sonntag (15.30 Uhr, LIVE! bei kicker) interessiert aktuell nur am Rande. Der Schlagzeilen-Fabrikant Hertha BSC ist zurück - diesmal, wie's aussieht, ohne Zutun des Klubs.

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