Bundesliga

Schwarz-Gelb und die Roten Zahlen

Dortmund: Ein Fass ohne Boden

Schwarz-Gelb und die Roten Zahlen

Gesenkte Häupter: BVB-Präsident Dr. Gerd Niebaum (re.) und Geschäftsführer Michael Meier.

Gesenkte Häupter: BVB-Präsident Dr. Gerd Niebaum (re.) und Geschäftsführer Michael Meier. Kicker

Wenn Stefan ten Doornkaat der Geschäftsführung des BVB eine "kreative Buchführung" bescheinigt, eine "kreative Buchführung, wie sie nur bei wenigen Unternehmen vorkommt", könnten sich Dr. Gerd Niebaum und Michael Meier glatt geschmeichelt fühlen. In Wirklichkeit wird den beiden Dortmunder Machern schnell dämmern, dass ihnen nun auch von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre Ärger ins Haus steht. Ten Doornkaat als deren Sprecher wundert sich jedenfalls über das "eigentümliche Bilanzierungsverhalten" der Borussia Dortmund Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), so sehr, dass der Düsseldorfer Rechtsanwalt eine Sonderprüfung der Jahresbilanz 2002/2003 in Erwägung zieht.

Womöglich werden die Zahlen, die Niebaum und Meier spätestens in der kommenden Woche für die erste Saisonhälfte (bis 31. Dezember) vorlegen werden, ten Doornkaats latenten Argwohn noch verstärken. Die Aufsichtsratsmitglieder Dr. Winfried Materna (Vorsitzender), Wolfgang Burgard (Stellvertreter), Dr. Henning Kreke, Dr. Georg Kottmann, Dr. Michele Puller und Gerd Pieper kennen sie schon. Und was ihnen Niebaum und Meier bei ihrer jüngsten Zusammenkunft auftischten, wird sie kaum in Karnevalsstimmung versetzt haben: Nach Recherchen des kicker liegt der operative Verlust im Bilanzzeitraum bei annähernd 25 Millionen Euro.

Eine dramatische Dimension erreicht dieses Minus, wenn man es hochrechnet auf die gesamte Saison. Sofern sich der Verlust nicht durch Transfererlöse bis zum 30. Juni noch reduzieren lässt, wird er sich auf 60 bis 65 Millionen Euro (in Mark: 120 Millionen!) belaufen. Im Gegensatz zur Vorrunde lassen sich keine Einnahmen aus internationalen Vergleichen (wie gegen Brügge, Wien oder Sochaux) mehr erzielen, die Gehaltskosten werden durch das Comeback vormals verletzter Stars wieder sprunghaft ansteigen, außerdem stehen nach dem Revierderby gegen Schalke (0:1) nur noch sieben Heimspiele auf dem Terminplan, eines weniger als in der Vorrunde.


Kommentar von Thomas Hennecke


Obwohl deutsche Geldinstitute dem Verein inzwischen die kalte Schulter zeigen und weitere als die bereits laufenden Kredite in Höhe von 70 Millionen Euro verweigern, scheint die Liquidität bis zum Saisonende gleichwohl gesichert: Falls die Gespräche mit dem Londoner Investmentbanker Stephen Schechter scheitern sollten, der Niebaum und Meier erst kürzlich in Dortmund selbst seine Aufwartung machte, werden sich die beiden Geschäftsführer möglicherweise auf dem ausländischen Kapitalmarkt Geld besorgen. Wie es heißt, aus Österreich, dem Vernehmen nach in einer Größenordnung von bis zu 20 Millionen Euro, entsprechend hoch verzinst.

Dass die Kapitalsituation gut sei, wie Niebaum trotzig verkündet, glaubt schon lange niemand mehr. Erschüttert wird die Behauptung des BVB-Präsidenten durch seriöse Informationen, die jetzt bei der Hochtief AG (Essen) durchsickerten. Mit dem größten deutschen Baudienstleister (Jahresumsatz 2002: zwölf Miliarden Euro) musste die Borussia einen Stundungsvertrag abschließen. Von den 32,288 Millionen Euro, die Hochtief für die dritte Ausbaustufe des Westfalenstadions zustanden, sind knapp 18 Millionen (Fälligkeit: Jahresende 2003) noch offen. Der Verein muss sie abstottern. Natürlich mit saftigen Aufschlägen.

Auf die Geschäftspolitik der Borussia wirft dieser Fakt ein bezeichnendes Licht. Offiziell hatte der Klub sein Stadion verkauft, um mit dem Geld Erweiterungs- und Modernisierungsmaßnahmen (Schließen der vier Ecken) zu finanzieren. Stattdessen wurde der Erlös für andere Zwecke benötigt, weswegen sich der absurde Zustand ergibt, dass der BVB heute jeden Euro für eine Arena zusammenkratzen muss, die ihm nicht mehr gehört.

Nicht einmal für die Leasingraten an die Molsiris Fondsgesellschaft, den jetzigen Eigentümer des Westfalenstadions, kann die Borussia aufkommen. Aus gut informierten Kreisen bei der Commerzbank in Düsseldorf erfuhr der kicker, dass der BVB mehrere Raten (à 1,3 Millionen Euro) für die Nutzung der Arena nicht gezahlt hat. Dabei hatte sich Niebaum erst kürzlich noch dagegen verwahrt, dass sein Verein knapp bei Kasse sei. "Zahlungsschwierigkeiten", beteuerte der ewige Präsident (seit 1986) damals, "Zahlungsschwierigkeiten sind nicht vorhanden."

Niebaum gerät derweil selbst in Bedrängnis. Der Aufsichtsrat soll eine Auflistung aller Rechtsangelegenheiten angefordert haben, die die Kanzlei des obersten Borussen für den BVB abgewickelt hat. Auch ten Doornkaat will wissen, welches Volumen die an die Kanzlei Niebaum erteilten Mandate haben, um dauerhaften Anschuldigungen nachzugehen, nach denen der Umfang dieser Zusammenarbeit ein hygienisches Maß übersteigt. Ten Doornkaat will sich bei seinem aufklärerischen Wirken um die Unterstützung von Großaktionären bemühen.

Thomas Hennecke