Bundesliga

BVB-Analyse: Rückschritt statt Fortschritt

Der BVB steht nach der heftigen Pleite gegen Leverkusen unter verschärfter Beobachtung

Rückschritt statt Fortschritt

Der BVB (hier Jude Bellingham) offenbarte gegen Leverkusen viele Schwächen und kassierte schon die sechste Saisonniederlage.

Der BVB (hier Jude Bellingham) offenbarte gegen Leverkusen viele Schwächen und kassierte schon die sechste Saisonniederlage. imago images/Kirchner-Media

Es war eine Steilvorlage, die ein Reporter Marco Rose nach dem 2:5 gegen Leverkusen auflegte: Ob er sich von seiner Mannschaft manchmal im Stich gelassen fühle, wurde der BVB-Trainer angesichts des vorherigen Auftritts der Dortmunder gefragt - und diese Frage war berechtigt, nachdem man bei der Borussia zuvor zwei Wochen lang konzentriert an den Schwächen gearbeitet hatte, ein Fortschritt aber nicht erkennbar war, sondern vielmehr ein Rückschritt. Rose jedoch widerstand der Versuchung, die Schuld auf seine Spieler abzuwälzen. Stattdessen schloss sich der 45-Jährige mit ein in seine Fehleranalyse und sagte: "Ich bin ein Teil der Gruppe."

Kurz zuvor hatte Rose die Wut und Enttäuschung der Dortmunder Fans zu hören bekommen. Zahlreiche Anhänger unter den 10.000 Zuschauern im Signal-Iduna-Park pfiffen, als sich die Mannschaft nach dem Spiel mit hängenden Köpfen zur Südtribüne aufmachte. Rose selbst wurde von einzelnen Fans, die in Summe diesmal während des Spiels ähnlich merkwürdig verzagt auftraten wie ihre Mannschaft, sogar beschimpft.

Rose findet die Pfiffe "total nachvollziehbar"

Auch als Kapitän Marco Reus beim Streamingdienst DAZN die Niederlage zu analysieren versuchte, hörte man im Hintergrund Pöbeleien einiger Fans. Diese Niederlage hinterließ in ihrer Heftigkeit Spuren, das war am frühen Sonntagabend deutlich zu spüren. Dazu musste man nicht einmal in die sozialen Medien schauen, in denen sich der Furor meist wesentlich schneller entfacht als in der realen Welt.

"Wenn du als BVB zuhause fünf Gegentore bekommst und das Spiel verlierst, dann sind die Pfiffe total nachvollziehbar", sagte Rose. Der Ärger sei "verständlich" angesichts der Leistung, die sein Team zuvor gezeigt habe - und mit der sie die Taten und Worte der Vortage regelrecht konterkarierte, individuell und im Kollektiv.

Die Borussen waren in dieses Spiel gegangen mit dem Wunsch, den Abstand auf den direkten Verfolger auf elf Zähler zu vergrößern, um den Blick vollends nach oben richten zu können. Um da zu sein, wenn die Bayern doch einmal durchhängen sollten. So unwahrscheinlich das auch sein mag. Dazu hatten Rose und sein Team ganz bewusst zwei Wochen lang ohne Ablenkung auf dem Trainingsgelände in Brackel am richtigen Defensivverhalten gearbeitet - und damit an der wohl größten Schwachstelle.

"Kopfproblem"? Frei wirkten die BVB-Profis in der Tat nicht

Zu sehen war davon am Sonntag allerdings nichts - obwohl Leverkusen exakt den Fußball spielte, den man vorab von ihnen erwarten konnte. "Das eine ist, darüber zu reden und es zu erarbeiten. Das andere ist das Umsetzen", sagte Rose, während Reus ein "Kopfproblem" beim BVB erkannte: "Vielleicht", sagte der gegen Leverkusen ebenfalls blasse Offensivspieler, "weil wir uns zu viele Gedanken um die Themen drumherum machen. Dann ist es wie eine Blockade."

Frei wirkten die Dortmunder tatsächlich nicht - und das nutzten die im Umschalten beeindruckend starken und vor dem Tor sehr effizienten Leverkusener eiskalt aus. Sowohl, wenn der BVB - wie der diesmal indisponierte und nach seiner langen Verletzungspause noch erkennbar formschwache Dan-Axel Zagadou - individuell patzte, als auch, wenn er - wie beim zweiten Gegentor, als die Bayer-Elf nach einem Ballgewinn am eigenen Strafraum ohne Mühen binnen Sekunden zum Torerfolg kam - wieder einmal in Gänze schwächelte.

Es fehlte den Borussen an Konsequenz und Konzentration. Es fehlte an Balance zwischen dem eigenen Offensivspiel, das den Gästen viel zu oft weite, freie Räume - vor allem im Zentrum und auf der linken Abwehrseite - anbot, und der defensiven Absicherung. Es mangelte ihnen aber auch an Tempo und Durchsetzungsstärke - und damit schlicht an Qualität, um gegen diesen Gegner an diesem Tag zu bestehen.

So wackelt auch das letzte große Ziel - Rose muss sich beweisen

Passiert ist dennoch wenig - zumindest tabellarisch. Zwar haben die Bayern nun neun Punkte Vorsprung und damit die zehnte Meisterschaft so gut wie sicher, doch titelreif wirkte der wankelmütige BVB in dieser Saison ohnehin noch zu keinem Zeitpunkt. Auch intern hatte man sich zunächst andere Ziele gesetzt. Und die sind in der Liga weiterhin nicht in Gefahr: Der Vorsprung auf Rang fünf, also den ersten Nicht-Champions-League-Platz beträgt trotz der bereits sechsten Saisonniederlage und inzwischen 36 Gegentoren - nur vier Teams kassierten mehr - komfortable zehn Zähler. Die Probleme der Dortmunder, sie liegen möglicherweise auch in diesem krassen Gefälle verortet.

Davon unabhängig steht der BVB nach dem Aus in der Champions League, dem Aus im DFB-Pokal und der deftigen Heimpleite gegen Leverkusen unter verschärfter Beobachtung. Auch Rose wird beweisen müssen, dass er das vorhandene Personal dahin weiterentwickeln kann, dass es seine Wunschvorstellung von Fußball konstant und nicht nur phasenweise umsetzen kann. Oder seinen Plan anpassen - worauf bislang jedoch wenig hindeutet. Das letzte große Ziel, den erstmaligen Gewinn der Europa League, erreicht man auf diese Weise nicht. Zumal auch Leverkusen - das in dieser Saison allerdings ähnlich wechselhaft agiert wie der BVB - noch zum Teilnehmerfeld zählt …

Matthias Dersch