Bundesliga

Rumoren bei den Schiris: Geheime VAR-Liste und die Geldfrage

Referee-Honorare steigen allgemein - Ungleichbehandlung nach Fehlern

Rumoren bei den Schiris: Geheime VAR-Liste und die Geldfrage

Der VAR und eine Liste, die öffentlich nicht existiert: Martin Petersen, Jochen Drees und Felix Brych (v.li.).

Der VAR und eine Liste, die öffentlich nicht existiert: Martin Petersen, Jochen Drees und Felix Brych (v.li.). imago images (3)

Der Kader der Erst- und Zweitligaschiedsrichter ist bekannt und öffentlich einsehbar. Zum Beispiel auf der DFB-Website. 24 Unparteiische sind der Bundesliga zugeordnet, 16 weitere der 2. Liga. Wobei die Erstliga-Referees auch in den unteren Klassen zum Einsatz kommen und besonders gute Zweitliga-Schiris auch mal oben pfeifen dürfen. So weit, so transparent.

Aber wer kommt eigentlich als VAR zum Einsatz? Auf der DFB-Website steht dazu: "Die Video-Assistenten-Liste der beiden Bundesligen umfasst neben den Schiedsrichtern der Bundesliga und 2. Bundesliga der DFB Schiri GmbH auch qualifizierte Unparteiische, die ihre Karriere als Referee auf dem Rasen bereits beendet haben. Als Assistent-Video-Assistenten (AVA) werden aktive und ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter-Assistenten sowie Schiedsrichter der 2. Bundesliga und 3. Liga eingesetzt. Alle Video-Assistenten haben umfangreiche Schulungsmaßnahmen absolviert und sind durch das zuständige International Football Association Board (IFAB) sowie die FIFA anerkannt."

Auf kicker-Nachfrage gibt Jochen Drees, seit 2018 VAR-Chef, inzwischen mit dem Titel Leiter Video-Assistenten und Technologien der DFB Schiri GmbH, diese Antwort: "Grundsätzlich können alle Schiedsrichter der Bundesliga und der 2. Bundesliga sowie die spezialisierten Videoassistenten zum Einsatz kommen." Diese geschickte Formulierung ist nicht falsch, verschleiert aber die Wahrheit. In der Praxis sind nach kicker-Informationen nämlich nicht alle 24 Bundesliga-Schiris auch als VAR aktiv.

Aytekin, Ittrich, Willenborg, Petersen und Badstübner nicht mehr auf der "geheimen" VAR-Liste

In der Saison 2021/22 kamen Top-Schiedsrichter Deniz Aytekin sowie seine Kollegen Patrick Ittrich, Martin Petersen und Florian Badstübner nicht im Kölner Video-Assist-Center (VAC) zum Einsatz. Für Frank Willenborg stehen in der abgelaufenen Spielzeit zwar vier VAR-Einsätze in der Bundesliga und zwei in der 2. Liga in der Statistik, eigentlich steht aber auch er wie das zuvor genannte Quartett nicht mehr auf der VAR-Liste. Die wurde unter der Verantwortung von Drees, der von einigen Schiedsrichtern kritisch gesehen wird, bereits im Sommer 2021 reduziert. Offiziell respektive öffentlich existiert sie aber gar nicht.

zum Thema

Nun mag sich der eine oder andere aus dem Quintett über ein freies Wochenende freuen, an dem er weder auf dem Platz steht noch im VAC arbeitet. Es rumort aber trotzdem innerhalb des Schiedsrichterteams. Die Kommunikation rund um diese Reduzierung soll offenbar nicht glücklich und sauber abgelaufen sein. Mal hieß es, man sehe die Stärken der betroffenen Schiedsrichter eher auf dem Platz, dann war zu hören, es habe doch etwas mit mangelnder Qualität oder dem Verhalten als VAR zu tun.

Welche Gründe liegen nun für die Abberufung der fünf Referees als VAR vor? Sie könnten unterschiedlich und jeweils triftig sein. Fest steht aber: Sie lassen sich nicht nachvollziehen, weil sie nicht transparent kommuniziert wurden.

Quintett ist beim Grundhonorar schlechter gestellt

Hinzukommt das Thema Geld. Das auf der VAR-Liste fehlende Quintett ist gegenüber den Kollegen finanziell schlechter gestellt - und das unabhängig von den Einsätzen. Denn nur die als VAR eingesetzten Schiris dürfen ein zusätzliches Grundhonorar in Höhe von 6000 Euro pro Spieljahr abrechnen, 3000 Euro für die Hinrunde, 3000 Euro für die Rückrunde. Hinzu kommen die Honorare pro VAR-Einsatz. In der Bundesliga hat sich der Brutto-Betrag von der vergangenen zur aktuellen Saison von 2000 Euro auf 2100 erhöht, in der 2. Liga von 1000 auf 1050.

Im VAC lässt sich deutlich mehr verdienen als im Job als Vierter Offizieller

Da Doppel-Einsätze in 1. und 2. Liga an einem Spieltag oft vorkommen, kann ein nicht auf dem Platz eingesetzter Bundesliga-Schiri als VAR an einem Wochenende bis zu 4200 Euro kassieren. Der Job als Vierter Offizieller - da ist pro Wochenende nur ein Einsatz die Regel - wird in der Bundesliga mit 1400 Euro vergütet. Diese Tätigkeit bleibt Ittrich, Willenborg, Petersen und Badstübner, wenn sie nicht als Hauptschiedsrichter eingeteilt werden, während Top-Referees wie Aytekin ohnehin nicht als vierter Mann vorgesehen sind.

