Bundesliga

Herthas Per Skjelbred: "Der Kreis schließt sich"

Nach sieben Jahren bei Hertha kehrt der Norweger in seine Heimat zurück

Skjelbred: "Der Kreis schließt sich"

Per Skjelbred hofft zum Abschied auf einen Einsatz für Hertha BSC.

Per Skjelbred hofft zum Abschied auf einen Einsatz für Hertha BSC. imago images

Per Skjelbred klingt zuversichtlich am Dienstagmittag. "Die Wade", sagt er, "ist viel besser geworden" - und damit die Hoffnung größer, dass es doch noch etwas wird mit seinem Mitwirken im Bundesliga-Finale. Gegen Frankfurt (1:4), vor eineinhalb Wochen, verließ der Norweger nach etwas mehr als einer halben Stunde den Platz, kopfschüttelnd. So soll es nicht zu Ende gehen. "Ich hab' alles gemacht: zweimal täglich Behandlung und trainiert und trotzdem versucht, nicht zu früh anzufangen", sagt Skjelbred. "Dass ich mitfahren und ein bisschen spielen darf in Mönchengladbach, das ist meine Hoffnung. Wenn es nicht geht, dann geht es nicht. Aber das war immer mein Ziel: nicht nach 30 Minuten verletzt runter und das war's nach sieben Jahren, sondern ein letztes Mal bei den Jungs sein - und lass' es nur fünf Minuten sein."

Wie diese, seine Mannschaft gegen Frankfurt ohne ihn auseinanderbrach, sagte viel aus über den Wert des Fußballers Per Skjelbred. Er war auf dem Rasen Ruhepol, Navigator und schlauer Balldieb zugleich, er machte seine Mitspieler besser, er konnte sich zurücknehmen und das Spiel trotzdem prägen: als einer, der dient - nicht glänzt.

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Labbadia: "Per ist ein besonderer Spieler für Hertha"

Als "tollen Menschen und phantastischen Mannschaftsspieler" hat ihn Bruno Labbadia, der seit dem Ostermontag Hertha BSC trainiert, kennengelernt. "Per ist ein besonderer Spieler für Hertha. Man merkt erst, wie besonders er ist, wenn man ihn selber auch trainiert." Mancher neigte dazu, diesen Fußballer zu unterschätzen, auch mancher Hertha-Trainer in dieser Saison. Genau getimte Außenrist-Flanken - die hat Skjelbred schon auch im Repertoire, aber Pirouetten fürs Ego waren nie seine Sache. 204 Bundesliga-Spiele, 43 Länderspiele, 11 Spiele in der Champions League, 10 in der Champions-League-Qualifikation - aber den Moment, in dem dieser unprätentiöse Blondschopf den besser postierten Mitspieler übersehen und nicht bedient hat, den wird man in den Archiven nicht finden. Es gibt ihn nicht.

Mit 13 gewann Skjelbred das Casting in der TV-Sendung "Proffdrommen" (Profiträume) des norwegischen Senders TV3, der Preis war ein dreiwöchiges Probetraining beim FC Liverpool. Den Vertrag als Nachwuchs-Spieler, den ihm die Reds anboten, lehnte er ab. Er blieb in Norwegen und wechselte zum Top-Klub Rosenborg Trondheim. Mit 16 debütierte er in der Tippeligaen, im Mai 2005 - kurz vor seinem 18. Geburtstag - kassierte er als jüngster Spieler in Norwegens 1. Liga eine Rote Karte. Am Montag hatte er ein Quiz mit ein paar Kumpels, die erinnerten ihn an seinen Rekord, "ich hatte es fast vergessen".

Einer für die Kommandobrücke, nie einer fürs Sonnendeck

Er war Norwegens Top-Talent in jener Zeit. 2008 war er fast klar mit Newcastle United, der Deal platzte in letzter Minute. Im Sommer 2011 ging er zum Hamburger SV, wo er keinen festen Platz im Team fand. 2013 zog es ihn - zunächst auf Leihbasis, ab 2014 fest - zu Hertha, wo er auch Stürmen und Rückschlägen standhielt. Er war immer einer für die Kommandobrücke, nie einer fürs Sonnendeck, und der Klub hätte mit ihm auch jetzt gern nochmal verlängert, aber gegen das Paket, das Rosenborg bot, war kein Ankommen: drei Jahre Vertrag als Spieler, danach zwei Jahre als Leiter der Nachwuchs-Akademie - und vor allem zurück zur Frau und den beiden Kindern, die schon im Vorjahr wieder nach Norwegen gegangen waren. "Das war immer mein Wunsch, ich will unbedingt meine Erfahrung zurückgeben an Kinder", sagt Skjelbred. "Rosenborg ist der größte Verein in meinem Land. Da kann ich mit meiner Stimme und Erfahrung dem norwegischen Fußball vielleicht ein bisschen helfen."

