Bundesliga

Streich: "Es geht um emotionale Kontrolle"

SC-Coach über drei Wettbewerbe, seinen Kader, die Eintracht und Pokal beim FCK

Streich: "Es geht um emotionale Kontrolle"

Christian Streich steht seit zehneinhalb Jahren als Cheftrainer an der Seitenlinie des SC Freiburg.

Christian Streich steht seit zehneinhalb Jahren als Cheftrainer an der Seitenlinie des SC Freiburg. IMAGO/ULMER Pressebildagentur

Aus dem Freiburger Trainingslager in Schruns berichtet Carsten Schröter-Lorenz

Um 9.45 Uhr startet am Freitag das Abschlusstraining, um 12.45 Uhr gibt es noch einmal Mittagessen im Alpenhotel Montafon und dann ist es beendet, das 16. Sommertrainingslager des SC Freiburg in Schruns. Für die Spieler steht am morgigen Samstag im Rahmen der Saisoneröffnungsfeier im Freiburger Europa-Park-Stadion eine Leistungsüberprüfung an. Damit möglichst jeder 90 Minuten Matchpraxis erhält, haben die SC-Verantwortlichen gleich zwei hochkarätige Gegner eingeladen. Rayo Vallecano (15 Uhr), den Vorjahreszwölften aus La Liga und den französischen Europa-League-Teilnehmer Stades Rennes (17.30 Uhr) um den Ex-Freiburger Baptiste Santamaria.

Inzwischen ist es in Schruns auch Tradition, dass Christian Streich am letzten Abend in einer Runde mit den mitgereisten Journalisten Bilanz zieht, sich zu den Sommerzugängen (Ginter, Kyereh, Gregoritsch und Doan) und weiteren aktuellen Themen äußert. Der SC-Chefcoach sprach über …

… seinen Gesamteindruck der zehn Tage in Schruns: "Die Jungs haben gut mitgemacht, die Bedingungen waren gut, das Testspiel gegen den FC St. Gallen (4:3) war in den ersten 60 Minuten nicht gut, dann wurde es besser, wobei St. Gallen nicht mehr die beste Elf auf dem Platz hatte."

Matthias Ginter: "Gintes ist sehr konzentriert bei der Arbeit, sehr aufmerksam und ganz bei sich. Das ist genau richtig. Er versucht, defensiv sehr aufmerksam zu sein, denn er ist ein Innenverteidiger. Das ist sehr wichtig, dass man das heutzutage in allen Bewertungen nicht vergisst. Er ist ein Verteidiger - der sehr gut kicken kann. Im Training ist er sehr entschlossen. Ich meine nicht, dass er sonst nicht entschlossen ist, aber ich meine andere Innenverteidiger, die sind nicht in jeder Situation entschlossen. Die besten schon, aber bei uns nicht immer. Das macht Matze gut, das gefällt mir."

Daniel-Kofi Kyereh: "Kofi ist etwas angeschlagen. Er konnte die letzten zwei Tage nicht trainieren und wird auch bei der Saisoneröffnung nicht spielen. Das ist sehr ärgerlich für ihn, weil er reinkommen wollte. Als er kam, hatte er schon Rückenprobleme, damit ist es schwierig, Fußball zu spielen. Die sind besser geworden, das haben die Physios mit ihm gut hinbekommen, aber dann ist der Oberschenkelmuskel aufs Krafttraining angesprungen. Wir und er brauchen jetzt Geduld. Er ist ein guter Kicker, ein Straßenkicker. Und er hat in einigen Bereichen Entwicklungspotenzial."

Michael Gregoritsch: "Er ist ein offener Kerl, spricht viel mit allen und ist gleich drin. Man merkt, dass er sich freut, bei uns zu sein. Er wirkt ganz fit. Das muss er auch sein, damit er uns vorne mit dem und gegen den Ball hilft. Er ist groß und kopfballstark, kann Bälle festmachen und kicken. Er hat einen guten, weichen linken Fuß, kann den letzten Ball spielen und Tore machen. Er muss in einen absoluten Top-Zustand von der Fitness her kommen, dass er richtig mit Power die Wege machen kann. Nicht die ganz langen Wege die ganze Zeit, sondern auch die harten, kurzen Wege, damit er sich behaupten kann gegen den Verteidiger und gegen den Ball so viel wie möglich in Pressingsituationen kommt."

