2. Bundesliga

Hertha-Sportdirektor Weber: "Wusste, worauf ich mich einlasse"

Herthas Sportdirektor über sein turbulentes erstes Jahr im Amt

Weber: "Ich wusste, worauf ich mich einlasse"

Seit einem Jahr Herthas Sportdirektor: Benjamin Weber.

Seit einem Jahr Herthas Sportdirektor: Benjamin Weber. IMAGO/Metodi Popow

Es war, wenn man so will, der Beginn des "Berliner Weges". Der vor knapp zwei Wochen verstorbene Hertha-Präsiden Kay Bernstein sagte am 29. Januar 2023 in der Pressekonferenz, in der Benjamin Weber als neuer Sportdirektor vorgestellt wurde, an die Adresse der Journalisten: "Die meisten von euch haben sicher damit gerechnet, dass Horst Heldt hier sitzt oder Andreas Rettig. Wir sind aber überzeugt von unserem Weg."

Am Abend zuvor hatte sich Hertha im Anschluss an eine 0:2-Derbyniederlage gegen Union Berlin von Bobic getrennt. "Für uns ist es in den Gremien eine Verantwortung gewesen, einen strategischen Kurswechsel vorzunehmen", sagte Bernstein damals. "Fredi Bobic kam 2021 unter anderen Voraussetzungen nach Berlin. Diese Voraussetzungen haben sich in den letzten anderthalb Jahren deutlich verändert."

Für Weber, der 2014 die Leitung der Hertha-Akademie übernommen hatte, im Sommer 2021 Pablo Thiam vor die Nase gesetzt bekam und im Februar 2022 den Klub verlassen hatte, war "es ein Stück weit, wie nach Hause zu kommen". In Webers Zeit als Verantwortlicher im Nachwuchsbereich fielen unter anderem der Gewinn der Deutschen Meisterschaft der A-Junioren 2018 unter dem 2022 zur U 17 des FC Bayern abgewanderten Trainers Michael Hartmann, die Teilnahme an der UEFA Youth League 2019, die beiden DFB-Pokalfinals der Junioren 2015 und 2016 sowie die Neugestaltung des Trainings- und Medizinzentrums der Akademie.

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Die Trennung von Bobic und die Installierung von Weber markierte eine Art Zeitenwende für den Klub, der sich - befeuert von den 374 Millionen von Investor Lars Windhorst - finanziell dramatisch verhoben hatte. Im kicker bilanziert der gebürtige Berliner Weber jetzt sein turbulentes erstes Jahr als Sportdirektor und spricht über …

… den Start und den Zeitdruck bei seinem Einstieg als Sportdirektor drei Tage vor Schließen des Transferfensters Ende Januar 2023: "Ich wusste, worauf ich mich einlasse. Kay Bernstein hat damals Zecke Neuendorf (wurde am 29. Januar 2023 Direktor Akademie und Lizenzspielerbereich, Anm. d. Red.) und mir sehr klar dargestellt, wie es um den Verein steht und was seine Vision mit Hertha BSC ist. Wir wussten, dass wenig Zeit ist, aber haben kaum darüber nachgedacht, weil wir losgelegt haben. Es ging dann an den ersten Tagen vor allem darum, bestimmte Dinge nicht zu machen, also Dodi Lukebakio und Marton Dardai, für die Angebote vorlagen, nicht zu verkaufen."

… die größte Herausforderung in den zwölf Monaten: "Das war die gesamte Sommer-Transferperiode 2023 unter den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und dem Zeitdruck durch den frühen Saisonstart der 2. Liga. Einige Transfers gestalteten sich sehr schwierig, der Verkauf von Dodi Lukebakio (ging Ende August zum FC Sevilla, d. Red.) zum Beispiel zog sich sehr lange hin. Da war die größte Herausforderung, dass wir es im Team über die fast drei Monate geschafft haben, die Ruhe zu bewahren. Das war der Schlüssel. Wir haben uns auch vom schwachen Saisonstart nicht zu Aktionismus verleiten lassen, sondern die Transferperiode konzentriert und ruhig zu Ende gebracht."

Den Abend werden viele, die es mit Hertha BSC halten, für lange, vielleicht für immer im Herzen tragen.

