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Traumjobs in Liverpool: Wie ein Lippstädter zum "German Scouser" wurde

Makler, Hotelier und Reds-Fan

Traumjobs in Liverpool: Wie ein Lippstädter zum "German Scouser" wurde

Das Hotel Anfield in der Liverpooler Anfield Road und sein Besitzer Peter Schriewersmann.

Das Hotel Anfield in der Liverpooler Anfield Road und sein Besitzer Peter Schriewersmann. kicker/Hotel Anfield No23

Am Anfang war ein Diebstahl

Um an bestimmten Kreuzungen im Leben weitreichende Entscheidungen für die berufliche Zukunft zu treffen, braucht es Mut. Das war auch bei Peter Schriewersmann so, als er sich entschloss, eine sichere Stellung aufzugeben, um in Liverpool neue Wege zu gehen. Dass er dort heute mindestens einen Traumjob ausübt, hat er nach eigener Aussage jedoch vor allem "einem Einbruch zu verdanken". Genauer: einem Einbruch in die Wohnung des früheren deutschen U-Nationalspielers Samed Yesil, der von 2012 bis 2016 der U 23 des FC Liverpool angehörte.

Nachdem Diebe bei Yesil eingestiegen waren, zog er aus seiner Wohnung am Sefton Park aus und in Liverpools Innenstadt um, wurde dort Schriewersmanns Nachbar und Freund. Dann nahmen die Dinge dank weiterer Kontakte ihren Lauf. Schriewersmann, 2008 als leitender Angestellter von Arvato über die Stationen London und Sheffield in Englands Nordwesten gekommen, kündigte bei der Bertelsmann-Tochter und schloss sich 2018 dem Berater Reza Fazeli an, zu dessen Klienten beim LFC auch Emre Can zählte. "Ich habe viel über das Fußballgeschäft gelernt und gesehen, dass man dort auch mit einem guten moralischen Kompass bestehen kann", sagt der gebürtige Lippstädter heute.

Yesil zu helfen, nach dessen Episode beim KFC Uerdingen einen Verein in der Türkei zu finden (Ankara Demirspor), nennt er "vielleicht einen meiner stolzesten Momente" seiner Zeit als Assistent Fazelis, dem er viel zu verdanken habe. Doch der Plan, ein eigenes Geschäft aufzubauen, führte den Sohn einer Kinderkrankenschwester und eines Gärtnermeisters in die Tourismus- und Immobilienbranche.

Immobilienmarkt als nächstes Standbein

Mit seinem Partner Alan Cosgrove (37) baute der Ostwestfale einen Betrieb mit jetzt über 100 Miet- und Ferienwohnungen in Liverpool auf (Happy Days Apartments), und mit zwei weiteren Freunden ist Schriewersmann als Immobilienmakler tätig (Onyx Real Estate). Gerade da sind seine mittlerweile über Liverpool hinaus vielfältigen Verbindungen zum Fußball vorteilhaft. Sein Unternehmen verkauft und vermietet nicht nur Häuser und Wohnungen, es verwaltet auch die Wohnsitze dort von Spielern, Trainern oder Betreuern, nicht nur der Reds.

Liverpooler Termine

Für die aber schlägt sein Herz. Als Karl-Heinz Riedle einst nach Liverpool wechselte, entwickelte der BVB-Fan erste Sympathien für diesen englischen Klub. Als es Schriewersmann beruflich dorthin verschlug, "verliebte" er sich "in die Stadt und die Menschen", wie er sagt. Der Zeitpunkt war günstig: Als Europas Kulturhauptstadt 2008 erfuhr die Hafenmetropole auch dank EU-Geldern einen kulturellen und städtebaulichen Aufschwung.

Das Hotel Anfield als Türöffner

Das alles wäre noch ein recht nüchterner, wenngleich ungewöhnlicher Verlauf eines Berufslebens, doch für den früheren Bertelsmann-Praktikanten kam noch eine seltene, sehr emotionale Komponente hinzu: Vor etwas mehr als drei Jahren wurde ihm und Partner Cosgrove ein heruntergekommenes Hotel in der Anfield Road angeboten. Im Februar 2020 kauften sie es - und überstanden die wenige Wochen danach einsetzende Pandemie sowie die Zeit der Geisterspiele. In und vor dem überarbeiteten Hotel Anfield steppt heute der Bär nicht nur, wenn die Mannschaft von Jürgen Klopp ein Heimspiel hat und die Fans bei der Ankunft des Mannschaftsbusses in der Anfield Road lautstark Spalier stehen. Auch bei Auswärtsspielen ist in Schriewersmanns Biergarten und Hotel Betrieb mit Live-Musik und Live-Übertragungen.

