Bundesliga

Von wegen "Platz 6, hurra": Der Ton beim VfB wird rauer

Matarazzo-Experimente ohne Erfolg

Von wegen "Platz 6, hurra": Der Ton beim VfB wird rauer

Sieben Punkte weniger als zum gleichen Zeitpunkt der Vorsaison: Der VfB Stuttgart steckt mitten im Abstiegskampf.

Sieben Punkte weniger als zum gleichen Zeitpunkt der Vorsaison: Der VfB Stuttgart steckt mitten im Abstiegskampf. DeFodi Images via Getty Images

Der Herbst wird in Stuttgart traditionell besonders ungemütlich. Wenn die Tage kürzer wurden, wurden es auch oft die Amtszeiten der VfB-Trainer, wenn die Blätter fielen, fielen oft auch sie.

Pellegrino Matarazzo weiß davon: Er übernahm einst selbst, als es draußen schon ziemlich schmuddelig geworden war. Nun ist der 43-Jährige zwar meilenweit davon entfernt, sich Sorgen um seinen Job machen zu müssen, ein klassisches Stuttgarter Herbsttief allerdings lernt gerade auch er kennen.

Anstatt sich vor der Länderspielpause vom Tabellenkeller zu entfernen, zogen Augsburg (4:1) und Bielefeld (1:0) den VfB noch viel tiefer hinein. Und die Frage, die sich beim Vorjahresneunten stellt, ist, ob gerade tatsächlich nicht mehr möglich ist.

Gegen Bielefeld musste man an Stevens denken

Gegen Bielefeld jedenfalls nahmen die Personalprobleme absurde Züge an. Beim Blick auf die Aufstellung fragte sich wohl mancher VfB-Fan, ob Huub Stevens zum x-ten Mal zurückgekehrt war; in Daniel Didavi begann genau ein gelernter Offensivspieler.

Und als der VfB in der Schlussphase einem Rückstand hinterherlief (und so manchem durchgebrochenen Arminen), brachte Matarazzo fürs Sturmzentrum Matej Maglica, der zwar noch nie in der Bundesliga gespielt hatte und Innenverteidiger ist, aber wenigstens 1,98 Meter groß. Am Tag danach stand Maglica wieder in der VfB-II-Startelf, im Abwehrzentrum.

Bei Matarazzo ist es gerade wie bei der ganzen Mannschaft: Der Wille ist da, wie sie versucht auch er alles, nur reicht es momentan eben nicht. Maglica war schon der 29. Spieler, den er in dieser Saison einsetzte, so viele wie in der gesamten Vorsaison. Der Klubrekord liegt bei 31 (2015/16).

Das Sosa-Experiment wertet Matarazzo als gelungen

Sein Experiment, Linksverteidiger Borna Sosa als Rechtsaußen aufzustellen, weil es ja eh keinen Zielspieler gibt, zu dem er flanken könnte ("Die Idee hatte ich seit mehreren Wochen"), wertete er als gelungen. Für ein Tor gegen den Vorletzten reichte es aber nicht. Der kicker zählte nur zwei nennenswerte Chancen.

Die Gründe sind offensichtlich: Die, die für Tore sorgen sollen, fehlen verletzt oder krank (Kalajdzic, Silas, Marmoush, Führich, Al Ghaddioui), die, die für Tore sorgen, auch (Mavropanos, Kempf). Und die, die noch verfügbar sind, tun sich in ständig wechselnder Konstellation schwer, sind noch nicht so weit oder wirken "überspielt" (Klimowicz, Coulibaly). "Das ist Wahnsinn, was aktuell los ist", hatte Matarazzo schon vor dem Spiel gesagt.

Gegen Bielefeld hatte er deshalb erst einmal sicher stehen und "Nadelstiche setzen" wollen und das auch personell deutlich gemacht. Weil das zwar vor der Pause weitgehend, einmal aber eben nicht funktionierte, musste sich auch Matarazzo unangenehme Fragen gefallen lassen: War das gegen ein siegloses Team, das tabellarisch ja noch viel mehr unter Druck stand, wirklich der richtige Ansatz? Zwischendurch gab es Pfiffe. "Kann man nachvollziehen", sagte Sven Mislintat im Klub-TV.

Der Sportdirektor bleibt bei dem Narrativ, das er seit Wochen verbreitet: "Die Grundsubstanz der Mannschaft ist top, das Trainerteam ist top", sagt er nach dem sechsten sieglosen Pflichtspiel hintereinander. "Der Rahmen der Möglichkeiten sind gerade zehn Punkte. Das müssen wir verstehen." Im Vorjahr hatte der VfB nach elf Spieltagen sieben Zähler mehr.

Didi Hamann meinte, wir spielen nächstes Jahr international. Aber wir wissen, was wir sind.

Sven Mislintat

"12, 13, 14, 15 - das sind die Plätze, die für uns realistisch sind", betont er. "Und wenn du Substanz verlierst, kann es passieren, dass es auch ein paar Plätze tiefer rutschen kann." Um den Klassenerhalt sei es von Anfang an gegangen, ausschließlich. "Nach dem 5:1 gegen Fürth haben alle 'Platz 6, hurra' geschrien. Didi Hamann meinte, wir spielen nächstes Jahr international. Aber wir wissen, was wir sind: Es geht nur darum, in der zweiten Saison die Klasse zu halten. Aber mit 28 gesunden Spielern und nicht mit 19."

Und so haben sie beim VfB wenigstens Handfestes, um sich Mut zuzusprechen: "Wenn wir wieder volle Kapelle haben, sehen wir einen anderen VfB Stuttgart", ist sich Mislintat sicher. "Wichtig ist, dass wir bis zum Winter über dem Strich stehen. Und je mehr Spieler zurückkehren, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir unser Ziel erreichen."

Nach der Länderspielpause kommen einige zurück - doch die Gegner haben es in sich

Zwar könnten Mavropanos, Kempf, Silas, Stammtorwart Müller, Ahamada, Al Ghaddioui und "bei optimalem Heilungsverlauf" (Mislintat) auch Führich und Marmoush ihr Comeback nach der Länderspielpause geben, in die der VfB mit nur zwei Siegen als Tabellen-15. geht. Doch weil es dann bis Weihnachten in Dortmund, gegen Mainz, gegen Hertha, in Wolfsburg, gegen Bayern und in Köln weitergeht, könnte der Stuttgarter Herbst auch dann noch eine Weile ganz schön trüb bleiben.

"Wir halten zusammen und werden durch diese Phase rausgehen, wie wir es nach Wehen Wiesbaden und Holstein Kiel in der 2. Liga schon mal getan haben", so Mislintat. "Da wurde es auch rauer im Ton. Das müssen wir abkönnen." Damals verlor der VfB in der Rückrunde mit 1:2 und 2:3 - und verlängerte demonstrativ mit Matarazzo.

jpe

Sahin nur noch Siebter: Die jüngsten Debütanten der Bundesliga-Geschichte