Weber über den Achtelfinal-Sieg gegen den HSV im Dezember

… den schönsten Moment: "Das Pokal-Achtelfinale gegen den HSV Anfang Dezember (Hertha gewann 5:3 im Elfmeterschießen und hatte in der 90. und 120. Minute jeweils ausgeglichen, d. Red.). Spielverlauf, Dramaturgie, Ergebnis, Atmosphäre - an diesem Abend hat alles gestimmt. Den Abend werden viele, die es mit Hertha BSC halten, für lange, vielleicht für immer im Herzen tragen."

… den schwersten Moment: "Der Tod von Kay Bernstein vor knapp zwei Wochen."

… Kontakt zu seinen Vorgängern Fredi Bobic und Michael Preetz: "Mit Michael habe ich viele Jahre eng und gut zusammengearbeitet. Beide waren auch im Herbst auf der Leadership-Reise der DFB-Akademie in die USA dabei, da haben wir uns getroffen und auch ausgetauscht."

… das Bangen um die Lizenz im Frühsommer 2023: "Das war eine schwierige Zeit - vor allem unter dem Gesichtspunkt, den Spagat zwischen sportlicher Planung und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hinzubekommen. Da hatte ich großes Vertrauen in Geschäftsführer Tom Herrich und sein Team, der uns in dieser Phase immer auf dem Stand der Gespräche mit der DFL gehalten hat. Hier wurde unter sehr schwierigen Bedingungen herausragende Arbeit geleistet, was überhaupt erst die Grundlage für unseren sportlichen Neuanfang gewesen ist."

… den größten Unterschied zu seiner früheren Position als Akademie-Leiter: "Die mediale Präsenz, die von einem Sportdirektor gefordert wird, gab es so zu Akademie-Zeiten natürlich nicht. Mich zieht es nicht zu jeder Zeit vor jedes Mikro, aber ich weiß, dass Kommunikation nach außen in meiner Position dazugehört - und sie hilft, dass die Ideen, die man hat und umsetzt, besser verstanden werden."

Unsere Zusammenarbeit ist geprägt von einem vertrauensvollen, ehrlichen Dialog im Sinne der Sache und im Sinne von Hertha BSC.

Weber über sein Verhältnis zu Trainer Pal Dardai

… einen Spieler, den er gern bei Hertha BSC gehalten hätte: "Lucas Tousart (wechselte im Juli 2023 zu Stadtrivale Union, d. Red.). Er war hier einer der besten Zweikämpfer der Bundesliga mit Top-Laufwerten - und einer sehr guten Mentalität. Aber das war finanziell zu keiner Zeit realistisch. Als Typ und von seinem Profil her hätte ich ihn sehr gern behalten."

… einen Spieler, den er gern geholt hätte, aber nicht bekommen hat: "Im letzten Sommer Aymen Barkok (kam in diesem Januar auf Leihbasis, Red.). Ihn hätten wir damals schon gern gehabt, aber sind mit Mainz seinerzeit nicht übereingekommen. Er bringt sportlich ein Profil mit, das wir so noch nicht hatten."

… die Zusammenarbeit mit Trainer Pal Dardai: "Wir kennen uns seit über zehn Jahren. Als im Sommer klar war, dass er nach dem Abstieg Trainer bleibt, war nicht klar, wie die Mannschaft künftig aussehen wird. Am Ende haben wir mehr als 30 Transferbewegungen gemacht, die letzte am 1. September. Pal hat die ganze Zeit eine Mannschaft auf die Saison vorbereitet, von der nicht klar war, wie sie Anfang September wirklich aussehen wird. Und in der gesamten Zeit kam er nicht einmal und hat sich beschwert und gefragt, wann der Kader endlich fertig ist. Das beschreibt ihn gut. Unsere Zusammenarbeit ist geprägt von einem vertrauensvollen, ehrlichen Dialog im Sinne der Sache und im Sinne von Hertha BSC. Wir können uns zusammen mit Tom Herrich und Zecke Neuendorf auch die Meinung geigen, aber am Ende geht es immer um die Sache."

