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Wie Caroline Graham Hansen dem VfL Wolfsburg wehtun kann

Rechtsaußen lief selbst fünf Jahre als Wölfin auf

Schleicherin mit Plan B: Wie Barças Hansen Wolfsburg wehtun kann

Alle Lichter auf sie gerichtet: Dabei mag Caroline Hansen das gar nicht so sehr.

Alle Lichter auf sie gerichtet: Dabei mag Caroline Hansen das gar nicht so sehr. Getty Images

Mitte Dezember 2022 postete Caroline Graham Hansen ein älteres Foto auf ihrem Instagram-Kanal. Sie ist dort neben Lionel Messi zu sehen. "Jetzt ist die Diskussion vorbei! GOAT", schrieb sie dazu und gratulierte dem Argentinier, der in Katar soeben Weltmeister geworden war.

Dass die Norwegerin selbst einmal in den Genuss dieses Titels kommen wird? Unwahrscheinlich. Und auch beim Rennen um den Ballon d'Or und die Auszeichnung der Weltfußballerin spielte sie bisher keine Rolle - selbst in Barças Triple-Saison 2021 nicht.

Hansen scheint ihre nächste Bewegung Sekunden vorher zu planen

Dies allerdings könnte sich nun ändern. Sollte der FC Barcelona am Samstag (16 Uhr, LIVE! bei kicker) gegen den VfL Wolfsburg den Champions-League-Titel gewinnen, wäre dieser primär mit zwei Namen verbunden: dem von Spielgestalterin Aitana Bonmati und nicht zuletzt dem von Hansen. Beide haben in Abwesenheit der am Kreuzband verletzten Weltfußballerin Alexia Putellas Verantwortung übernommen - sie lenken das Barça-Spiel.

In beiden Halbfinal-Duellen gegen den FC Chelsea (1:0, 1:1) war Hansen die entscheidende Akeurin, erzielte beide Treffer. Auf dem rechten Flügel im 4-3-3 war die spielintelligente Dribblerin kaum zu halten. Hansen scheint ihren nächsten Pass, die nächste Bewegung schon Sekunden vorher zu planen. Kleine Richtungsänderungen auf engem Raum sind ihr Metier, eine Sprinterin ist sie allerdings nicht. Wenn Hansen antritt, nutzt sie ihre Arme auffallend wenig zum Beschleunigen. Es wirkt fast so, als schleiche sie über das Spielfeld.

Die Spielerin für die kühl zu Ende gespielten Angriffe

2021 im Champions-League-Finale hatte sie beim 4:0 gegen Chelsea getroffen, 2022 beim 1:3 gegen Lyon zum einzigen Barça-Tor den Assist geliefert. "The Athletic" fragte vor Kurzem zu Recht: "Ist sie eine der meistunterschätzten Spielerinnen der Welt?"

Hansen ist selten die Spielerin für die Traumtore, eher für die kühl zu Ende gespielten Angriffe. Ihr Trainer Jonatan Giraldez sagte nach dem Finaleinzug: "Sie ist eine der besten Spielerinnen auf der Welt, ohne Zweifel. Nach ihrer Verletzung war es eine schwierige Saison für sie, aber zum entscheidenden Zeitpunkt ist sie auf ihrem höchsten Level." Von November bis Februar fehlte Hansen wegen einer Oberschenkelverletzung. Im Frühjahr bereitete die Patellasehne Probleme, zuletzt stoppte sie ein Virus.

Findet Wolfsburgs Rauch ein Mittel?

Die 28-Jährige ist lange auf Top-Niveau dabei, sehr lange. Schon vor 13 Jahren debütierte sie für Stabaek IF in der norwegischen 1. Liga, als Fünfzehnjährige. Vor zehn Jahren stand sie beim EM-Finale gegen Deutschland (0:1) in der Startelf. Elf nationale Pokalwettbewerbe gewann Hansen: Je dreimal in Norwegen und Spanien, wo allerdings in diesem Jahr kein vierter Titel hinzukommen wird. Weil Barcelona eine gesperrte Spielerin im Achtelfinale der Copa de la Reina (eigentlich 9:0 gegen Osasuna) eingewechselt hatte, wurde das Spiel gegen den Top-Favoriten gewertet.

In Deutschland holte Hansen fünfmal in fünf Jahren den DFB-Pokal - mit dem VfL Wolfsburg. Genau der wird am Samstag in Eindhoven warten, ein paar Gegnerinnen kennt die Stürmerin, die gut Deutsch spricht, aus ihrer Zeit zwischen 2014 und 2019.

