Bundesliga

So gibt Glasner ein fatales Bild ab

Ein Kommentar zur Wutrede in Sinsheim

So gibt Glasner ein fatales Bild ab

Ließ seinem Temperament freien Lauf: Oliver Glasner.

Ließ seinem Temperament freien Lauf: Oliver Glasner. IMAGO/Michael Weber

Vergangenen Samstag hätte man in Frankfurt gerne Mäuschen gespielt. Hat Oliver Glasner seinen Sportvorstand Markus Krösche nach dem 1:1 im Heimspiel gegen den FC Augsburg genauso wütend zurechtgewiesen, teilweise sogar angebrüllt, wie er es an diesem Samstag mit einem erfahrenen Journalisten gemacht hat?

"Wenn man die Leistung heute sieht, muss man sagen, haben wir es nicht begriffen", sagte Krösche nach dem Spiel gegen den FCA. Im Grunde genommen wurde Glasner auf der Pressekonferenz nach dem 1:3 in Hoffenheim nur das gleiche gefragt. Ob die Mannschaft die Chance nicht realisiert hätte, die sich nach den Niederlagen von Mainz und Leverkusen am Freitagabend mit Blick auf die internationalen Ränge geboten habe? Das war offenbar zu viel für das Nervenkostüm des Österreichers, der sich schon während des Spiels nicht im Griff hatte und auch wegen fehlender Regelkenntnis die Rote Karte sah.

Doch zurück zur Pressekonferenz. "Ich habe das schon oft gesagt. Hört auf, der Mannschaft irgendwas mit nicht kapieren oder keinen Einsatz vorzuwerfen", polterte Glasner los und fand kein Ende mehr. "Jetzt erzähle ich euch mal was. Der alte Makoto Hasebe ist 39, der spielt das dritte Mal 90 Minuten in dieser Woche am Ende der Saison, wo wir unser 43. Pflichtspiel haben. Der hat teilweise nach dem Spiel Blut im Urin, weil er so kaputt ist. Und was macht er: Er spielt wieder. Mangelnder Einsatz, hört mir mit diesem Müll auf. Akzeptiert es mal, dass die Hoffenheimer Mannschaft gewinnen kann. Hört mir auf mit nicht kapiert, keinen Einsatz und keinen Charakter."

An der Einstellung soll es also nicht liegen, dass sich die Eintracht weiter im freien Fall befindet und bis auf Rang 16 der Rückrundentabelle abgestürzt ist. Was ist dann der Grund für den Absturz? Mitte März, als die Krise noch gar nicht richtig an Fahrt aufgenommen hatte, legte Glasner nach einem 0:2 bei Union Berlin seine Defensive in Schutt und Asche: "Es ist eine Frage der Qualität. Ich weiß nicht, wie man Qualität trainieren kann."

Bei der ohnehin schon verunsicherten Mannschaft ist das bestimmt spitzenmäßig angekommen. Wenige Minuten später dämmerte ihm damals wohl schon, dass dieses Interview keine Glanzleistung war. "Es ist besser, heute den Mund zu halten. Denn alles, was ich sage, kann und wird gegen mich verwendet werden", sagte Glasner auf der Pressekonferenz im Anschluss. Überspitzt formuliert hat der 48-Jährige in diesem Kalenderjahr schon mehr dünnhäutige Auftritte hingelegt hat als seine Mannschaft Punkte gesammelt.

Eine Frage der Mentalität

Zurück zu den Leistungen auf dem Rasen. Wie ist zu erklären, dass genau diese Mannschaft trotz der abgesprochenen Qualität nach der Hinrunde nur fünf Punkte hinter dem FC Bayern auf dem vierten Rang lag und sensationell das Achtelfinale der Königsklasse erreichte? Egal, wie deutlich es Glasner betont: Es ist nicht mehr von der Hand zu weisen, dass es eine Frage der Mentalität und der Herangehensweise ist. Im DFB-Pokal, da geht es ja. Genauso wie vergangene Saison in der Europa League. Doch die Bundesliga wird zum zweiten Mal nacheinander abgeschenkt. Ein äußerst bedenkliches Zeichen.

Die Hoffenheimer Verteidigung, in dieser Saison alles andere als ein Lehrbeispiel für Stabilität, hat am Samstag gezeigt, was Kompromisslosigkeit und Verteidigungsmentalität bedeutet. Randal Kolo Muani wurde von Anfang an am Rande des Erlaubten beackert. Ganz nach dem Motto: Für euch gibt es heute nichts zu holen. Wann hat man die Eintracht zuletzt so erlebt? In diesem Kalenderjahr jedenfalls nicht.

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Längst ist nicht mehr nur die dauerkritisierte Abwehr das Problem. Das noch im Herbst so imponierende Angriffsspiel ist ein Schatten seiner selbst. Nur 15 Tore in den bisher 14 Spielen der Rückrunde sind der zweitschlechteste Wert aller Bundesligisten. Einen Plan B hat Glasner dem Team noch nicht vermitteln können. Mal wirkt er konsterniert, mal ratlos, selten selbstkritisch. Immer häufiger schmallippig, trotzig und unsouverän. An diesem Samstag auch erstmals aggressiv - wegen einer harmlosen und völlig angebrachten Frage. Mit der zunehmenden Kritik kann der Fußball-Lehrer nicht umgehen. Die Nerven liegen blank.

War der Diver zu viel des Guten?

Doch der Einzug ins Pokalfinale täuscht zumindest öffentlich über den fatalen sportlichen Trend hinweg. Glasner füttert das Narrativ, das alles gar nicht so schlimm sei, regelmäßig. Auch in der Wutrede in Hoffenheim: "Diese Mannschaft bestreitet das zweite Finale im zweiten Jahr, sie geht für die Eintracht durchs Feuer."

Auch bei seinem ekstatischen Jubel nach dem Halbfinalerfolg am Mittwochabend inklusiver Diver auf dem Rasen vor dem Frankfurter Gästeblock wirkte die Eintracht-Welt rosarot. Keine Frage, der Erfolg darf gefeiert werden. Doch war das nicht etwas zu viel des Guten für einen Trainer, der gerade mit seiner Elf das erste Auswärtsspiel des Jahres gewonnen hat? Wohlgemerkt im Mai, im zehnten Gastspiel seit Januar.

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Zumal das damit an die Mannschaft gesendete Zeichen fatale Wirkung haben kann. Denn dass Berlin alles ist, was zählt, ja, diesen Eindruck wurde man in Hoffenheim nicht los. Umso verständnisloser ist Glasners Auftritt auf der Pressekonferenz. Das Bild, das der Trainer in den vergangenen Monaten abgibt, ist fatal. Er wandelt auf einem schmalen Grat.

Ob die Mannschaft überhaupt noch weiß, woran sie ist? Mal wird sie in Grund und Boden geredet, mal schon fast in verschwenderischem Maße verteidigt. Selbst wenn die Eintracht am 4. Juni, dem Tag nach dem Pokalfinale, auf dem Frankfurter Römer feiert, darf ein 'Weiter so' kein Automatismus sein. Die vergangenen Monate fordern eine intensive Aufarbeitung. Auf und neben dem Rasen. Erst danach darf die Frage nach der gemeinsamen Zukunft von Oliver Glasner und Eintracht Frankfurt beantwortet werden.

Moritz Kreilinger

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