… den aktuellen Zustand von Hertha BSC: "Wir sind - auch wenn mich das 1:3 am Samstag in Wiesbaden natürlich sehr geärgert hat - auf einem guten Weg. Wir versuchen, den Berliner Weg zu gehen. Der ist demütig, ehrlich, anfassbar, nahbar, geerdet und so transparent wie möglich. Die Fans unterstützen uns auf diesem Weg unglaublich intensiv. Das versuchen wir zurückzugeben - sportlich, aber zum Beispiel auch mit unserer saisonbegleitenden Doku, mit der wir den Fans das Innenleben unseres Klubs in diesen schwierigen Zeiten zeigen wollen."

Ich denke immer noch jeden Tag, er kommt gleich ins Büro und fragt: 'Wie geht’s? Was steht an?'

Weber über den Tod von Präsident Kay Bernstein

… den Verlust von Kay Bernstein und den Berliner Weg ohne ihn: "Kay fehlt als Person, als Mensch, als Herthaner. Ich denke immer noch jeden Tag, er kommt gleich ins Büro und fragt: 'Wie geht’s? Was steht an?' Und in seinen letzten Tagen hat er immer gefragt, wie es Fabi Reese geht und ob er wieder trainieren kann. Kay hat es in seiner viel zu kurzen Amtszeit als Präsident geschafft, dass Hertha wieder positiv wahrgenommen wird und Fans, Mitarbeiter und Mannschaft wieder zu einer Einheit geworden sind. Diesen Weg müssen wir weitergehen: demütig, geschlossen, nachhaltig, aber auch authentisch."

… die Zusammenarbeit mit Investor 777 Partners: "Wir haben in allen sportlichen Bereichen einen regelmäßigen, vertraulichen und guten Austausch. In Bereichen wie Scouting, Daten-Analyse und Netzwerk können wir das Know-how von 777 sinnvoll nutzen. Am Ende treffen wir die Entscheidung, aber wir haben einen guten Austausch. Johannes Spors (Global Sports Director der 777 Football Group, d. Red.) und ich haben wöchentlich einen fixen Termin - und nach Bedarf noch häufiger Kontakt."

… die größte Herausforderung der nächsten Zeit: "Kurzfristig die sportlichen Herausforderungen der Rückrunde in Liga und Pokal zu meistern, mittelfristig die Planung der nächsten Saison unter den weiterhin schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Wir haben inzwischen ein stabiles Fundament geschaffen. Das gilt es, nachhaltig auszubauen. Wir müssen uns weiter darauf besinnen, was uns ausmacht - das ist u. a. die gute Jugendarbeit in unserer Akademie. Und natürlich bleibt die Rückkehr in die Bundesliga unser Ziel."

Als Kind hat mich mein Opa mit ins Stadion genommen, als Jugendlicher bin ich dann selbst gegangen.

Weber über seine Liebe zur Hertha

… Hertha als Lebensaufgabe: "Es war ein sehr intensives erstes Jahr als Sportdirektor, aber es gab nicht einen Tag, an dem ich nicht gern aufs Gelände gekommen bin. Ich bin seit 30 Jahren mit dem Verein verbunden. Als Kind hat mich mein Opa mit ins Stadion genommen, als Jugendlicher bin ich dann selbst gegangen. Als Werkstudent (Weber absolvierte von 2000 bis 2006 ein Diplom-Studium der Sportwissenschaft mit dem Schwerpunkt Sportökonomie/Sportmanagement an der Universität Potsdam, d. Red.) habe ich dann zum ersten Mal für Hertha gearbeitet, später ging es in die Akademie des Klubs. Hertha ist ein großer Teil meines Lebens, klar."

… Möglichkeiten, vom Job abzuschalten: "Familie und ein bisschen Bewegung, das tut mir gut. Meine Frau und meine Kinder haben mich im vergangenen Jahr nicht allzu oft gesehen. Grundsätzlich kann ich bei meiner Familie am besten abschalten. Und beim Sport kriege ich den Kopf frei. Das Laufen kam im vergangenen Jahr etwas kurz. Da werde ich versuchen, mir künftig wieder regelmäßig Zeiten freizuschaufeln."

Steffen Rohr

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