Nur wenn diese Schiedsrichter für längere Zeit wegen einer Verletzung nicht fürs Pfeifen infrage kommen sollten, dürfen sie nach absolvierten Auffrischungskursen wieder VAR-Aufgaben übernehmen.

Drees widerspricht dem Gerücht, dass auch Brych nicht mehr VAR sein sollte

Dem in Schiedsrichterkreisen kursierenden Gerücht, dass auch Spitzenkraft Felix Brych von der VAR-Liste genommen werden sollte, das aber nicht mit sich machen ließ, widerspricht derweil Drees auf kicker-Anfrage: "Das ist nicht korrekt. Felix Brych ist, wie auch in den vergangenen Jahren, in dieser Saison als Video-Assistent im Einsatz und wird weiterhin als VA eingesetzt. Berücksichtigt wird hierbei aber die hohe Einsatzfrequenz von Felix Brych als Schiedsrichter in den Elite-Spielklassen." Brych wollte sich zu diesem Thema im Gespräch mit dem kicker nicht äußern.

In der aktuellen Saison steht der Münchner Jurist, der wohl auch jenseits der bisherigen Altersgrenze von 47 Jahren pfeifen wird, bei vier Einsätzen in der Bundesliga und einem im DFB-Pokal als Referee sowie einem Einsatz als Bundesliga-VAR. 2021/22 kam Brych in Deutschland 28-mal auf dem Platz zum Einsatz (18-mal Bundesliga, siebenmal 2. Liga, zweimal Pokal, einmal Relegation) und fungierte viermal als VAR in der Bundesliga. Ein anderes Beispiel zum Vergleich: 2021/22 leitete der phasenweise verletzte FIFA-Schiedsrichter Tobias Stieler 18 deutsche Wettbewerbsspiele (12/4/1/1 3. Liga) und übernahm 27-mal als VAR Verantwortung (16-mal Bundesliga, elfmal 2. Liga). Die Unterschiede sind teilweise auffällig.

Seit Februar 2021 flog kein VAR mehr nach einem Fehler kurzfristig aus der Aufstellung

Die Ansetzungen sind seit jeher ein heiß diskutiertes Thema unter Unparteiischen. Da ging es schon immer darum, wer welche und wie viele Spiele und damit indirekt auch Honorare zugeteilt bekommt. Gerade nach Fehlern sehen einige eine Ungleichbehandlung. So ließ Petersen im Februar 2021 im Freitagsspiel Kiel gegen Würzburg einen falschen Strafstoßpfiff unkorrigiert und wurde am nächsten Tag von seinem geplanten Bundesliga-VAR-Einsatz beim Spiel zwischen Bremen und Freiburg kurzfristig abgezogen und wenige Monate später ganz von der VAR-Liste genommen. Seitdem aber gibt es "keine weiteren Umbesetzungen innerhalb eines Spieltages" mehr, wie Drees erklärt.

Wer hat das schönste Design? Das Trikot-Ranking der Bundesliga

Der VAR-Chef sagt zwar: "Allerdings muss eine Veränderung der 'Aufstellung', ähnlich wie bei einer Fußballmannschaft, auch kurzfristig immer möglich sein." Bisher flog in dieser Saison aber noch kein VAR kurzfristig aus der Aufstellung. So durfte der spezialisierte VAR und Ex-Schiri Günter Perl (52) nach seinen Fehlern bei den Bundesliga-Spielen Freiburg gegen Dortmund und Union Berlin gegen Leipzig jeweils am nächsten Tag auch wieder als VAR ran.

Anderes Beispiel: Matthias Jöllenbeck verpasste es als VAR am 6. Zweitligaspieltag bei der Partie Nürnberg gegen den HSV zusammen mit Schiri Felix Zwayer, eines der krassesten Strafstoßfouls der bisherigen Saison zu ahnden (Lawrence gegen Glatzel), pfiff am Wochenende darauf in der Bundesliga und hatte eine Woche später einen VAR-Doppeleinsatz. Unter seiner Video-Aufsicht passierte unter anderem das nicht mit Strafstoß geahndete Handspiel des Leverkuseners Kossounou im Spiel bei Hertha BSC.

Honorare steigen allgemein

Bei aller Uneinigkeit in manchen Punkten können sich die Schiedsrichter zumindest über allgemein gestiegene Honorare freuen. FIFA-Schiedsrichter der Elite und First-Class kassieren seit 2021 pro Saison 82.000 Euro Grundgehalt (davor: 80.000 Euro), die übrigen FIFA-Schiedsrichter und Schiris, die seit fünf Jahren in der Bundesliga pfeifen, 72.000 (70.000), die weiteren Erstliga-Referees 62.000 (60.000) und die Zweitliga-Unparteiischen 41.000 (40.000). Die Spielhonorare haben sogar schon die zweite Steigerung hinter sich. Pro Bundesliga-Spiel gibt es aktuell 5600 Euro (21/22: 5300, davor: 5000) und ab nächster Saison 6000 Euro. In der 2. Liga ist es jeweils die Hälfte.

Auch diese Honorarerhöhung hat der DFB noch nicht veröffentlicht.

Carsten Schröter-Lorenz

Gladbach auf Überholkurs: Die ewige Bundesliga-Tabelle