Ritsu Doan

Neu beim SC Freiburg: Ritsu Doan. picture alliance / johapress

Ritsu Doan: "Er ist schnell, beweglich und hat einen guten linken Fuß. Es hilft, dass er in Bielefeld unter Frank Kramer schon Bundesliga gespielt hat. Er hat auch keine Scheu, kommuniziert mit den anderen, hat keine Berührungsängste. Auch er muss ein gutes Gegenpressing hinbekommen. Wenn er mal am Tricksen ist - was er machen soll - und den Ball verliert, sollte er ihn schnell wieder zurückholen, damit unsere zweite Welle rollt. Er ist sehr professionell, will viel wissen, fragt meine Mit-Trainer und bringt sich gut ein bei den Videoanalysen. Er kann auf der Zehn spielen, aber rechts ist sicher eine gute Position für ihn."

… über die möglichen Lösungen in der Innenverteidigung nach Nico Schlotterbecks Abgang: "Linker Innenverteidiger können Philipp Lienhart oder Keven Schlotterbeck spielen, aber auch Manuel Gulde. Keven hat einen linken Fuß. Sonst spielt ein Rechtsfüßer dort. Wenn sie sich trauen, kann der eine oder andere Rechtsfüßer mit links den Diagonalball spielen. Das üben wir jetzt im Training, damit sie da Sicherheit bekommen. Ohne Druck machen sie das gut, aber in der Bundesliga ist das nochmal anders. Wenn Keven Schlotterbeck nicht spielt, fehlt etwas. Dann müssen wir eben variieren."

… über das zentrale Mittelfeld: "Yannik Keitel war lange verletzt, Robert Wagner ist sehr jung. Daher kann es gut sein, dass Nicolas Höfler und Maximilian Eggestein anfangen. Yannik wollen wir die Zeit geben, die er braucht. Er soll seine Identität finden, soll auf dem Platz Yannik Keitel sein mit seinen Stärken. Robert ist gerade 19 Jahre alt geworden. Er macht es gut. Philipp Lienhart hat schon auf der Sechs gespielt, Matthias Ginter auch. Lucas Höler könnte das auf eine Art auch. Aber ich will die Spieler nicht zu früh zu sehr hin- und herschieben."

Er sammelt jetzt viele Erfahrungen, auch Enttäuschungen.

Streich über Hugo Siquet

… über den Ausfall von Lucas Höler (Mittelfußbruch): "Er ist einer der Offensivspieler, die in der Bundesliga die meisten Zweikämpfe führen. Und er gewinnt viele. Das ist ein Qualitätsmerkmal für uns. Damit hat er sich eine Wichtigkeit erarbeitet. Er hat einfach eine körperliche Präsenz, ist laufstark und kann kicken. Er hat vergangene Saison sieben Tore geschossen. Es hätten auch zehn sein können, da hätten er und ich auch nichts dagegen gehabt. Aber die Zweikämpfe führen, so ins Pressing gehen - das sollen unsere anderen Stürmer auch machen. Wenn nicht, wird es brenzlig."

