WM

Nur Popp reicht nicht: Was für das DFB-Team alles schieflief

Nach dem historischen Vorrunden-Aus

Nur Popp reicht nicht: Was für das DFB-Team bei der WM alles schieflief

Alexandra Popp ärgert sich über eine vergebene Torchance.

Alexandra Popp ärgert sich über eine vergebene Torchance. picture alliance / Eibner-Pressefoto

Von der WM aus Australien berichtet Jim Decker

"In aller Sachlichkeit analysieren und aufarbeiten" müsse man die Situation jetzt, kündigte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg an und umschiffte gekonnt Nachfragen zu ihrer eigenen Zukunft beim Verband. Das könnte etwas dauern, denn die Gründe für das WM-Debakel sind vielschichtig.

Die Vorbereitung

Im vergangenen Jahr noch umjubelte die Bundesrepublik ihre Vize-Europameisterinnen, doch im Kalenderjahr 2023 reihte sich eine Baustelle an die nächste. Drei Freundschaftsspiele bestritt die DFB-Auswahl, erkämpfte ein 0:0 gegen Schweden, gewann knapp mit 1:0 gegen die Niederlande und verlor mit 1:2 gegen Brasilien. In der unmittelbaren WM-Vorbereitung gab es dann noch die Tests gegen Vietnam (2:1) und Sambia (2:3). Bis zum Abflug nach Australien lieferte das Team nicht einen überzeugenden Auftritt ab.

Und dann war da ja auch noch der Abstellungszwist zwischen dem DFB und dem FC Bayern. Der Meister stellte seine Spielerinnen mit drei Tagen Verspätung für die WM-Vorbereitung ab - angeblich, um ihnen mehr Regenerationszeit zu gewähren. Vielmehr dürfte die Posse aber ein Machtkampf zwischen Verband und Klub gewesen sein, den die Nationalelf klar verlor. Denn Münchens Mittelfeldspielerin Georgia Stanway tauchte pünktlich bei der englischen Auswahl auf ...

Die Verletzten

Wie viele Spielerinnen sich verletzten, war unkalkulierbar. Klar ist aber: In jedem Turnier gibt es Blessuren - und die, die das DFB-Team trafen, konnte der Kader nicht auffangen. Auf der Rechtsverteidiger-Position schulte Voss-Tecklenburg lieber Offensivspielerin Svenja Huth um, nachdem Stammkraft Giulia Gwinn nach ihrem Kreuzbandriss noch nicht wieder als turnierfit eingestuft und nicht nominiert worden war.

Vorrundenspiele des DFB bei der WM

Den Ausfall von Linksverteidigerin Felicitas Rauch fing "MVT" mit der etatmäßigen offensiven Mittelfeldspielerin Chantal Hagel auf. EM-Stammkraft Marina Hegering wurde erst für das Spiel gegen Südkorea wieder fit, auch ihre Stellvertreterinnen Sara Doorsoun und Sjoeke Nüsken verletzten sich. Sydney Lohmann, gegen die Asiatinnen ein Lichtblick, war ebenfalls lange angeschlagen.

Die Ausfälle ballten sich unter den Verteidigerinnen, auffangen konnte das Team sie nicht. Bezeichnend: Mit Janina Minge war bis zur ersten WM-Partie eine zusätzliche Spielerin vor Ort, die schnell nachnominiert hätte werden können. Doch Minge ist Mittelfeldspielerin - ein Mannschaftsteil, der ohnehin gut besetzt ist. Auch im erweiterten WM-Kader der Vorbereitung stand keine weitere Innenverteidigerin.

Die Außenverteidigerinnen

Auf den defensiven Außenbahnen herrscht ein Mangel: Ausfälle wie der von Rauch, Gwinn oder Carolin Simon, die sich gegen Sambia das Kreuzband riss, sind nicht zu verkraften. Voss-Tecklenburg setzte als Gwinn-Ersatz voll auf die erfahrene Huth, die einst vor acht Jahren in Frankfurt in defensiverer Rolle agiert hatte.

Eine Variante, die mehr neue Probleme nach sich zog, als sie löste. Huths Vorstöße und Flanken fehlten plötzlich im Spiel nach vorn, defensiv offenbarte sie stellenweise Probleme. Die Maßnahme, Huth meist asymmetrisch weit vorrücken zu lassen, während die Linksverteidigerin in eine Dreierkette einschob, überforderte das Team offenbar.

Auch links lief es nicht besser: Hagel war gegen Kolumbien noch wenig vorzuwerfen im Abwehrspiel, gegen Südkorea geriet sie arg ins Schwimmen. Ausgerechnet Südkorea-Coach Colin Bell brachte die Problematik auf den Punkt: "Sie sind beide sehr gute Spielerinnen - aber keine Außenverteidigerinnen."

Die Abhängigkeit

Popp, Popp und nochmal Popp: Die Kapitänin ist unersetzbar. Gegen Marokko machte sie den Dosenöffner, gegen Kolumbien und Südkorea erzielte sie den Ausgleich. Außer ihr verströmt aber niemand sonst auch nur ansatzweise solche Torgefahr. Bezeichnend: Im Duell mit den Südamerikanerinnen gingen zwei der vier deutschen Chancen auf Popps Konto, beim Ausscheiden in Brisbane waren es zwei von fünf Möglichkeiten.

Aus dem Mittelfeld kam nahezu nichts, Lea Schüller traf gegen Marokko und tauchte dann gegen Südkorea 90 Minuten lang fast unter. Die Flügelstürmerinnen Klara Bühl und Jule Brand waren engagiert, aber oft auch auf sich allein gestellt. Ohne Popp geht nichts - was auch Bell auszunutzen wusste. Nach etwa einer Stunde wechselte er die 1,82 Meter große Stürmerin Eun-Sun Park ein und beorderte sie in der Defensive gegen Popp. Ein Schachzug, der aufging. Die 32-Jährige brachte danach nur noch eine weitere Chance zustande.

Die Gründe für das WM-Aus werden auch das Trainerteam und die Spielerinnen erkennen. Welche Konsequenzen daraus folgen, werden dann die kommenden Tage zeigen.

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