Bundesliga

Bei Hertha BSC so wichtig wie nie - Arne Friedrich im Porträt

Herthas Sportdirektor kommt nach Preetz-Aus Schlüsselrolle zu

So wichtig wie nie - Arne Friedrich im Porträt

Den Titel behält er, aber sein Einfluss wird größer: Hertha-Sportdirektor Arne Friedrich.

Den Titel behält er, aber sein Einfluss wird größer: Hertha-Sportdirektor Arne Friedrich. imago images

"Loyalität ist einer meiner wichtigsten Werte", sagte Friedrich in einem kicker-Interview im August 2020. "Ich bin der Letzte, der sagt, ich will Michaels Job." Jetzt hat er ihn trotzdem. Michael Preetz, der - erst als Profi, dann als Assistent der Geschäftsführung, seit 2009 schließlich als Manager beziehungsweise Geschäftsführer Sport - fast ein Vierteljahrhundert in Diensten von Hertha BSC stand, wurde am Sonntag entlassen. Der, der Preetz' bisherigen Arbeitsbereich zumindest bis Saisonende in verantwortlicher Rolle übernehmen wird, ist Arne Friedrich, der wie Preetz eine Vergangenheit als langjähriger Hertha-Kapitän hat.

"Ich bin sehr froh, dass Arne hinter der Aufgabe steht", sagte Herthas seit 1. Dezember amtierender CEO Carsten Schmidt am Sonntag bei "Sky90". Er habe Friedrich in der kurzen Zeit der Zusammenarbeit als "meinungsstarken, reflektierten und mit Energie geladenen Kollegen kennengelernt", so Schmidt, der das Lob in einer digitalen Medienrunde am Sonntagmittag fortführte: "Ich habe die totale Überzeugung, dass Arne Friedrich für die Situation, wie wir sie jetzt haben, eine Top-Wahl ist. Durch seine Klarheit, durch seine Erfahrung, durch seine Fußballnähe, durch seine Ambition, durch seine starke Hertha-Verbundenheit kann er uns extrem helfen."

Friedrich nach seinem Hertha-Abschied 2010: "Für viele war ich der Sündenbock"

Friedrich war 2002 von Arminia Bielefeld, wo er mit dem am Sonntag wie Preetz gefeuerten Bruno Labbadia zusammengespielt hatte, zu Hertha BSC gewechselt und dem Klub - trotz Angeboten des FC Bayern und aus der Serie A - bis zum Abstieg 2010, den Preetz in seiner ersten Manager-Saison zu verantworten hatte, treu geblieben. Sein Abgang zum VfL Wolfsburg 2010 war überschattet von schweren Verwerfungen mit der Klub-Führung um Präsident Werner Gegenbauer und eben Preetz. "Für viele war ich der Sündenbock", sagte Friedrich, der seine Profi-Karriere in der Major League Soccer bei Chicago Fire 2013 beendete, später in einem kicker-Interview. "Da hätte ich mir von der Klubseite mehr Rückendeckung und Souveränität gewünscht."

Erst nach mehrjähriger Eiszeit räumten Gegenbauer, Preetz und Friedrich in einem Gespräch ihren Konflikt aus. "Wir haben alles geklärt und reinen Tisch gemacht", sagte Friedrich damals. "Das war mir wichtig. Ich wollte loslassen von Vergangenem - entweder für einen Schlussstrich oder einen Neuanfang." Es wurde ein Neuanfang bei Hertha für den Mann, der für Deutschland an zwei Welt- (2006, 2010) und zwei Europameisterschaften (2004, 2008) teilnahm und 82 A-Länderspiele bestritt.

Wer ihn unterschätzt, ist selbst schuld

Im November 2019 holte der damals frisch als Trainer bestellte Jürgen Klinsmann Friedrich in seinen Staff - als Performance Manager. Über Klinsmanns Blitz-Flucht im Februar 2020 und die geräuschvollen Umstände sagte Friedrich später: "Am Ende ging es so auseinander, wie es nie hätte auseinandergehen dürfen." Friedrich blieb, erst als Teammanager, ab Juli 2020 als Sportdirektor. Den Titel behält er, aber sein Einfluss wird größer. Friedrich wird nicht Preetz' freigewordenen Platz in der Geschäftsführung des Klubs einnehmen, aber mindestens bis zum Sommer dessen Bereich in verantwortlicher Rolle übernehmen.

Die Auswahl des Labbadia-Nachfolgers, die Frage, ob Winterneuzugänge dem Kader, der eine Unwucht aufweist, helfen können - all das wird maßgeblich Friedrich entscheiden. Der stand in seiner Zeit als Profi lange unter akutem Leisetreter-Verdacht, aber wer ihn unterschätzte, war selbst schuld. Schon gegen Ende seiner aktiven Zeit gewann der Abwehrspieler deutlich an Profil und Meinungsstärke. Und auch bei Hertha hat er in den vergangenen Monaten in der Kabine und außerhalb Profis, die ausscherten, immer wieder die Meinung gegeigt. Konfliktscheu ist anders.

"Es hat etwas gedauert, um herauszufinden, was ich wirklich machen will"

Nach dem Ende seiner Profi-Laufbahn hatte sich Friedrich lustvoll in vielen Bereichen ausprobiert. Er war Co-Trainer der deutschen U-18-Auswahl unter Guido Streichsbier und Meikel Schönweitz, Markenbotschafter für das Mode-Unternehmen Walbusch, TV-Experte in den USA und China, Stiftungsgründer, Podcast-Betreiber. "Es hat etwas gedauert, um herauszufinden, was ich wirklich machen will und wo meine Stärken liegen", verriet Friedrich im vergangenen Sommer dem kicker. "Ich habe bewusst viel ausprobiert, um herauszufinden, wo ich mich sehe."

Der bekennende Kosmopolit - mit Domizilen in Berlin, den USA und Frankreich - hat am Ende der vergangenen Saison länger mit sich gerungen, ob er die ihm angetragene Rolle als Sportdirektor annimmt. Er tat's, aber eine Epoche wie Preetz wird Friedrich vermutlich dennoch nicht prägen. Dafür ist er auf zu vieles zu neugierig und sagt selbst: "Ich halte nichts von Fünfjahresplänen." Einstweilen geht's um einen Fünf-Monats-Plan und Herthas Rettung in einer Situation, die kritischer ist, als mancher denkt. Friedrich kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Dass er will, hat er gezeigt. Jetzt muss er zeigen, dass er auch kann.

Steffen Rohr

Alle Bundesliga-Wintertransfers 2020/21