Felicitas Rauch, die gegnerische Linksverteidigerin, kam zum VfL, als Hansen gerade ging. Sie wird dennoch bestens wissen, was sie erwartet. Aber wird sie ein Mittel dagegen finden? Hansen zieht gern über rechts in den Strafraum, täuscht an, legt sich die Kugel auf den Linken und versenkt sie im langen Eck. Obwohl die Bewegung bekannt ist, rutschen die Verteidigerinnen immer wieder ins Leere. So wie Wolfsburgs Joelle Wedemeyer im Hinspiel des Vorjahreshalbfinales. So wie Melanie Leupolz und Erin Cuthbert vom FC Chelsea im Hinspiel des diesjährigen Halbfinales.

Sie ist einzigartig im Frauenfußball - und offensiv die beste Flügelspielerin der Welt.

Lucy Bronze über Caroline Hansen

Hansen hat aber immer einen Plan B in der Tasche, der nicht viel schlechter ist: Alternativ zieht sie zur Grundlinie und flankt mit rechts nach innen. Eigentlich ist sie nämlich Rechtsfuß. Doch sie trifft mit links fast genauso oft. Aus ihrer Kindheit existieren Bilder, die sie als Mädchen im blau-roten Barça-Trikot zeigen. Ihr Idol: Rivaldo.

Lange spielte sie in dieser Zeit bei den Jungs mit, bei Lyn Oslo auch mit dem aktuellen Nürnberger Profi Mats Möller Daehli zusammen, mit dem sie gut befreundet ist.

Caroline Hansen beim Torjubel

Wenn die Fitness stimmt, häuft sich dieses Motiv: Caroline Hansen beim Torjubel.  IMAGO/Bildbyran

"Sie ist einzigartig im Frauenfußball - und offensiv die beste Flügelspielerin der Welt", sagt Barças Rechtsverteidigerin Lucy Bronze, selbst mal Weltfußballerin, zum kicker. "Sie kann ein Spiel alleine drehen. Ich spiele hinter ihr, kann ihr den Ball geben und ihr einfach zurufen: 'Caroline! Geh steil und schieß ein Tor!'" Bronze lacht, wenn sie das sagt, doch man merkt ihr an, dass sie es schon so meint.

"Ich habe in meiner Karriere mit vielen verschiedenen Typen von Flügelspielerinnen zusammengespielt. Mit Caroline passe ich besonders gut zusammen", schwärmt Bronze. "Sie liebt es anzugreifen und den Ball zu haben. Wenn sie jemanden zur Absicherung braucht, mache ich das sehr gern für sie. Ich versuche ihre Stärken also ideal zu ergänzen." Mitspielerin Ingrid Engen - ebenfalls eine frühere Wölfin - nennt Hansen einen "großen X-Faktor für unseren Team".

Bei 17 Scorerpunkten aus gerade einmal 13 Spielen in der spanischen Liga steht die Stürmerin. In vielen anderen Partien fehlte Hansen. Das Gefühl, verletzt zu sein, kennt die zurückhaltende Norwegerin nur allzu gut. Auch in ihrer Zeit in Deutschland fiel sie häufig aus. 2016 schrieb sie auf ihrem eigenen Blog davon, wie sehr sie das mental belastet habe, berichtete von Depressionen, Schmerzen und großen Ängsten. In einer Zeit, in der das Thema Mental Health längst noch nicht derart öffentlich diskutiert wurde.

Herzprobleme und Müdigkeit stoppten Hansen

Passend dazu zog sich Hansen nach der enttäuschenden EM 2022 (inklusive einem 0:8 gegen England) mit bemerkenswerter Offenheit aus der Nationalmannschaft zurück. "Ich hoffe, es ist ein 'Bis bald'", schrieb sie, "nicht ein 'Danke für alles'". Sie, die auch schon eine OP wegen Herzproblemen hinter sich hat, spüre Müdigkeit und brauche etwas Ruhe. Bis heute lief sie nicht mehr fürs norwegische Nationalteam auf.

Bevor Hansen nach Barcelona wechselte, hatten die Katalaninnen vier Jahre lang auf einen Meistertitel warten müssen. Seitdem sie da ist, gewinnen sie jedes Jahr - und dazu 2021 die Königsklasse. Das liegt nicht nur an Hansen. Aber eben auch.

Mitte Januar verlängerte sie um drei Jahre bis 2026: ein Zeichen der großen internen Wertschätzung. So ist auch der Tausch der Rückennummer vor der Saison einzuordnen. Statt der Sieben trägt sie die Zehn. Schließlich ist das die Nummer, die auch Lionel Messi für mehr als eine Dekade trug. Nun ist es an der Zeit, dass sich Hansen auch die externe Wertschätzung abholt.

Dieser Text erschien in gekürzter Form zuerst in der kicker-Ausgabe Nr. 44 am 30. Mai 2023.

Paul Bartmuß

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