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Kommentar zu Martin Kind: Wie eine hohle Monstranz

Kommentar

Wie eine hohle Monstranz

Sein Investor-Votum lässt sich nicht überprüfen: Hannover-96-Boss Martin Kind.

Sein Investor-Votum lässt sich nicht überprüfen: Hannover-96-Boss Martin Kind. IMAGO/localpic

Die 50+1-Regel und Martin Kind, das ist eine ziemlich lange Geschichte. Wer sie möglichst kurz halten will, könnte es so versuchen: Anders als beispielsweise Dietmar Hopp bei der TSG Hoffenheim erhielt der Hörgeräte-Unternehmer nie von der Deutschen Fußball-Liga DFL das Placet, neben der Kapital- auch die Stimmenmehrheit bei Hannover 96 zu übernehmen. Die Förderung sei nicht erheblich genug gewesen. Seither stehen sich die Liga und Kind mit gewisser Skepsis gegenüber - was die DFL nicht davon abhielt, den sogenannten "Hannover-96-Vertrag" zu billigen, der laut dem Vereinsrechtsexperten Prof. Lars Leuschner gegen 50+1 verstößt.

Dieser Umstand nützt ihr nun einerseits und droht ihr andererseits auf die Füße zu fallen mit Blick auf das Votum ihrer Mitgliederversammlung, weitere Schritte in Sachen Liga-Investor einzuleiten. Natürlich haben die DFL-Geschäftsführer Dr. Steffen Merkel und Dr. Marc Lenz oder FC-Bayern-Vorstandsboss Jan-Christian Dreesen recht, wenn sie von einer deutlichen Mehrheit sprechen. 24 Klubs stimmten schließlich mit "Ja". Aber: Diese 24 stellen exakt die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit dar. Hat Kind nun - entgegen der Weisung des e. V. - dazu beigetragen? Rechtlich stellt sich die Frage vielleicht nicht, moralisch aber eben schon. Weil nahezu alle Klubvertreter in Deutschland, Ausnahmen bestätigen die Regel, 50+1 hochhalten und stets die Wichtigkeit des Fußballs als Kulturgut in der Bundesrepublik betonen. Dass sich Kinds Votum nun nicht überprüfen lässt, wirkt geradezu absurd. Wie sonst soll das Weisungsrecht sichergestellt werden? Lenz und Merkel übrigens können am wenigsten für den offensichtlichen Konflikt, dessen Klärung man in fast schon historischem Ausmaß vor sich herschiebt, sie müssen die Suppe anderer Köche nun auslöffeln.

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Jahrelang haben Ligaverband und Bundeskartellamt zuletzt an einem Deal gebastelt, diese Regel auf möglichst sichere Füße zu stellen, ohne die gewährten Förderausnahmen Bayer Leverkusen und VfL Wolfsburg zu pulverisieren. Wenngleich ein liga-internes Prüfverfahren läuft: Kind durfte in Hannover 50+1 offenkundig aushöhlen, ihn allerdings mit den Möchtegern-Investoren Mikhail Ponomarev beim KFC Uerdingen oder Hasan Kivran bei Türkgücü München gleichzusetzen, die 50+1 offenkundig ebenso missachteten unter den Augen des DFB und ihre Klubs dabei in die Insolvenz gestürzt haben, wäre nicht gerechtfertigt.

Der deutsche Fußball, das ist im Zuge des Montags offenkundiger denn je geworden, hat ein Problem. Dieses kann man nun, wie seit Jahren geschehen, totschweigen. Nur sollte man 50+1 dann nicht wie eine - in diesem Fall hohle - Monstranz vor sich hertragen und in der Öffentlichkeit vom speziellen Weg des deutschen Fußballs erzählen. Dass nun die Liga, die Kind die Ausnahmegenehmigung verweigert und sein offensichtlich konträres Handeln zumindest toleriert hat, und der Hörgeräte-Unternehmer in einem Boot sitzen, ist eine Ironie des Schicksals. Sollte die DFL nun versuchen, Kind auszubremsen, würde es nicht wundern, wenn der 79-Jährige diese ganze Kontroverse benutzen würde, um vor ordentlichen Gerichten einen Prozess anzustreben mit dem Ziel, 50+1 zu kippen.

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  • Für Investitionen u.a. in Digitalisierung wollte die DFL-Führung Kapital von einen Investor einholen.
  • Die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit wurde bei der geheimen Abstimmung auf die Stimme genau erreicht.
  • Nach einer außerordentlichen Sitzung hat die DFL beschlossen, den Partnerprozess nicht weiterzuführen.