Bundesliga

"Schmidteinander" bei Hertha: Der neue Boss legt los

Mehr Erfolg, mehr Erlöse, mehr Relevanz - auf den CEO wartet viel Arbeit

"Schmidteinander" bei Hertha: Der neue Boss legt los

Herthas neuer starker Mann: Carsten Schmidt legt als Vorsitzender der Geschäftsführung am heutigen 1. Dezember offiziell los.

Herthas neuer starker Mann: Carsten Schmidt legt als Vorsitzender der Geschäftsführung am heutigen 1. Dezember offiziell los. imago images

Der Vorschuss an Vertrauen ist groß - und die Überzeugung, in Schmidt die passende Besetzung für die neu geschaffene Position gefunden zu haben, auch. "Carsten Schmidt", sagt Herthas Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Torsten-Jörn Klein, "ist genau der, den wir haben wollten."

Schmidt, der Auserwählte

Das Auswahlverfahren, gesteuert von der Personalberatung Egon Zehnder, lief über Monate. Aus einer Longlist von über 60 Kandidaten schälte sich Schmidt, der zwei Jahrzehnte in Führungspositionen für das Pay-TV-Unternehmen Sky (bis 2009 Premiere) tätig war, als Wunschkandidat heraus. An diesem Dienstag tritt der gebürtige Lüneburger sein neues Amt in Berlin an, sein Vertrag hat nach kicker-Informationen eine dreijährige Laufzeit.

Schmidt wird formal Vorgesetzter der alteingesessenen Geschäftsführer Michael Preetz (53/Sport, seit 2009 im Amt) und Ingo Schiller (55/Finanzen, seit 1998 im Amt). Beide sollen sich fortan verstärkt auf ihr Kerngebiet konzentrieren können. Wie gut die Führungstroika im laufenden Betrieb künftig harmoniert, ist eine der spannenden Fragen der nächsten Monate. Schmidt erhält die Gesamtverantwortung und wird die Bereiche Marketing, Vertrieb, Strategie, Unternehmenskommunikation und Internationalisierung direkt verantworten.

Die Erwartungen an den Neuzugang sind enorm. Er soll mithelfen, Hertha sportlich aus der Grauzone der Liga herauszuführen, durch neue Erlösmodelle höhere Einnahmen generieren und den Klub als Marke national und international sichtbarer machen. Bei Schmidts Vorstellung im September brachte Aufsichtsratschef Klein die Kernaufgabe mit Blick auf die Partnerschaft mit Investor Lars Windhorst, der bislang 274 Millionen Euro in den Klub gesteckt hat, auf den Punkt: "Jetzt haben wir Geld. Und jetzt müssen wir dieses Geld richtig einsetzen und uns in eine neue Dimension heben - und zwar nicht mit Worten, sondern mit Taten und neuen Erlösmodellen. Wenn wir langfristig oben mitspielen und erstmal dahinkommen wollen, wird es notwendig sein, höhere Einnahmen zu generieren. Wir denken, dass Carsten Schmidt mit seiner Expertise und dem Leumund, den er als Unternehmensführer, Marketing-Profi, Vertriebsmensch und Kommunikator hat, das optimal abdecken kann."

"Jetzt haben wir Geld. Und jetzt müssen wir dieses Geld richtig einsetzen und uns in eine neue Dimension heben - und zwar nicht mit Worten, sondern mit Taten und neuen Erlösmodellen.

Herthas Aufsichtsratschef Torsten-Jörn Klein

Auch Präsident Werner Gegenbauer, die treibende Kraft hinter der Personalie, sagte im Oktober in einem kicker-Interview: "Ich bin überzeugt, dass er der Richtige ist. Er ist ein erfahrener Unternehmensführer, der unter unterschiedlichen Eigentümern gearbeitet hat, in ein internationales Netzwerk eingebunden ist, Aufgaben in der Tiefe angeht und löst und den Dialog mit jedem Mitarbeiter pflegt. Er ist jemand, der gestaltet, aber auch dafür sorgt, dass sich alle mitgenommen fühlen."

Alle einzubinden - das war Schmidts Credo bei Sky, wo er 2015 zum CEO aufstieg, und das wird auch sein Credo bei Hertha BSC sein: "Ich sehe mich nicht als Solist, sondern als absoluten Teamplayer. Das wird man auch spüren." Preetz will er im sportlichen Bereich in Ruhe arbeiten lassen, aber klar ist auch: Alle bei Hertha müssen sich künftig an Schmidts Zielen messen lassen. "Michael Preetz", so Schmidt, "hat die Richtlinienkompetenz in seinem Bereich. Ich komme nun mal nicht aus dem Sport. Aber ich bin auch nicht kenntnislos. Insofern bin ich eine gute Ergänzung mit einer eigenen Sichtweise." Der in Wirtschaft und Fußball glänzend vernetzte neue starke Mann hat schon vor seinem Start an diesem Dienstag klubintern viele Gespräche geführt. Bei allem Wissen um die Defizite empfiehlt er ein gesundes Selbstbewusstsein: "Hertha ist in einer Ausgangsposition, um die uns viele beneiden würden. Wir sollten uns nicht kleiner machen, als wir sind. Wir sind Top 10 in Deutschland. Durch die Tradition, den sportlichen Wert, den Standort und die Marke haben wir eine gute Ausgangsposition. Aber es wäre gelogen, wenn wir sagen, auf dieser Ebene gäbe es nichts zu heben."

Wir sollten uns nicht kleiner machen, als wir sind. Wir sind Top 10 in Deutschland.

Carsten Schmidt

Einstieg im Berliner Derby

Auch der HSV umwarb den Diplom-Betriebswirt und Medien-Profi als Vorstandschef, aber er entschied sich für Hertha. Am Freitagabend, beim Derby gegen Union, wird Schmidt erstmals in seiner neuen Rolle auf der Tribüne des leeren Olympiastadions sitzen. Hertha soll möglichst schnell Platz 13 verlassen, aber Schmidts eigentliche Aufgaben warten abseits des Rasens. Seit der Vertragsauflösung mit TEDi im Juli ist Hertha ohne Hauptsponsor, das Verhältnis zu Investor Windhorst und dessen Entourage gilt zumindest in Teilen als angespannt, das Stadion-Neubau-Projekt ist schon vor der Corona-Pandemie erheblich ins Stocken geraten, das Image und die Außendarstellung des Klubs gelten als verbesserungswürdig - der Harley-Davidson-Liebhaber Schmidt will und wird vom ersten Moment an Gas geben.

Dass er mit inquisitorischem Eifer alles über den Haufen wirft, steht nicht zu erwarten - dass er alles auf den Prüfstand stellt und gegebenenfalls konsequent handelt, schon. Hertha und das neue Schmidteinander: Da könnte mancher, der sich lange für die Zukunft hielt, in der Gegenwart schon bald auf der Strecke bleiben.

Steffen Rohr