Motorsport

Wie steht es eigentlich ums autonome Fahren?

Freigabe für Mercedes - Robo-Taxis in Planung - Nutzen kontrovers diskutiert

Wie steht es eigentlich ums autonome Fahren?

"Drive Pilot" von Mercedes: Fahrer respektive Fahrerin dürfen sich fahrfremden Beschäftigungen widmen.

"Drive Pilot" von Mercedes: Fahrer respektive Fahrerin dürfen sich fahrfremden Beschäftigungen widmen. Daimler

Der Hype war groß ums autonome Fahren. Noch vor wenigen Jahren schien es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis führerlose Automobile über die Straßen rollen würden. 2025 werde es soweit sein, sagte der frühere Opel-Chef Karl-Thomas Neumann, davon sei er fest überzeugt.

Inzwischen ist es zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung still geworden ums Robo-Auto. Andere Themen beschäftigen die Diskussionen, allen voran die CO2-Problematik und der Umstieg auf Elektromobilität. Zudem haben schwere Unfälle Misstrauen geschürt - so im März 2018, als sich im US-Bundesstaat Arizona die Künstliche Intelligenz (KI) eines Testfahrzeugs des Mitfahrdienstes Uber als tödlich unintelligent erwies und eine Radlerin übersah; die Fahrerin des Volvo XC90 hatte auf ihrem Smartphone einen Film angesehen. Oder im März 2021, als in Michigan die Autopilot-Funktion eines Tesla vom Blaulicht eines Streifenwagens irritiert schien und fünf Polizisten verletzt wurden.

Misstrauen gegenüber der Technik

Entsprechend ausgeprägt ist die Skepsis gegenüber selbstfahrenden Autos. Bei einer Erhebung der Plattform mobile.de gaben 56 Prozent der Befragten an, der autonomen Technologie "eher nicht oder überhaupt nicht zu trauen".

Autonomer Shuttle ZF

Autonomer Shuttle: Auch Zulieferer wie ZF arbeiten am elektrisch selbstfahrenden Auto. ampnet/ZF

Dennoch: Die Thematik lebt. Im Sommer hat die Bundesregierung mit dem "Gesetz zum autonomen Fahren" einen Regelungsrahmen geschaffen. Und die Technik wird weiterentwickelt: Einerseits von den US-amerikanischen IT-Giganten wie der Google-Schwester Waymo oder Amazon - der Konzern hat beim Start-up "Plus" mindestens 1000 Systeme zur Automatisation von Lkw bestellt und sich gleich eine Kaufoption für das Unternehmen selbst gesichert. Andererseits aber auch von den Automobilherstellern. So sorgte aktuell die Nachricht für Schlagzeilen, dass Mercedes vom Kraftfahrt-Bundesamt als weltweit erster Autobauer eine Typgenehmigung für das hochautomatisierte Fahren auf Level 3 erhalten hat.

Fünf Levels bis zum autonomen Fahren

Um zu verstehen, was das bedeutet, seien die Schritte hin zum autonomen Fahren kurz skizziert:

Level 1 (assistiertes Fahren) ist - Beispiel Spurhalteassistent oder Abstandstempomat - in vielen Modellen bereits Usus.

Level 2 (teilautomatisiertes Fahren) überlässt der Software für wenige Sekunden das Kommando, dann muss der Fahrer wieder tätig werden.

Level 3 (hochautomatisiertes Fahren) markiert den größten Sprung - der Fahrer darf sich mit anderen Dingen beschäftigen, muss aber jederzeit in der Lage sein, einzugreifen.

Level 4 (vollautomatisiertes Fahren) bedeutet, dass das Fahrzeug dauerhaft übernimmt, die Haftung verlagert sich auf den Hersteller.

Level 5 meint, dass der Mensch nur noch Passagier ist, das Fahrzeug benötigt weder ein Lenkrad noch Pedale.

Die jetzt erteilte Level-3-Freigabe betrifft den sogenannten "Drive Pilot" von Mercedes. Dabei handelt es sich um ein automatisches Spurhaltesystem, das in der Mercedes S-Klasse und bald auch im rein elektrischen Oberklassemodell EQS zum Einsatz gelangt. Allerdings ist die Nutzung vorerst nur auf autobahnähnlichen Straßen und bis zu einer Geschwindigkeit von 60 km/h erlaubt, was den Fahrer respektive die Fahrerin also hauptsächlich im Stau entlastet. Hier beschleunigt, bremst und lenkt das Auto selbstständig, der Pilot oder die Pilotin kann währenddessen fahrfremden Beschäftigungen nachgehen - ein Buch lesen etwa oder im Internet surfen. Ein Schläfchen einzulegen geht hingegen nicht, denn es muss jederzeit die Bereitschaft bestehen, das Steuer nach entsprechender Aufforderung zu übernehmen.