Bestimmt kann er das - und diese letzte Saison in Berlin hat seinen ohnehin reichen Fundus an Erfahrungen nochmal erweitert: "Ich hab' in dieser Saison alles erlebt: von der Bank zum Spiel und wieder zur Bank, Trainerwechsel, hoch, runter, hoch, ganz tief runter, wieder hoch. Dieses Jahr hatte alles, was man im Fußball erleben kann. Ich hab' viel gelernt und hab' jeden Tag genossen."

Er ging schon mit dem Gefühl in die Saison, dass es seine letzte in der Bundesliga werden würde, aber die Wehmut kam erst zum Schluss. "Ich hab' lange Zeit nicht dran gedacht, dass es bald vorbei ist", sagt er. "Aber die letzten zwei, drei Wochen, da bin ich manchmal allein durch die Stadt gefahren, um einen letzten Eindruck von Berlin mitzunehmen. Das ist schon komisch. Sieben Jahre in einem Verein, das ist heutzutage schon lange. Meine Kinder sind hier aufgewachsen. Die Stadt hat eine große Bedeutung. In ein paar Tage einfach Tschüss zu sagen, das fühlt sich ein bisschen komisch an."

Die Corona-Zeit, erst recht ohne die Familie, war nicht leicht. "Ich war das ganze Jahr allein, alles kein Problem, aber nach ein paar Wochen hab' ich schon gemerkt: nur Training und nur Wohnung, das nervt ein bisschen. Der einzige Sozialkontakt, den man hatte, war der Fußball. Ich hab' mich gefreut, ich bin fast drei Stunden länger auf dem Klub-Gelände geblieben als sonst. Es war der einzige Platz, wo man ein bisschen mit anderen Menschen umgehen konnte", sagt Skjelbred, der mit seiner integrativen, sozialen Art gerade für junge Spieler und Neuzugänge stets eine wichtige Bezugsgröße war. "Man hat heutzutage Facetime, Skype - aber ich liebe Menschen, gute Gespräche, gute Stimmung, einen Kaffee trinken mit guten Leuten."

Jetzt rücken die Frau und die Kinder in den Mittelpunkt

Es geht jetzt zurück zu dem Verein, bei dem er erstmals die große Bühne betrat. "Der Kreis schließt sich", sagt der einstige Kapitän der norwegischen Nationalmannschaft. "Für mich ist es, nach Hause zu kommen." Seine Kinder spielen Hand- und Fußball und turnen, "für sie will ich da sein" und für die Frau, "die neun Jahre für mich zurückgesteckt hat".

Am Wochenende Feuerwehrmann?

Kennengelernt haben sich beide einst auf dem Fußballplatz. Auch das gehört zur besonderen Geschichte dieses Mannes, der seine top-professionelle Einstellung stets mit einer Portion Verschmitztheit versieht - und der sich, kein Witz, auch als langjähriger Bundesliga-Profi nie von dem Traum gelöst hat, in Norwegen später als Feuerwehrmann zu arbeiten. Neulich sagte ihm ein Bekannter, man müsse für die Eignungstests mittlerweile unter 30 sein, "aber der meinte, ich hätte wegen meiner Fitness trotzdem eine gute Chance. Das Thema ist immer noch da. Vielleicht am Wochenende Feuerwehrmann, an den anderen Tagen Trainer in der Akademie. Das wäre perfekt."

Skjelbred: "Dann komm' ich und kontrollier' alles"

Nach Berlin will er zurückkommen und "mich richtig verabschieden, wenn die Zeit kommt - von der Mannschaft und den Fans". Spätestens im Winter, wie Skjelbred lächelnd hinterherschiebt: "Ich werde kommen und kontrollieren, ob alles gut läuft - sonst muss ich mit Michael Preetz reden wegen einer Leihe nach Weihnachten, damit ich die Mannschaft sozial wieder in die richtige Spur bringe. Sportlich kriegen sie das hin. Ich hab' drei Wochen frei im Januar. Dann komm' ich und kontrollier' alles. Die Jungs wissen Bescheid."

Jetzt wartet erstmal die Aufgabe bei Rosenborg. Das erste Meisterschaftsspiel endete vor einer Woche 0:0 gegen Kristiansund BK, das zweite ging am Samstag mit 0:1 in Molde verloren. "Ein Unentschieden, eine Niederlage - in Trondheim ist das nicht gut genug", sagt Skjelbred, der nach der Rückkehr in die Heimat zunächst zehn Tage in Quarantäne muss. "Die warten auch, dass ich nach Hause komme und ein bisschen helfen kann." Das kann er. Ein bisschen helfen. Manchmal auch ein bisschen mehr. Sieben Jahre. Jeden Tag. "Hertha ist auf dem richtigen Weg, das sieht sehr gut aus gerade. Und wenn einer geht", sagt Skjelbred, "muss ein anderer den Schritt vorwärts machen." So wird's vermutlich kommen. Fehlen wird er trotzdem sehr.

Steffen Rohr