Peter Schriewersmann  (li.) mit seinem Partner Alan Cosgrove (re.)  und den beiden Liverpool-Legenden John Aldridge und Ian Callaghan.

Peter Schriewersmann (li.) mit seinem Partner Alan Cosgrove (re.) und den beiden Liverpool-Legenden John Aldridge und Ian Callaghan.

Der deutsche Inhaber, in der westfälischen Heimat einst Kellner und Messdiener, berichtet, er müsse nach der anstrengenden und bisweilen auch sorgenvollen Anfangszeit "nicht mehr hinter der Theke stehen". Davor ist er hingegen auf bemerkenswerte Weise umtriebig. Schriewersmann ist ein Netzwerker, wie er im Buche steht, schafft es immer wieder, Klublegenden und Ex-Profis wie Mark Lawrenson, John Aldridge, Ian Callaghan, Steve McMahon oder auch Co-Trainer Pep Lijnders zu einem Besuch zu bewegen. Sei es nur zu einem Bier und einem kurzen Hallo für dankbare Fans oder komplett organisierte Talkrunden sowie "Meet and Greet"-Events. Wie vor der 2:5-Niederlage in der Champions League gegen Real Madrid, als der dänische Fanclub "Redmen Family" die Hotelbar für exklusive Stunden mit Meister Aldridge und Rekordspieler Callaghan gebucht hatte.

Viele sind total aufgeregt, wenn sie zum ersten und oft auch zum einzigen Mal in der Anfield Road sind.

Peter Schriewersmann

Kommunikationstalent Schriewersmann begrüßt wenige Hundert Meter vom Stadion entfernt im Hotel Anfield Gäste aus aller Welt (die Hausnummer 23 ist zufällig Emre Cans Liverpooler Rückennummer). Viele kommen, um einmal im Leben in dieser Straße und im Stadion zu sein. Es bewege und erfülle ihn, dazu beitragen zu können, dass Liverpool-Fans ihr ganz besonderes Spieltagserlebnis genießen könnten. "Viele sind total aufgeregt, wenn sie zum ersten und oft auch zum einzigen Mal in der Anfield Road sind." Er hat dort, so erzählt er, mit der Zeit nicht wenige Menschen in rot-weißen Farben weinen sehen, die meisten vor Freude. Aber auch Opfer von Betrügern, deren überteuerte Tickets vom Schwarzmarkt nicht gültig waren, die sich dann nicht nur vor und nach dem Spiel, sondern auch während des Spiels mit einem Platz im Hotelgarten begnügen mussten …

Liverpooler Mannschaftsbus in der Anfield Road

Hautnah dran: Der Liverpooler Mannschaftsbus in der Anfield Road. picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Enge Vernetzung auch mit der lokalen Politik - Deal mit Tsimikas

Um Auswüchsen des Kults um den Klub wie diesen zu begegnen, engagiert sich Schriewersmann in und mit lokalen Fan-Organisationen. Doch damit nicht genug: Der Lippstädter, den sie hier schon an die Bezeichnung für Einheimische angelehnt "German Scouser" nennen, ist gleichfalls in der Lokalpolitik aktiv, mit einem guten Draht zu Bürgermeisterin Joanne Anderson.

Dabei geht es längst nicht nur um den Fußball und seinen Lieblingsklub, wie bei der Kampagne für ein Mo-Salah-Wandgemälde, bei der Schriewersmann die Finanzierung durch die öffentliche Hand ermöglichte, sondern vielmehr um Projekte für strukturelle Verbesserungen in der City und das Gemeinwohl in den ärmeren Vierteln in Stadionnähe.

In dieser Hinsicht will sich der Vater zweier Töchter, der in der Heimat der Beatles ein Büro nahe dem berühmten Musikkeller "Cavern Club" unterhält, in Zukunft noch mehr engagieren, wie er sagt. Ohne freilich die Fußball-Connections zu vernachlässigen. Mit Kostas Tsimikas hat der eingebürgerte Deutsche, der früher um Autogramme von Andy Möller oder Ottmar Hitzfeld anstand, soeben einen Vertrag geschlossen: Hotel Anfield erhielt damit exklusive Vertriebsrechte an "Greek Scouser", der neuen Merchandise-Linie des griechischen Linksverteidigers.

Jörg Jakob

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