Bundesliga

Toppmöllers Kraftakt und ein trügerischer sechster Platz

Eine kommentierende Analyse des ersten Eintracht-Halbjahres

Toppmöllers Kraftakt und ein trügerischer sechster Platz

Eintracht-Coach Dino Toppmöller entwickelte das Team entscheidend weiter.

Eintracht-Coach Dino Toppmöller entwickelte das Team entscheidend weiter. IMAGO/Laci Perenyi

In gewisser Weise stehen die 97 Minuten gegen Gladbach (2:1) sinnbildlich für die erste Saisonhälfte der "Diva vom Main". Nach dem großen personellen Umbruch im Sommer-Transferfenster und dem Wechsel auf der Trainerbank lief es zuweilen ganz schön holprig. Angesichts des Substanzverlustes in der Offensive muss das Team meist einen ungeheuren Aufwand betreiben, um Tore zu erzielen.

Das war auch gegen Gladbach der Fall - und kostet viel Kraft und Nerven. Außergewöhnlich: Obwohl die SGE aufgrund der Teilnahme an den Play-offs zur Conference League die meisten Pflichtspiele aller Bundesligisten absolvierte (27), liefen die Spieler pro Bundesligapartie im Schnitt 119,7 Kilometer. Nur drei Mannschaften sind noch laufstärker.

Es gab mehrere brenzlige Kipppunkte

Mehrfach drohte die Stimmung im Umfeld zu kippen, doch jedes Mal gewann die Mannschaft genau zum richtigen Zeitpunkt eminent wichtige Spiele. Der 2:0-Sieg gegen Heidenheim am 7. Spieltag läutete die stärkste Phase ein (acht Spiele ohne Niederlage), die nach der Länderspielpause im November endete. Das 5:1 gegen die Bayern war Balsam für die Seele nach dem Pokal-Aus in Saarbrücken und vier Pflichtspielniederlagen in Folge; nun verhinderte das 2:1 gegen die Borussia die große Tristesse unterm Weihnachtsbaum.

Trainer Dino Toppmöller entwickelte die Mannschaft fußballerisch deutlich weiter, das Positionsspiel und Abwehrverhalten verbesserten sich spürbar. Zumindest phasenweise agierte die Mannschaft stabiler als noch in der vergangenen Saison. Die Probleme im vorderen Drittel können nicht verwundern, immerhin verließen die Schützen von 65,5 Prozent der Tore der vergangenen Saison den Verein. Nicht zuletzt der unerwartet steilen Entwicklung von Omar Marmoush ist es zu verdanken, dass die Probleme im Angriff nicht noch gravierender sind.

Krösches große Herausforderung

Der versöhnliche Jahresabschluss auf Platz 6 darf nicht über die Probleme im Kader hinwegtäuschen. Zwar landete Sportvorstand Markus Krösche im Sommer mit Robin Koch, Ellyes Skhiri, Hugo Larsson, Willian Pacho, Fares Chaibi und Omar Marmoush außergewöhnlich viele Volltreffer auf dem Transfermarkt. Der Last-Minute-Abgang des besten Angreifers Randal Kolo Muani konnte aber nicht mehr ersetzt werden.

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Krösche steht nun vor der großen Herausforderung, auf dem schwierigen Transfermarkt im Winter Spieler zu verpflichten, die der Mannschaft auf Anhieb weiterhelfen können und schon Anfang Januar da sind. Andernfalls drohen im neuen Jahr erhebliche Probleme, da Marmoush, Chaibi und Skhiri wegen ihrer Teilnahme am Afrika-Cup bis zu fünf Bundesligaspiele verpassen könnten. Die Leihe von Mittelfeldspieler Donny van de Beek (Manchester United) kann nur der Anfang sein.

Abgesehen von einem Innenverteidiger und einem gestandenen Neuner stünde der Mannschaft auch ein schneller, dribbelstarker Flügelstürmer gut zu Gesicht, um im von Toppmöller des Öfteren präferierten 4-3-3 gefährlicher zu werden. Das Fehlen eines solchen Spielers zeigte sich auch gegen Gladbach: Ansgar Knauff und Eric Junior Dina Ebimbe setzten keinerlei Akzente. Durchaus erstaunlich wäre die Verpflichtung von Stürmer Rafiu Durosinmi (20, Viktoria Pilsen), der seit Oktober am Knie verletzt ist und eher ein Perspektivspieler wäre. Was Toppmöller jetzt braucht, sind gestandene Profis, die ihre Treffsicherheit auf gehobenem Niveau bereits nachgewiesen haben.

Seit Kolo Muani Anfang 2023 seine langjährige Berateragentur wechselte, um sich von Moussa Sissoko vertreten zu lassen, war offensichtlich, dass er die Eintracht verlassen will. Insofern gab es reichlich Zeit für die Nachfolgersuche. Schon im ersten Spiel des neuen Jahres in Leipzig muss ein Stürmer auf dem Feld stehen, der weiß, wo das Tor steht. Fähige Alternativen zum ägyptischen Nationalspieler Marmoush gibt es im Kader aktuell nicht.

Das Leistungsgefälle ist zu groß

Sorgen bereitet auch die im Sommer überschätzte Qualität in der Breite. Unter anderem Hrvoje Smolcic, Paxten Aaronson, Jens Petter Hauge, Kristijan Jakic, Lucas Alario und Jessic Ngankam sorgen für ein zu großes Leistungsgefälle im Kader. Es liegt auf der Hand, dass selbst ein ambitionierter Klub wie Frankfurt nicht auf jeder Position gleichwertige Alternativen haben kann. Doch von der zweiten Garde kommt eindeutig zu wenig. Nie wurde das deutlicher als beim 0:2 in Aberdeen vor einer Woche.

Nicht alle Schwachpunkte werden sich im Januar beseitigen lassen, doch wenn Krösche bei den Neuzugängen eine ähnlich hohe Trefferquote wie im Sommer erzielt, könnte die zweite Saisonhälfte sonniger werden als die erste. Mit Toppmöller lag der Sportvorstand wie zwei Jahre zuvor mit Oliver Glasner goldrichtig. Der Trainer überzeugt mit einem vielversprechenden Mix aus Fachkompetenz, Empathie und Erfolgshunger. Auch in schwierigen Momenten flößte er den Spielern neue Energie ein, so wie vor dem Heimspiel gegen die Bayern, als das Desaster in Saarbrücken die Schlagzeilen beherrschte. Das schafft nicht jeder.

19.12.2023 Frankfurt am Main, ProfiCamp Bundesliga Saison 2023 2024 Eintracht Frankfurt Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Borussia Mönchengladbach Cheftrainer Dino Toppmöller Eintracht Frankfurt DFL DFB REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS AS IMAGE SEQUENCES AND OR QUASI-VIDEO. *** 19 12 2023 Frankfurt am Main, ProfiCamp Bundesliga Season 2023 2024 Eintracht Frankfurt Press conference before the match against Borussia Mönchengladbach Head coach Dino Toppmöller Eintracht Frankfurt DFL DFB REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS AS IMAGE SEQUENCES AND OR QUASI VIDEO

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"Ich bin total überzeugt, dass wir hier in den nächsten Jahren eine Ära prägen können", sagte Toppmöller jüngst im kicker-Interview und betonte, was er im Brustton der Überzeugung schon im Herbst gesagt hatte: "Als Eintracht-Fan würde ich mich auf eine richtig gute Zukunft freuen." Sollten zumindest die größten Fragezeichen im Kader beseitigt werden, stehen die Chancen gut, dass er diese Aussage auch im neuen Jahr mit Leben füllen kann.

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