Bundesliga

Kommentar: Tedescos Aus ist ein Versagen auf allen Ebenen

Kommentar

Tedescos Aus ist ein Versagen auf allen Ebenen

Zusammenarbeit beendet: Domenico Tedesco (li.) und Oliver Mintzlaff.

Zusammenarbeit beendet: Domenico Tedesco (li.) und Oliver Mintzlaff. imago images (2)

Im Erfolg macht man oft die größten Fehler, lautet eine alte Weisheit. In Leipzig hat sie sich einmal mehr bewahrheitet. Die aktuelle Misere, die am Mittwoch in der Beurlaubung von Trainer Domenico Tedesco mündete, hat ihren Ursprung im Gewinn des DFB-Pokals vor gut drei Monaten. Dieser Triumph im Elfmeterschießen gegen den SC Freiburg, der dem jungen Verein seinen ersten großen Titel bescherte, bedeutete die Krönung eines fulminanten Halbjahres, in dem der auf Platz elf gestartete Tedesco RB in die Champions League und ins Halbfinale der Europa League geführt hatte.

In den Köpfen der Beteiligten, sowohl bei den Spielern, im Trainerteam wie auch in der Führungsetage, hatte sich nach diesen Erfolgsmonaten ein fatales Denken freigesetzt, das Schweben auf Wolke sieben werde sich einfach so fortsetzen. Tedescos Aus ist deshalb ein Versagen auf allen Ebenen.

Der fatale Irrglaube der Klubführung

Die Mannschaft, die nach der Talfahrt unter Tedesco-Vorgänger Jesse Marsch willig dem neuen Coach gefolgt war, entwickelte sich zu einer Ansammlung von Ich-AGs. Der Trainer erkannte diese Entwicklung zu spät und setzte viel zu lange darauf, dass die Mechanismen des ersten Halbjahres schon wieder greifen und das Matchglück zurückkehren würden. Und die Klubführung sah sich nach dem Pokalsieg in der Ansicht bestärkt, dass man so weitermachen und gut und gerne noch ein paar Monate mehr auf einen Sportdirektor verzichten kann. Ein fataler Irrglaube.

Die Folge ist, dass Geschäftsführer Oliver Mintzlaff zwei Trainerentlassungen binnen neun Monaten zu verantworten hat. Sicher, Tedesco ist am Ende vor allem deshalb gescheitert, weil er zusehends ratlos wirkte und nicht mehr den Eindruck vermittelte, den sportlichen Turnaround schaffen zu können. Aber er musste auch in einem Betriebsklima werkeln, das ihm die Arbeit ganz sicher nicht erleichterte. Von den Neuzugängen war allein Linksverteidiger David Raum sein Wunschkandidat. Seine Forderung nach einer Verschlankung des Kaders gerade im zentralen Mittelfeld wurde mit der Verpflichtung von Xaver Schlager konterkariert. Und als er nach der Langzeitverletzung von Stürmer Yussuf Poulsen den Wunsch nach einem großen und körperlich robusten Ersatz äußerte, wurde mit Timo Werner ein Spieler zurückgeholt, der diesem Anforderungsprofil in keiner Weise entsprach.

Tedesco lehnte Vertragsgespräche ab, was Mintzlaff pikierte

Das alles ist keine Entschuldigung für die sportliche Krise, aus dem verfügbaren Spielermaterial hätte Tedesco weit mehr herausholen müssen. Aber es verdeutlicht, in welchem Spannungsfeld Trainer und Klubführung in den vergangenen Monaten tätig waren. Dazu passt auch, dass Tedesco im Sommer in Mintzlaffs Überlegungen, Max Eberl irgendwann als neuen Sportdirektor zu verpflichten, nicht involviert wurde.

Auch deshalb lehnte er die vom Geschäftsführer angebotenen Gespräche zur Vertragsverlängerung ab, was auf der anderen Seite den Boss pikierte. Als Mintzlaff nach dem 2:2 gegen Köln zur öffentlichen Generalkritik ausholte und nach dem erst zweiten Ligaspiel bereits von einem "beschissenen Start" sprach, setzte er - wahrscheinlich ungewollt - eine Trainerdiskussion in Gang, die sich Woche für Woche und mit jedem Misserfolg weiter verselbstständigte.

Jetzt ist der gebürtige Leipziger Marco Rose der Wunschkandidat. Sollte er annehmen, wartet auf ihn eine ähnliche Herkulesaufgabe wie sie Tedesco im Dezember in Angriff nahm - und meisterte.

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