Bundesliga

Wie Freiburg den Überzahl-Fluch abstreifte

Streichs Analyse und ein besonders wichtiger Faktor

Wie Freiburg den Überzahl-Fluch aus dem Pokalfinale abstreifte

Überwand den Überzahl-Fluch: SC-Trainer Christian Streich.

Überwand den Überzahl-Fluch: SC-Trainer Christian Streich. IMAGO/Jan Huebner

Die Freiburger Endspielniederlage im Mai 2022 geht als besonders bitter in die Geschichte ein, weil sie durch einen Aluminiumtreffer im Elfmeterschießen nach bereits drei Aluminiumtreffern von SC-Profis in der Verlängerung besiegelt wurde - und die Mannschaft von Christian Streich über eine Stunde mit einem Mann mehr gespielt und ihre 1:0-Führung in dieser Zeit eingebüßt hatte.

Am Samstag agierte der Sport-Club erstmals nach dem Finaldrama wieder in Überzahl, diesmal sogar über 75 Minuten - und gewann 2:0. Einige Unterschiede liegen auf der Hand. Es war kein K.-o.-Spiel um einen wichtigen Titel, in dem eine Führung kombiniert mit einer Überzahl und die dadurch greifbar scheinende Trophäe auch lähmen kann. Das Spiel fand nun im eigenen Stadion statt und beim gegnerischen Platzverweis stand es noch 0:0. Der Gegner hieß diesmal Bremen und ist trotz seiner bisher starken Saison individuell längst nicht so gut besetzt wie das RB-Team.

Aber vor allem eine entscheidende Sache war anders. Streich und sein Trainerstab hatten eine 15-minütige Halbzeitpause Zeit, um die Profis auf die Anforderungen und Lösungsoptionen im komplett veränderten Spiel einzustellen. Schon in Berlin war die Leistung nach der kurzen Unterbrechung vor der Verlängerung besser - siehe die drei Alutreffer. Am Samstag war der Unterschied noch deutlicher. Bis zur Pause taten sich die Gastgeber in der an Handball erinnernden Partie sehr schwer, das Bremer Tor echter Gefahr auszusetzen, verbuchten nur zwei Chancen - in der zweiten Hälfte waren es sieben, darunter die Tore von Lukas Kübler und Vincenzo Grifo.

"Geholfen hat uns ganz klar die Halbzeit, weil wir es ganz in Ruhe besprechen konnten. Dann haben es die Jungs sehr gut umgesetzt. Wir hatten ein gutes Positionsspiel und eine gute Restverteidigung, weil wir die Breite abdecken konnten. Dann kamen die Situation, die brandgefährlich wurden, davon haben wir die eine genutzt und haben nichts zugelassen, außer einen gefährlichen Eckball", analysierte Streich: "Die Mannschaft hat dann sehr diszipliniert gespielt, mit einem guten Rhythmus, nicht zu schnell und nicht zu langsam. Ich bin hochzufrieden. Da merkst du, dass wir viele Spieler in der Mannschaft haben, die auch sehr viel Erfahrung mitbringen."

Und: Streich konnte zum zweiten Durchgang Ritsu Doan einwechseln. "Da merkst du, dass wir auch individuelle Qualität haben", sagte der Trainer. Für den dribbelstarken japanischen Sommerzugang, der für enge Räume prädestiniert ist und auf vier Tore und zwei Assists in 17 Einsätzen kommt, löste Streich die Doppelsechs auf (Keitel ging raus), ließ sein Team fortan in einer Art 3-1-5-1 agieren, das phasenweise auch zu einem 2-4-4 oder gar einem 2-2-6 wurde - wie beim 1:0.

Cleverer Grifo reißt es raus

Grifo, der das Spiel meistens aus dem halblinken Mittelfeld gestalten sollte, bekam diesmal an der Außenlinie den Ball, knackte den Werder-Riegel mit einem erfolgreichen Dribbling gegen Mitchell Weiser und einer Hereingabe mit dem schwachen linken Fuß. An vier gedeckten Mitspielern vorbei landete der Ball am langen Pfosten beim von den Bremern vergessenen Kübler, der als nominell rechtes Glied der Abwehr-Dreierkette weit aufgerückt war. Die Entscheidung führte der SC durch einen Einwurf gegen unsortierte Bremer herbei, der im von Grifo clever herausgeforderten und souverän verwandelten Strafstoß mündete.

Seit dem Aufstieg 2016 spielte der SC nun zum elften Mal in der Liga in Überzahl und gewann davon sechs Partien, spielte dreimal Remis und verlor zweimal. Oft dezimierte sich der Gegner erst spät in der zweiten Hälfte. Bemerkenswert sind daher die Spiele auf Schalke (42. Minute) im Februar 2019, als der SC trotz großer Pause nicht über ein 0:0 hinauskam, der 1:0-Sieg gegen Frankfurt (45.) im November 2019, als kurz vor Schluss noch David Abraham für seinen Rempler gegen Streich und Grifo in der folgenden Rudelbildung Rot sahen, sowie das Heimspiel im Januar 2020 gegen Paderborn (59.), das die Freiburger sogar 0:2 verloren.

Nun haben sie eine recht lange Überzahl am Ende souverän ausgenutzt - und damit auch ein bisschen den Fluch aus dem Pokalfinale abgestreift.

Carsten Schröter-Lorenz

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