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Das 96-Problem: Investoren-Beschluss nicht anfechtbar

Wie hat Kind abgestimmt?

Das 96-Problem: Investoren-Beschluss nicht anfechtbar

Wie hat H96-Geschäftsführer Martin Kind abgestimmt?

Wie hat H96-Geschäftsführer Martin Kind abgestimmt? IMAGO/localpic

Dass das Verhältnis zwischen dem eingetragenen Verein der Niedersachsen und dem Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH, die die Lizenz zum Spielbetrieb in der 2. Liga hält, Martin Kind, höchst angespannt ist, ist keine Neuigkeit. Im Zuge der Abstimmung über einen strategischen Partner der DFL erhielt dieser Zwist neue Nahrung: Schon im Vorfeld des Votums am Montag hatte es Kontroversen gegeben, weil die Kind-Seite Unterlagen der DFL nicht an Vereinsgremien weitergegeben hatte. In der Folge wies der e.V. Kind an, bei der MV gegen den Investoren-Einstieg zu stimmen.

Auf kicker-Anfrage hatte die Fußball-KG von Hannover 96 mitgeteilt: "Wir begrüßen grundsätzlich neue strategische Überlegungen der DFL."

Es wurde geheim abgestimmt, Kind verwies auf Nachfrage gerade darauf - die 24 Ja-Stimmen am Montag reichten geradeso für eine Fortführung des heiß diskutierten Prozederes. Nun ist es laut Medienberichten so, dass die e.V.-Vertreter Kind zum Rapport bestellen und ihm die Frage stellen möchten: Wie hat der 79-Jährige gestimmt? Bis dato blieb Kind eine Antwort schuldig, heißt es aus Vereinskreisen. Und das ist ein großes Problem.

Denn rein von der Logik her wäre es doch so: Hat Kind mit "Ja" gestimmt und damit dem Willen des e.V. widersprochen, wäre dies mehr als anrüchig. Gerade mit Blick auf die 50+1-Regel, die den Einfluss von Investoren in den deutschen Vereinsfußball einschränkt und die auch die DFL-Führung im Rahmen des aktuellen Investoren-Prozesses stets als wichtig untermauert hat. Könnte Hannover 96, also der e.V., in diesem Falle den Prozess also folglich kippen?

Nein, sagt Prof. Dr. Lars Leuschner, einer der renommiertesten deutschen Vereinsrechtler: "Dass der Beschluss vom Montag aufgrund des Abstimmungsverhaltens von Kind angefochten werden kann, halte ich für nahezu ausgeschlossen. Auch wenn Kind gegen eine Weisung verstoßen hat, ändert das nichts an der Wirksamkeit seiner Stimmabgabe in der Mitgliederversammlung der DFL."

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Die Diskussion um einen DFL-Investor

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  • Für Investitionen u.a. in Digitalisierung wollte die DFL-Führung Kapital von einen Investor einholen.
  • Die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit wurde bei der geheimen Abstimmung auf die Stimme genau erreicht.
  • Nach einer außerordentlichen Sitzung hat die DFL beschlossen, den Partnerprozess nicht weiterzuführen. 

Was auf den ersten Blick unlogisch erscheint, wird an einem simplen Beispiel nachvollziehbar: Beauftragt ein Firmenchef seinen Prokuristen mit dem Kauf eines grünen Autos und kommt dieser mit einem roten Wagen zurück, mag der Boss gegenüber seinem Angestellten das Recht haben, diesen zum Rapport zu bestellen - der Kaufvertrag mit dem Automobilhändler jedoch wird durch die missachtete Weisung nicht ungültig.

"Etwaige durch dazu in der Governance-Struktur des jeweiligen Clubs berechtigte Gesellschafter oder Gremien getroffene Empfehlungen, Aufforderungen oder Weisungen gegenüber in der DFL-Mitgliederversammlung für den Club vertretungsberechtigten Personen in Bezug auf eine Abstimmung wirken ganz grundsätzlich - also unabhängig von individuellen Club-Spezifika und -Strukturen, unabhängig vom Thema einer Abstimmung und unabhängig davon, ob diese offen oder geheim durchgeführt wird - nur im Innenverhältnis eines jeweiligen Clubs", teilt ein DFL-Sprecher auf kicker-Nachfrage mit.

"Er durfte nicht für den Investoreneinstieg stimmen"

Dass das Weisungsrecht besteht, davon ist Leuschner überzeugt: "Kind ist als Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH weisungsgebunden gegenüber deren Gesellschafterversammlung. Da in dieser der Hannover 96 e.V. 100 Prozent der Stimmen hält, besteht faktisch eine Weisungsbefugnis des e.V. gegenüber Kind. Mit anderen Worten: Er durfte nicht für den Investoreneinstieg stimmen." Die Vermutung aber, dass Kind genau das getan hat, liegt nahe.

Nun stellt sich die Frage, ob Kind damit gegen die 50+1-Regel verstoßen hat? Mit Blick auf das schwer zu durchdringende Konstrukt in Hannover, das durch eine eigens aufgesetzte und von der DFL einst gebilligte Vertragskonstruktion definiert ist, sagt Leuschner: "Die Gestaltung verstößt meines Erachtens eindeutig gegen die 50+1-Regelung. Ein Weisungsrecht ohne Abberufungskompetenz vermittelt gerade nicht den herrschenden Einfluss des e.V., den die Regel sicherstellen will. Die Ereignisse vom Montag beweisen dies eindrücklich." Der Jurist spielt an auf eine rechtliche Auseinandersetzung, in der der e.V. Kind als Geschäftsführer abberufen wollte, allerdings vor ordentlichen Gerichten damit scheiterte.

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Die 50+1-Regel sieht Folgendes vor: "Bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien muss der Mutterverein oder eine von ihm zu 100 Prozent beherrschte Tochter die Stellung des Komplementärs haben. In diesem Fall genügt ein Stimmenanteil des Muttervereins von weniger als 50 Prozent, wenn auf andere Weise sichergestellt ist, dass er eine vergleichbare Stellung hat, wie ein an der Tochtergesellschaft mehrheitlich beteiligter Gesellschafter." Jener letzte Halbsatz ist laut Leuschner "bei Hannover 96 klar nicht erfüllt. Die DFL hat hier bei der Überprüfung der 50+1-Konformität meines Erachtens alle Augen zugedrückt." Stellt sich die Frage, wie man das 96-Problem nun lösen möchte.

Benni Hofmann

Dreesen und Co. über DFL-Investoren: "Den zweiten Platz hinter der Premier League sichern"

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