Erste Auslieferungen von S-Klasse-Modellen, die mit dem Drive-Pilot-System ausgestattet sind, sind für die erste Jahreshälfte 2022 geplant. Die neue Typgenehmigung sei "ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zur Automatisierung", sagt KBA-Präsident Richard Damm.

Robotaxi Sixt

Robotaxi: Sixt und Mobileye planen ab kommenden Jahr die Umsetzung. Sixt

Zu Selbstfahrern sollen vor allem auch autonome Taxis werden, wie sie in Asien und in den USA längst ausführlich erprobt werden. In Deutschland gibt es ebenfalls Pilotprojekte, so wie den autonomen Shuttle im niederbayerischen Bad Birnbach, der allerdings noch unter Aufsicht eines menschlichen Fahrzeugführers steht, der im Notfall eingreifen kann.

Robo-Taxi für München

So wird es auch bei dem Robotaxi-Dienst sein, den der Autovermieter Sixt im kommenden Jahr gemeinsam Mobileye angehen will, der israelischen Automotive-Tochter von Intel. Zunächst steht ein Probelauf in München an, konkret mit siebensitzigen Fahrzeugen des chinesischen Herstellers Nio, die wiederum mit Lidar-Sensoren, etlichen Kameras und Radar-Sensoren für die neue Aufgabe ausgerüstet werden. Fahrgäste sollen den Service via Smartphone buchen können, entweder über die "Moovit"-App von Intel als auch über die App der Sixt-Mobilitätsplattorm "One".

Elektro-Bulli als Selbstfahrer

Volkswagen Nutzfahrzeuge wiederum will ab 2025 selbstfahrende Kleinbusse auf Hamburgs Straßen schicken. Dabei setzt man nicht nur auf einen taxiähnlichen Ridehailing-Dienst wie Sixt, sondern auch aufs Ridepooling, bei dem sich die Passagiere in einer Art Sammeltaxi zusammenfinden. Als Verkehrsmittel dient der künftige Elektro-"Bulli" ID.Buzz; das Technologieunternehmen Argo Al steuert das autonome Fahrsystem bei, der Fahrdienst Moia - eine VW-Tochter, mit der man bereits erste Erfahrungen in Hamburg und Hannover sammeln konnte - den Ridepooling-Service.

Autonomer ID.Buzz

Gerüstet fürs autonome Fahren: Der elektrische VW ID.Buzz. Hersteller

Die Fahrtrichtung ist klar: Bevor private Robo-Autos unterwegs sind, dürften sich zunächst kommerzielle Geschäftsmodelle etablieren. Ob die autonomen (Sammel-)taxis den innerstädtischen Verkehr tatsächlich entlasten können, wird allerdings kontrovers diskutiert. So hat PTV - ein zur Porsche Automobil Holding gehörendes Softwareunternehmen - verschiedene Simulationsberechnungen durchgeführt. Dabei ist man zum Ergebnis gelangt, dass sich der größte Verkehrsrückgang dann einstellen würde, wenn die heutigen ÖPNV-Nutzer Bussen und Bahnen treu bleiben, die Autofahrer aber auf autonomes Ridesharing umsteigen. Genauso gut könnte es jedoch passieren, dass dieser Idealfall nicht eintritt und auch die ÖPNV-Passagiere wechseln. Würden sie das geschlossen tun, könnte laut Berechnung ein Anstieg des Verkehrsaufkommens um 97 Prozent zu erwarten sein. Dies geht womöglich mit mehr Staus und stockendem Verkehr einher, denn die Selbstfahr-Technik zwingt die Robo-Autos zu besonders vorsichtiger und regelkonformer Fahrweise sowie dazu, einen großen Sicherheitsabstand zum Vordermann einzuhalten.

Vorteil für die Fahrdienstleister

Uneingeschränkt ausgemacht sind nur die Vorteile für die Fahrdienstleister selbst und erklären auch deren großes Interesse am autonomen Auto: Der Verzicht auf das dann überflüssige Fahrpersonal brächte ihnen eine erhebliche Kosteneinsparung.

Ulla Ellmer, ule