… über den ausgebildeten Innenverteidiger Kiliann Sildillia und Rechtsverteidiger Hugo Siquet, die beide erst 20 Jahre alt sind: "Kiliann macht es ordentlich rechts hinten im Training, relativ unaufgeregt und präsent. Jetzt heißt es ein paar Sachen zu üben, mit dem Ball Flugbälle, Flanken und auch das Coaching der Mitspieler. Seine Aggressivität und Kopfballstärke muss er auf dem Platz einbringen, jetzt am Samstag wird es spannend. Wenn er gesund bleibt, spielt er 90 Minuten rechter Außenverteidiger. Hugo hat jetzt im Training links hinten gespielt. Er braucht Körperlichkeit, er muss Krafttraining machen. Er sammelt jetzt viele Erfahrungen, auch Enttäuschungen. Er kam eben mit viel Einsatzzeit von Standard Lüttich und nicht aus unserer zweiten Mannschaft in unser Team, das sehr gut gespielt hat. Das ist vom Kopf her nicht einfach, da geht es auch um Erwartungen. Links war es jetzt okay. Wichtig ist, dass er es annimmt und nicht sagt: 'Oh je, jetzt bin ich auf der linken Seite, was soll ich mit dem linken Fuß machen.' Die Dinge dürfen nicht interessieren. Er ist in einer guten Trainingsgruppe und gerade nicht rechts, weil wir dort Kiliann ausprobieren. Jetzt ist er links, fertig. Einfach versuchen, dort gut zu sein. Wenn irgendetwas - toi, toi, toi - mit Christian Günter ist, stellt sich die Frage, kickt Hugo oder stellt man jemand anderen hin."

Das sind die Bundesliga-Neuzugänge für die Saison 2022/23

… über die gestiegene Kader-Qualität: "Die macht uns nicht automatisch stärker. Es geht darum, wie wir als Gruppe agieren. Neuzugänge bringen nur etwas, wenn es funktioniert. Sie kennen mich ja: Ich bin kritisch, inzwischen leicht optimistisch durch die guten Erfahrungen in den vergangenen zwei Jahren. Die Erwartungen sollten aber nicht zu hoch sein. Beispiel Eintracht Frankfurt: Elfmeterschießen im Europa-League-Finale gewonnen, für die Champions League qualifiziert, in der Bundesliga Elfter. Sensationell für alle. Aber wenn die Eintracht das Finale verloren hätte? Wäre sie nur Bundesliga-Elfter gewesen und wäre nicht im Europapokal dabei. Das ist Fußball."

… über psychologische Herausforderungen in drei Wettbewerben: "Wir haben zu Beginn viele Spiele in kurzen Abständen. Da kommt es darauf an, wie die Spieler auch mental damit umgehen. Es kann sein, einer spielt dreimal in Folge nicht, aber es ist nur eine Woche vergangen. Wenn er gut damit umgeht, spielt er möglicherweise am zehnten Tag. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Er spielt gut oder er spielt nicht gut. Darauf kommt es an. Da stehen die Spieler in der Selbstverantwortung. Sie müssen sich in eine Top-Verfassung bringen, um dann, wenn sie spielen, voll da zu sein. Das ist schwierig für den Kopf. Aber wenn sie es schaffen, damit umzugehen, spielen sie dann möglicherweise dreimal hintereinander. Es geht um emotionale Kontrolle. Und darum, da zu sein. Wir werden sehen, ob wir das hinbekommen. Das ist ein Balanceakt."

Ich finde es gut, wieder mal in Kaiserslautern zu sein.

Streich über die 1. Pokalrunde

… über eine mögliche Rotation wegen der Europa League: "Viele Spieler kennen wir sehr gut. Dann kommen die Eindrücke von der medizinischen Abteilung, von den Physiotherapeuten dazu. Vielleicht spielt es auch eine Rolle, wie wir in der Bundesliga stehen. Pläne habe ich da noch keine. Angenommen einer spielt gut und ich nehme ihn aus Gründen der Belastungssteuerung raus. Und dann spielt der andere auch gut. Was macht man dann? Ein bisschen Erfahrung habe ich auch. Das lasse ich jetzt erst Mal auf mich zukommen. Und ich kann ja mit den Jungs reden."

… über das Erstrunden-Pokalspiel beim 1. FC Kaiserslautern: "Ich finde es gut, wieder mal in Kaiserslautern zu sein. Das Stadion wird voll sein, 50.000. Dann wissen wir gleich, was los ist. Und wenn wir nicht gut genug sind, fliegen wir raus. Das ist auch klar."